Ein Gastbeitrag von Jürgen Fritz
Vergewaltigung oder keine Vergewaltigung? Diese Frage hatte das Schöffengericht Brandenburg/Havel zu beantworten. Es entschied: Nein, es war keine solche, weil dem Türken nicht klar war, dass die junge Frau keinen Sex mit ihm wollte, obschon sie seinen Wunsch, mit ihm ins Bett zu steigen, ablehnte, obschon sie laut schrie, er solle aufhören, obschon sie sich wehrte und ihn kratzte.
Der Fall ereignete sich bereits vor knapp zwei Jahren. In der Nacht des 18. August 2016 kommt die junge Frau aus Plaue, Brandenburg an der Havel gegen 4 Uhr ins Stadtzentrum, in die Wohnung des türkischen Gastwirtsohnes. Die beiden kennen sich etwa zwei Jahren. Sie möchte Drogen bei ihm kaufen. Die jungen Leute konsumieren sehr schnell die Droge Speed und trinken ein Bier zusammen. Jetzt will der junge Mann mit ihr ins Bett. Sie will aber nicht, lehnt das ab. Der sei überhaupt nicht ihr Fall, wird sie später vor Gericht aussagen.
Doch er lässt nicht locker, macht ihr Komplimente. Dann packt er sie am Arm, zerrte sie zum Bett, wirft sie auf dieses und zieht sie aus. Ihre Schultern drückt er dabei fest gegen die Metallstäbe am Kopfende des Bettes. Jetzt klemmt er sogar ihren Kopf zwischen zwei dieser Metallstäbe ein.Die junge Frau schreit, er soll aufhören. Sie wehrt sich, sie kratzt ihn am Rücken. Doch er hört nicht auf. Irgendwann gibt sie auf, wehrt sich nicht weiter, lässt es über sich ergehen, wie sie später sagen wird. Mehrmals dringt er in sie ein. Das Ganze zieht sich über Stunden hin. Der Drogendealer vollzieht den Geschlechtsakt so rabiat, dass die Frau zwei Wochen nicht richtig laufen kann. Dann, nach etwa vier Stunden, erhält er einen Anruf und muss weg. Nun erst endet ihre Tortur.
Der Türke wird freigesprochen
Die junge Frau geht zu ihrem Partner, der auf der Arbeit ist. Sie heult und berichtet, dass sie vergewaltigt wurde. Sie läuft gekrümmt, da sie Schmerzen im Schambereich hat. Seit diesem Tag ist sie ihrem Partner zufolge keine lustige Lebeperson mehr. Sie kann sich selbst nicht mehr leiden. Nähe kann sie kaum noch ertragen, fühlt sich schuldig und fängt an, sich zu ritzen.
Noch am gleichen Tag erstattet sie bei der Polizei Strafanzeige wegen Vergewaltigung. Die Polizeibeamtin, die sie vernimmt, erlebt die junge Frau als sehr aufgewühlt: „Sie hat geweint, lief gekrümmt vor Schmerzen, wollte sich am liebsten verkriechen.“ Die Polizei dokumentiert Blutergüsse an den Innenseiten ihrer Oberschenkel und an der Schulter. Bei dem Türken werden zwischen den Schulterblättern Rötungen von Kratzern dokumentiert.
Die Staatsanwaltschaft glaubt ihr jedes Wort. Das Ganze geht 2017 vor Gericht. Auch dort glaubt man der jungen Frau, dass sie gegen ihren Willen mit Gewalt zum Geschlechtsverkehr gezwungen wurde. Gleichwohl bleibt der Täter vollkommen straffrei. Ja mehr noch, er wird freigesprochen, er habe gar keine Straftat begangen. Wie das?
Straftat = alle Tatbestandsmerkmale erfüllt (inklusive Vorsatz) + Rechtswidrigkeit + Schuld
Um jemanden nach dem deutschen Strafrecht bestrafen zu können, müssen drei Dinge erfüllt sein: Er muss
- alle Tatbestandsmerkmale eines gesetzlich genau definierten Straftatbestandes erfüllthaben, er muss
- rechtswidrig (ohne objektive Rechtfertigungsgründe, wie z.B. Notwehr, Nothilfe, Einwilligung etc.) gehandelt haben und
- schuldfähig sein (es dürfen keine subjektiven Schuldausschließungsgründe vorliegen wie z.B. unter 14 Jahre alt sein oder bei Erwachsenen auf Grund einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen Schwachsinns oder einer schweren anderen seelischen Abartigkeit unfähig, das Unrecht der Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln).
Zu den Tatbestandsmerkmalen (1) gehören grundsätzlich nicht nur objektive Tatbestandsmerkmale, sondern immer dann, wenn es im Gesetz nicht ausdrücklich anders genannt ist, auch subjektive und zwar muss der Täter vorsätzlich gehandelt haben.
Vorsatz bedeutet mit Wissen und Wollen der Verwirklichung des Straftatbestandes. Der Täter muss den Willen zur Tatbestandsverwirklichung in Kenntnis aller objektiven Tatbestandsmerkmale gehabt haben. Wenn Sie zum Beispiel eine Geldbörse einstecken, weil sie meinen, es wäre ihre eigene, dann begehen Sie keinen Diebstahl, weil ihnen nicht bewusst war, dass es eine FREMDE Sache war, die sie an sich nahmen. Und beim Vorsatz sah das Gericht im Falle des jungen Türken den springenden Punkt. Inwiefern?
Er: „Es war einvernehmlicher Sex, ein bisschen wild vielleicht“
„Ich glaube Frau G. jedes Wort“, sagte die Richterin nach ihrem Urteilsspruch. Doch wahrscheinlich habe ihr Peiniger nicht gewusst, was er ihr antat, als er in dieser Nacht über die junge Frau herfiel.
Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft“, heißt es in § 177 StGB (Vergewaltigung).
„Gegen den erkennbaren Willen“, das ist hier der springende Punkt. Hat der Türke erkannt, dass die junge Frau keinen Sex mit ihm wollte? Er selbst gab vor Gericht folgendes an: Es sei einvernehmlicher Sex gewesen, ein bisschen wild vielleicht. Er sei etwa eine Woche zuvor von seiner festen Freundin verlassen worden. Daher sei er offen gewesen für die etwa gleichaltrige junge Frau aus Plaue. Vorher habe er nur Küsse mit ihr ausgetauscht, aber keinen Sex gehabt. Früher hätte sie Sex mit ihm haben wollen, nun habe auch er gewollt. Beide seien sich näher gekommen und hätten dann miteinander geschlafen. Einvernehmlich, „ein bisschen auf hart gemacht“. Sie hätten es nach dem ersten Mal noch einige Stunden lang erneut versucht, aber wegen der Drogen habe es nicht mehr geklappt. Am nächsten Morgen um 8 Uhr sei sie gegangen und er habe sich freundlich von ihr verabschiedet.
Sie: „Ich kann nicht beurteilen, ob er mit der Mentalität des türkischen Kulturkreises das vielleicht für wilden Sex gehalten hat“
Nun stellte die Richterin die für den Ausgang des Strafprozesses entscheidende Frage an die Zeugin respektive das Opfer: „Könnte es sein, dass der Angeklagte dachte, Sie seien einverstanden?“ Diese Frage ist daher entscheidend, weil der Vorsatz sich auf alle Tatbestandsmerkmale beziehen muss, der Täter einer Vergewaltigung muss natürlich wissen, dass das Opfer das nicht möchte, sonst ist es keine vorsätzliche Vergewaltigung im Sinne des § 177 StGB und damit gar keine. Und auf diese Schlüsselfrage der Richterin antwortete die junge Frau folgendes:
Das könnte sein, dass der Angeklagte dachte, Sie sei einverstanden gewesen. Sie könne nicht beurteilen, ob er mit der Mentalität des türkischen Kulturkreises das Geschehen, das sie als Vergewaltigung erlebte, vielleicht für wilden Sex gehalten habe.
Mit dieser Antwort in Verbindung mit dem anderen Kulturkreis konnte der Vorsatz nicht mehr als sicher gelten und das Gericht musste den Mann freisprechen.
„Eure Frauen sind euch ein Acker; geht zu eurem Acker, wie ihr wollt“
Zum Verständnis des anderen Kulturkreises, muss man wissen, dass nach offiziellen Statistiken etwa 99 Prozent der Türken Muslime und dass die türkische Bevölkerung trotz Atatürk nach wie vor und seit Erdogan wieder zunehmend sehr tief von dieser islamischen Weltanschauung geprägt sind. Die Frau hat in diesem Welt- und Menschenbild aber eine völlig andere Stellung als der Mann, ganz anders als es unser Grundgesetz und unsere Gesetze vorsehen. So heißt es beispielsweise im Koran, dem „heiligen Buch“ des Islam, das als Originalwort Allahs angesehen wird, in Sure 2, Vers 223:
„Eure Frauen sind euch ein Acker; geht zu eurem Acker, wie ihr wollt. Doch schickt für eure Seelen etwas voraus und fürchtet Allah“.
Das heißt, der Wille der Frau spielt in diesem Menschenbild überhaupt keine Rolle, so dass auch auch nur schwerlich eine Kultur des auf den Willen der Frau zu achten, entwickelt werden konnte.
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Zum Autor: Jürgen Fritz studierte in Heidelberg Philosophie, Erziehungswissenschaft, Mathematik, Physik und Geschichte für das Lehramt. Nach dem zweiten Staatsexamen absolvierte er eine zusätzliche Ausbildung zum Financial Consultant unter anderem an der heutigen MLP Corporate University. Er arbeitete etliche Jahre als unabhängiger Finanzspezialist. Außerdem ist er seit Jahren als freier Autor tätig. 2007 erschien seine preisgekrönte philosophische Abhandlung „Das Kartenhaus der Erkenntnis – Warum wir Gründe brauchen und weshalb wir glauben müssen“ als Buch, 2012 in zweiter Auflage. Seit 2017 betreibt er schwerpunktmäßig seinen Blog JÜRGEN FRITZ. Hier erschien der hier veröffentlichte Beitrag zunächst.