Donnerstag, 21. November 2024

Kinderrechte im Grundgesetz: Nicht nur überflüssig, sondern sogar verdächtig!

Ein Gastbeitrag von Daniel Schweizer

Die neue Große Koalition – neues Horrorkabinett dürfte treffender sein – steht. Am 14. März 2018 wurde Merkel erneut vom Bundestag zur Kanzlerin gewählt. Und in diesem Zuge erneut dazu veranlasst, den Eid herunter zu leiern, der angesichts ihrer Politik nicht das Mikrofon wert ist.

Besorgniserregend sind für Eltern zurzeit die Pläne der neuen Bundesregierung, explizit Kinderrechte ins Grundgesetz aufzunehmen. Was so wohlwollend klingt nach einer fürsorglichen Regierung, die sich um das Wohl der Kinder sorgt, wirft berechtigte Zweifel an wirklicher Kinderfreundlichkeit auf.

Kritiker dieses Vorstoßes wenden ein, dass dies ohnehin überflüssig ist. Weil Kinder auch Menschen sind und diese somit bei Menschenrechten eingeschlossen sind. Und gerade deshalb wird befürchtet, dass sich die neu aufgelegte Große Koalition damit nur mehr staatliche Zugriffe auf Kinder sichern will. Dies würde auf Kosten des in Artikel 6 des Grundgesetzes garantierten elterlichen Erziehungsrechts gehen.

Deshalb ist es wichtig, aufzuzeigen: Wie sieht bereits die jetzige Rechtslage für Kinder aus? Wodurch sind bereits jetzt die Rechte von Kindern im Grundgesetz und in einfachgesetzlichen Regelungen so abgesichert, dass eine Erweiterung des Grundgesetzes um explizite Kinderrechte überflüssig wäre? Und somit nur der Aushöhlung des Eltern dienen würden?

Selbstverständlich muss sowohl bei Eltern als auch beim Staat im Umgang mit Kindern gelten: Im Zweifel für das Wohl des Kindes! Nicht im Interesse von Ideologien!

Schon das Elternrecht in der bestehenden verfassungsrechtlichen Form gibt Eltern keine unbeschränkten Rechte über ihre Kinder. Sondern unter bestimmten Bedingungen sind dem Staat Eingriffsrechte vorbehalten. In Absatz 2 von Artikel 6 des Grundgesetzes schließt sich an den genannten Satz

„Pflege und Erziehung sind das natürliche Recht der Eltern und die ihnen zuvörderst obliegende Pflicht“

…der Folgesatz an: „Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.“ Dies berechtigt den Staat aber nicht willkürlich zum Eingreifen in die Erziehung, schon gar nicht zum Zweck der Indoktrination mit Ideologien. Das macht auch der folgende Absatz 3 deutlich:

„Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.“

Dies schränkt den Staat ausdrücklich in seinen Eingriffsmöglichkeiten ein, nämlich auf Situationen, in denen das Kindeswohl in ernster Gefahr ist.

Somit ist letztendlich das Kindeswohl im Grundgesetz klar berücksichtigt, auch in Kollision mit dem Rechtsgut des elterlichen Erziehungsrechtes. Was als einer der Gründe dafür spricht, dass extra Kinderrechte im Grundgesetz überflüssig wären.

Und ja, es ist nachvollziehbar, dass im Sinne des Kindeswohls Eingriffsmöglichkeiten bestehen – sowohl vonseiten der Eltern als auch – aber nachrangig – vonseiten staatlicher Behörden. Wir Menschen sind bekanntlich fehlbar. Und das auch im Umgang mit Kindern. Die meisten Menschen, die als Vater oder Mutter, als Erzieher oder als Lehrer mit Kindern zu tun haben, machen ihre Sache in Fürsorge und Verantwortung. Wo Erwachsene aber gravierende Fehler im Umgang mit Kindern machen, müssen Eingriffsmöglichkeiten bestehen. Um eben die Kinder vor den schlimmsten Folgen zu schützen. In den wenigen prekären Einzelfällen, in denen der elterliche Umgang mit dem Kind gravierend schiefläuft, muss der Rechtsstaat seine Funktion zum Schutz der Kinder wahrnehmen. Aber mindestens genauso wichtig ist das elterliche Erziehungsrecht als Abwehr gegen willkürliche staatliche Vereinnahmung von Kindern. Wie wir es auf deutschem Boden im Dritten Reich und in der DDR hatten. Und auch gegenwärtig müssen Eltern wieder mehr Angst haben, dass der Staat zu sehr in ihre Erziehung eingreift.

Für den Fall ernsthafter Kindeswohlgefährdung im familiären Umfeld sind also schon in den genannten Sätzen von Artikel 6 Eingriffsmöglichkeiten benannt. Dafür braucht es schon einmal nicht die von der neuen Großen Koalition geplanten Kinderrechte. 

Die weitere Frage wären generell die Individualrechte der Kinder. Und auch hier versteht sich eigentlich schon vieles von selbst, wenn man die Rechtsgüter des Grundgesetzes gegeneinander abwägt. Denn jedes Rechtsgut findet seine Schranken in der Kollision mit anderen Rechtsgütern. Dem Artikel 6 zu Ehe und Familie mit dem Erziehungsrecht der Eltern gehen fünf Artikel voraus, die dem einzelnen Menschen ganz klar eine eigene Würde und eigene Rechte der Selbstbestimmung zuschreiben – gegen Bevormundung durch den Staat, aber auch durch andere Menschen überhaupt. Im Grundgesetz kollidieren also die ersten fünf Artikel mit Artikel 6: Einerseits der Mensch als Besitzer individueller Selbstbestimmungsrechte – ohne konkret angegebene Altersgrenze. Andererseits der Mensch als jemand, der während der Kindheitsphase unter Vormundschaft Erwachsener steht, vorrangig der Eltern.

Aus dieser Kollision versteht sich von selbst, dass Gesetzgeber, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung so zu handeln haben, dass einerseits Eltern in maßgeblichen Punkten die Vormundschaft zusteht, andererseits auch Kinder je nach Altersstufe in wichtigen Entscheidungen nicht übergangen werden dürfen. Dafür braucht es keine extra Kinderrechte im Grundgesetz.

Gerade in der Jugendphase haben einfachgesetzliche Regelungen diese Normenkollision aus Individual- und Vormundschaftsrechten durchaus vernünftig geregelt. Was Menschen schon vor Erreichen der Volljährigkeit schrittweise individuelle Rechte ermöglicht. Das bekannteste Beispiel ist die Religionsmündigkeit ab 14 Jahren. Das Gesetz über die religiöse Kindererziehung garantiert in Paragraf 5 Jugendlichen ab 14 Jahren die Selbstbestimmung über ihre Religionszugehörigkeit.

Wozu also extra Kinderrechte im Grundgesetz, wenn schon jetzt Kinder auch das Recht vielfach auf ihrer Seite haben?

Nicht nur in der Abwägung mit den Individualrechten auch von Kindern findet das Elternrecht schon in jetziger Rechtspraxis seine Grenzen. Eine weitere Kollision besteht mit der durchaus umstrittenen Schulpflicht. Man kann unterschiedlicher Meinung sein, ob sie mit dem elterlichen Erziehungsrecht vereinbar ist. Aber die genaue Betrachtung der Rechtsnormen macht deutlich, dass nur eine Grundgesetzänderung von der Schulpflicht unter Berufung auf das elterliche Erziehungsrecht befreien könnte. Auch wenn Artikel 7 des Grundgesetzes nicht explizit die Schulpflicht erwähnt wird, so wird deutlich, dass die in den Bundesländern geregelte Schulpflicht nicht gegen das Grundgesetz in seiner derzeit gültigen Form verstößt. Denn Artikel 7 Absatz 2 gewährt den Erziehungsberechtigten explizit die Bestimmung über die Teilnahme ihres Kindes am Religionsunterricht. Hätten die Väter des Grundgesetzes keine Schulpflicht im Blick gehabt, hätten sie müssen nicht explizit für ein bestimmtes Schulfach das Elternrecht schützen. Und gerade weil das Elternrecht ohnehin auch durch die Schulpflicht an seine Grenzen stoßt, braucht es keine weitere Einschränkung durch explizite Kinderrechte.

Zu den geplanten Kinderrechten im Grundgesetz gehören ja offensichtlich das „Recht auf Bildung“ oder das „Recht auf Information“. Diesbezüglich gibt es aber bereits rechtliche Grundlagen etwa in den Landesverfassungen. Beispielsweise Artikel 11 Absatz 1 in der Landesverfassung Baden-Württemberg:

„Jeder junge Mensch hat ohne Rücksicht auf Herkunft und wirtschaftliche Lage das Recht auf eine seiner Begabung entsprechende Erziehung und Ausbildung.“

Wozu also noch extra ins Grundgesetz aufnehmen? Zumal sich schon aus der jetzigen Grundlage des Verfassungsrechts naheliegend ableiten lässt, wie wichtig Bildung für ein Kind ist, um spätestens im Erwachsenenalter voll und ganz von seinen Grundrechten Gebrauch zu machen. Nur wer eine Bildung mit Befähigung zur eigenen Meinung geboten bekommt, kann von seinem Grundrecht auf Meinungsfreiheit Gebrauch machen.

Und insofern versteht sich aus schon festgeschriebenem bestehenden Verfassungsrecht von selbst, was Kindern zusteht: Eltern, die ihnen durch Liebe, Fürsorge und Wertevermittlung eine Orientierung im Leben bieten. Und eine Bildung, die sie zu einer eigenen Meinung befähigt. Eine Meinung, die sowohl Gemeinsamkeiten als auch Abweichungen mit den Werten aus ihrer elterlichen Erziehung haben darf.

Und genau deshalb sind extra Kinderrechte im Grundgesetz überflüssig. Und weil sie überflüssig sind, sind die Absichten dahinter umso verdächtiger.

Schon jetzt nimmt sich der Staat viel zu oft heraus, Eltern zu bevormunden. Vor allem aus dem Lager von Rot-Rot-Grün wird Eltern laufend eingeredet, eine Kita und eine Ganztagesschule wären das Beste für ihre Kinder. Und die Unionsparteien grenzen sich bekanntlich immer unzureichender von grüner Ideologie ab. Im Zuge der Sexualerziehung überschreiten die Länder in neuen Bildungsplänen die Grenzen dessen, wie weit der Staat in seinen Erziehungszielen gehen darf. So zumindest das schlüssig erklärte Rechtsgutachten von Christian Winterhoff. Und damit sind die Ängste vieler Eltern berechtigt, dass sich der Staat mit Kinderrechten im Grundgesetz noch mehr über Kinder bemächtigen wird, als er es jetzt schon tut.

Und ein Schlusswort an die Bundesregierung: Sparen Sie sich die extra Kinderrechte im Grundgesetz! Sorgen Sie lieber durch eine 180-Grad-Wende in der Asylpolitik und durch eine erhebliche Verbesserung der inneren Sicherheit dafür, dass Eltern wieder ohne Angst ihre Kinder auf der Straße spielen lassen können!

Oder besser: Treten Sie, Frau Merkel, mit ihrem ganzen Kabinett zurück! Denn Sie bekommen ohnehin keine Politik mehr zustande, unter der sich Kinder oder Erwachsene sicher auf der Straße bewegen können!

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David Berger
David Bergerhttps://philosophia-perennis.com/
David Berger (Jg. 1968) war nach Promotion (Dr. phil.) und Habilitation (Dr. theol.) viele Jahre Professor im Vatikan. 2010 Outing: Es erscheint das zum Besteller werdende Buch "Der heilige Schein". Anschließend zwei Jahre Chefredakteur eines Gay-Magazins, Rauswurf wegen zu offener Islamkritik. Seit 2016 Blogger (philosophia-perennis) und freier Journalist (u.a. für die Die Zeit, Junge Freiheit, The European).

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