Samstag, 23. November 2024

Europas Migrantenkrise: Millionen werden noch kommen

Gastbeitrag von Soeren Kern (Gatestone)

Der Gipfel der Afrikanischen und der Europäischen Union (AU-EU), der vom 29. bis 30. November in Abidjan, Elfenbeinküste, stattfand, ist kläglich gescheitert, nachdem die 55 afrikanischen und 28 europäischen Staats- und Regierungschefs, die an dem Treffen teilnahmen, sich nicht einmal auf elementare Maßnahmen einigen konnten, mit denen die zig Millionen potenziellen afrikanischen Migranten daran gehindert werden können, nach Europa zu strömen.

Trotz hoher Erwartungen und pompöser Erklärungen war die einzige konkrete Entscheidung, die in Abidjan getroffen wurde, das Versprechen, 3.800 in Libyen gestrandete afrikanische Migranten in ihre Heimatländer zurückzuführen.

Laut einem geheimen Bericht, der Bild zugespielt wurde, warten mehr als sechs Millionen Migranten in Ländern rund um das Mittelmeer darauf, nach Europa überzusetzen.

Wie es in dem Bericht heißt, warteten eine Million von ihnen in Libyen, eine weitere Million in Ägypten, 720.000 in Jordanien, 430.000 in Algerien, 160.000 in Tunesien und 50.000 in Marokko. Mehr als drei Millionen Migranten, die derzeit in der Türkei warten, werden derzeit durch das Migrantenabkommen der EU mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan an der Weiterreise gehindert.

Der frühere Büroleiter der britischen Botschaft in Benghazi, Joe Walker-Cousins, warnt davor, dass bis zu eine Million Migranten aus Ländern ganz Afrikas bereits auf dem Weg nach Libyen und Europa seien.

Die Anstrengungen der EU, eine libysche Küstenwache auszubilden, seien „zu wenig und zu spät“. „Meine Informanten in dem Gebiet sagen mir, dass womöglich bereits eine Million Migranten, wenn nicht mehr, über die Pipeline von Zentralafrika und dem Horn von Afrika kommen.“

Der Präsident des Europäischen Parlaments, Antonio Tajani, sagt, Europa „unterschätze“ das Ausmaß und den Ernst der Migrantenkrise; wenn keine „sofortigen Maßnahmen“ getroffen würden, dann würden „Millionen von Afrikanern“ in den nächsten Jahren den Kontinent überschwemmen.

In einem Interview mit Il Messagero sagte Tajani, es werde einen Exodus „biblischen Ausmaßes“ geben, der „unmöglich zu stoppen“ sein werde, wenn Europa das Problem nicht jetzt angehe:

„Bevölkerungswachstum, Klimawandel, Ausbreitung von Wüsten, Kriege, Hunger in Somalia und dem Sudan. Das sind die Faktoren, die die Menschen zwingen zu gehen.“

„Wenn die Leute die Hoffnung verlieren, dann riskieren sie den Marsch durch die Sahara und die Überquerung des Mittelmeers, weil es schlimmer ist, zu Hause zu bleiben, wo sie gewaltigen Risiken ausgesetzt sind. Wenn wir das nicht bald angehen, werden wir uns innerhalb von fünf Jahren mit Millionen Menschen an unserer Haustür gegenübersehen.“

„Heute versuchen wir ein Problem mit einigen Tausend Menschen zu lösen, doch wir brauchen eine Strategie für Millionen.“

Wenige Tage vor dem AU-EU-Gipfel forderte Tajani einen „Marshall-Plan für Afrika“: einen 40 Milliarden Euro schweren langfristigen Investitionsplan, um die Ausbildung und die Arbeitsmöglichkeiten auf dem Kontinent zu verbessern und die Leute so vom Weggehen abzubringen. Er warnte davor, dass die Spirale des Bevölkerungswachstums in Afrika eine demografische „Bombe“ sei, die Millionen von Afrikanern nach Europa drängen könne. „Ohne eine Strategie werden wir Terrorismus, illegale Einwanderung und Instabilität haben.“

Mehr als die Hälfte des weltweiten Bevölkerungswachstums, das es bis 2050 geben wird, entfällt auf Afrika – das sagt ein neuer UN-Bericht mit dem Titel „World Population Prospects: The 2017 Revision.“ Es wird erwartet, dass Afrikas Bevölkerungszahl um 1,3 Milliarden ansteigen wird, von derzeit 1,2 Milliarden auf 2,5 Milliarden im Jahr 2050. Zwischen 2017 und 2050 soll sich die Bevölkerungszahl von 26 afrikanischen Ländern mehr als verdoppeln.

Ein großer Teil von Afrikas Bevölkerungswachstum wird auf Nigeria entfallen, derzeit nach UN-Angaben das Land mit der siebtgrößten Bevölkerung der Welt. Bis 2050 wird Nigeria die Vereinigten Staaten überholen und dann das gemessen an der Bevölkerungszahl drittgrößte Land der Erde sein, hinter Indien und China (Indiens Bevölkerungszahl wird die Chinas voraussichtlich bis zum Jahr 2024 überflügelt haben).

Nach 2050 wird Afrika der Vorhersage nach die einzige Region der Welt sein, in der es immer noch „substanzielles Bevölkerungswachstum geben wird – der Anteil des Kontinents an der Weltbevölkerung wird der Vorhersage in dem Bericht nach von 17 Prozent im Jahr 2017 auf 40 Prozent im Jahr 2100 steigen.

Afrika ist derzeit der jüngste Kontinent der Welt: 60 Prozent von Afrikas Bevölkerung ist unter 25 Jahre alt, verglichen mit 32 Prozent in Nordamerika und 27 Prozent in Europa.

Die 28 Mitgliedsländer der EU haben zusammen ein Bruttoinlandsprodukt von 18 Billionen US-Dollar, neunmal so hoch wie das der afrikanischen Länder, das zwei Billionen beträgt.

Der Direktor des Büros der Vereinten Nationen in Genf, Michael Møller, hat gewarnt, Europa müsse sich auf die Ankunft von Millionen weiteren Migranten aus Afrika, Asien und dem Nahen Osten gefasst machen. In einem Interview mit The Times sagte der Däne Møller:

„Was wir gesehen haben, ist eine der größten menschlichen Wanderungen in der Geschichte. Und das wird sich nur noch weiter beschleunigen. Junge Leute haben Mobiltelefone und können sehen, was in anderen Teilen der Welt passiert, und das wirkt wie ein Magnet.“

Deutschlands Entwicklungshilfeminister Gerd Müller (CSU) teilt diese Einschätzung:

„Die größten Migrationsbewegungen liegen noch vor uns: Afrikas Bevölkerung wird sich in den nächsten Jahrzehnten verdoppeln. Ein Land wie Ägypten wird auf 100 Millionen Menschen anwachsen, Nigeria auf 400 Millionen. In unserem digitalen Zeitalter mit Internet und Mobiltelefonen weiß jeder von unserem Wohlstand und unserem Lebensstil.“

Müller fügte hinzu, dass nur zehn Prozent derer, die derzeit unterwegs sind, Europa erreicht hätten: „Acht bis zehn Millionen sind noch auf dem Weg.“

In einem Artikel der Financial Times erklärt Gideon Rachman Europas Dilemma:

„Eine mögliche Reaktion Europas könnte darin bestehen, anzunehmen, dass Migration aus dem Rest der Welt unvermeidbar sei – und sie aus ganzem Herzen zu begrüßen. Europas von Schulden belastete Volkswirtschaften brauchen eine Injektion von Jugend und Dynamik. Wer wird in Europas Altenheimen und Baustellen arbeiten, wenn nicht Einwanderer aus dem Rest der Welt?“

„Doch selbst jene Europäer, die sich für Einwanderung starkmachen, fügen oft hinzu, dass alle Neuankömmlinge selbstverständlich ‚europäische Werte‘ akzeptieren müssten. Das ist womöglich unrealistisch. … Viele Einwanderer aus dem Nahen Osten und Afrika bringen viel konservativere und sexistischere Haltungen mit. Das zu ändern, würde mehr erfordern als ein paar Integrationskurse …“

„Inselnationen, die wie Japan oder Australien vom Pazifischen Ozean umgeben sind, mag es möglich sein, die Einwanderung strikt zu kontrollieren. Für die EU, die Teil der eurasischen Landmasse ist und von Afrika nur durch schmale Abschnitte des Mittelmeers getrennt ist, wird dies so gut wie unmöglich sein.“

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Soeren Kern ist ein Senior Fellow des New Yorker Gatestone InstituteEnglischer Originaltext: Europe’s Migrant Crisis: Millions Still to Come. Übersetzung: Stefan Frank

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David Berger
David Bergerhttps://philosophia-perennis.com/
David Berger (Jg. 1968) war nach Promotion (Dr. phil.) und Habilitation (Dr. theol.) viele Jahre Professor im Vatikan. 2010 Outing: Es erscheint das zum Besteller werdende Buch "Der heilige Schein". Anschließend zwei Jahre Chefredakteur eines Gay-Magazins, Rauswurf wegen zu offener Islamkritik. Seit 2016 Blogger (philosophia-perennis) und freier Journalist (u.a. für die Die Zeit, Junge Freiheit, The European).

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