(David Berger) Unbemerkt von der größeren Öffentlichkeit hat die Europäische Kommission, das nicht gewählte Verwaltungsorgan der EU, in Zusammenarbeit mit den großen sozialen Netzwerken (Twitter, Facebook und Co.) vor einigen Wochen einen Verhaltenskodex („code of conduct“) vorgestellt, der die Verbreitung von „Online-Hassrede“ („hate speech online“) in Europa bekämpfen soll.
Die bislang lediglich auf englisch verfügbaren EU-Online-Verhaltensregeln verlangen unter anderem, dass „anstößige Inhalte“ innerhalb von 24 Stunden aus dem Internet entfernt werden muss.
Bei seinem Kampf um Politische Korrektheit, bei dem man sich auch auf die Wünsche der mächtigsten Frau der Europäischen Union stützen kann, verlässt man sich zuallererst auf die bekannten IT-Unternehmen wie etwa Facebook oder Microsoft, die bei der „Bekämpfung der Verbreitung von illegaler Online-Hassrede die Führung übernehmen sollen“.
Allerdings soll die Überwachung solche Dimensionen annehmen, dass man einen erweiterten Überwachungs- und Zensurapparat ins Leben zu rufen beabsichtigt. Dabei setzt man auf das, was die Richtlinien „die Zivilgesellschaft“ nennen: Man wolle sich um den Aufbau eines Netzwerks mit Personen „bemühen, die bei der Meldung von Inhalten helfen werden, mit denen zu Gewalt und Hass aufgerufen wird“.
Die Arbeit dieser Mitarbeiter, die bei Deutschen notgedrungen Erinnerungen an die Stasi wach werden lassen wird, soll offensichtlich von einer Art Paralleljustiz getragen sein, da die eigentliche Rechtsprechung, die bisher darüber entschied, wo die Grenze zwischen Meinungsfreiheit und krimineller Äußerung (zum Beispiel Volksverhetzung) verläuft, zu langsam ist.
So heißt es im Verhaltenskodex:
Während die wirksame Anwendung der Bestimmungen, die Volksverhetzung unter Strafe stellen, von einem robusten System für die Durchsetzung des Strafrechts mittels Sanktionen gegen die einzelnen Hassrede-Täter abhängig ist, muss diese Arbeit ergänzt werden mit Aktionen, die gewährleisten, dass nach Erhalt einer gültigen Meldung innerhalb eines angemessenen Zeitrahmens zügig auf illegale Online-Haßssrede durch Online-Vermittler und Social-Media-Plattformen reagiert wird.
Das Onlinezeitalter erlaubt offensichtlich ganz neue Formen der Selbstjustiz, sofern sie möglichst schnell sind und von großen IT-Unternehmen oder deren neuer, mit Sicherheit bereits im Aufbau begriffener Online-Stasi ausgeübt werden.
Dabei haben sich die Nachwuchsterroristen, die die EU-Kommissarin für Justiz, Verbraucher und die Gleichstellung der Geschlechter, Věra Jourová, als Beleg für die Notwendigkeit der Überwachung sozialer Netzwerke anführt, längst neue Wege gesucht, um sich auszutauschen. Die Vorstellung, dass IS-Sympathisanten auf ihrem Facebookprofil Bastelanleitungen für Sprengstoffgürtel und potentielle Ziele ihrer nächsten Terrorakte posten, überzeugt nicht einmal meine Großmutter, die meinen Laptop für einen kleinen Fernseher hält.
Nein, es sind ganz andere Gruppen, die die Mächtigen der Welt da unter Kontrolle bringen wollen. Das Gatestone-Institut, das zum ersten Mal in deutscher Sprache von den EU-Plänen berichtete, erwähnt in diesem Zusammenhang die scharfe Kritik der „National Secular Society“ (NSS) aus Großbritannien. Diese warnte davor, dass die EU-Pläne „auf einer vagen Definition von ‘Hassrede’ basieren und riskieren, Online-Diskussionen, die Religion kritisieren, zu bedrohen“. Weiter heißt es:
Die Vereinbarung kommt unter wiederholten Anschuldigungen von Ex-Muslimen, daß Social-Media-Organisationen sie online zensieren. Der Rat der Ex-Muslime in Großbritannien hat jetzt begonnen, Beispiele von seinen Anhängern zu sammeln, wie Facebook ‘atheistischen, säkularen und ex-muslimischen Inhalt zensiert’ nach falschen ‘Massenhinweisen’ durch ‘Cyber-Dschihadisten’. Sie haben ihre Anhänger aufgefordert, Details und Beweise zu liefern für alle Seiten und Gruppen, die ‘von Facebook verboten [oder] suspendiert worden sind für Kritik an Islam und Islamismus.’
Erst jüngst erschütterte eine Nachricht alle demokratisch gesinnten Menschen, nach der Facebook vor einigen Tagen die wichtigsten 16 arabischsprachigen Atheistenseiten nach islamistischen Protesten von seinem Netzwerk entfernt hatte
Und auch private Profile von Mitarbeitern des Gatestone-Instituts, das den EU-Verhaltenskodex in verschiedenen Sprachen vorstellte, wurden von Facebook gesperrt.