Dienstag, 9. Dezember 2025

Gießen und Ludwigshafen: Demokratie im Niedergang

Wie eine willfährige Justiz Linksextremisten ermutigt und Grundrechte demontiert. Gastbeitrag von Frank W. Haubold.

Man stelle sich vor ein Bündnis rechter Gruppierungen würde öffentlich ankündigen, einen Grünenparteitag zu verhindern und zu Blockaden aufrufen. Man stelle sich weiter vor, besagte Blockierungen würden stundenlang anhalten und gewaltbereite Rechtsextremisten würden eine Stadt in den Ausnahmezustand versetzen und bei dem Versuch, Polizeisperren zu durchbrechen, Steine und Pyrotechnik werfen und 50 Beamte verletzen.

Es würde nicht lange dauern, bis sämtliche an Gewaltakten Beteiligten in Haft genommen würden, die Organisatoren vermutlich bereits im Vorfeld (Öffentliche Aufforderung zu Straftaten), die Akteure wegen Nötigung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Landfriedensbruch, gegebenenfalls sogar wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung.  Dazu käme ein Tsunami an öffentlicher Empörung mit Nazi- und SA-Vergleichen und Verbotsforderungen gegen alle beteiligten Organisationen.

Bei linken Blockaden agiert die Justiz dagegen weitaus großzügiger. Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit entschied das Bundesverwaltungsgericht 2024, dass eine gegen die AfD gerichtete Blockade (Mehrere Hundert teils vermummte Personen, größtenteils in schwarzen oder weißen Einmalanzügen, besetzten einen Kreisverkehr in der Nähe der Messe, errichteten Barrikaden, zündeten Pyrotechnik und bewegten sich anschließend auf das Messegelände zu, bis sie von der Polizei eingekesselt wurden) eine zulässige Versammlung gemäß Art. 8 Abs. 1 GG gewesen sei, weil sie aus „sowohl aus meinungsbildenden als auch aus nichtkommunikativen Elementen“ bestanden hätte! Merke: Errichte Barrikaden und halte dabei ein Plakat hoch, schon ist es eine durch das Grundgesetz geschützte Versammlung, weil „ein politisches Anliegen erkennbar zum Ausdruck“ kommt.

Wenn sich der Rechtsstaat derart zum Gespött macht und die eigenen Gesetze konterkariert, muss sich niemand mehr über Eskalationen wie die von Gießen wundern, die nicht nur demokratische Selbstverständlichkeiten wie die Betätigungsfreiheit politischer Parteien gefährden, sondern auch die Polizei an ihre Belastungsgrenze führen, die am Samstag nur durch ein massives Aufgebot bis zum Einsatz von Wasserwerfern die Durchführung der Veranstaltung und die (weitgehende) körperliche Unversehrtheit der Teilnehmer gewährleiten konnte.

Doch nicht nur vom Staat direkt oder indirekt finanzierte gewalttätige linke „Aktivisten“ gefährden den Bestand der Demokratie, es ist auch die Justiz selbst, die den Wähler entmündigt, indem sie mithilft, politisch unerwünschten Personen das passive Wahlrecht zu entziehen, wie das Beispiel Ludwigshafen zeigt.

Der Landesregierung in Rheinland-Pfalz war selbst nicht ganz wohl angesichts der teils massiven Kritik am Wahlausschluss des Ludwigshafener Oberbürgermeisterkandidaten Joachim Paul, sonst hätte sie kaum den wissenschaftlichen Dienst des Landtags beauftragt, diesbezüglich ein Gutachten unter dem Titel „Ausschluss von AfD-Kandidaten im Spannungsverhältnis zwischen wehrhafter Demokratie und passivem Wahlrecht“ zu erstellen.

Nun bin ich sicherlich nicht der Einzige, dem es bei der Phrase „wehrhafte Demokratie“ kalt den Rücken hinunterläuft, denn die Verbindung zu morgendlichen Polizeibesuchen bei Regierungskritikern und mehrjähriger Untersuchungshaft für angeblich Terrorverdächtige ist nur zu evident, aber das ist nicht Schuld der braven Mitarbeiter des wissenschaftlichen Dienstes, deren Fleißarbeit  immerhin 20 Seiten umfasst, deren Lektüre man sich allerdings ersparen kann, denn es wird im Grunde nur wiederholt, was die Gerichte in dieser und ähnlicher Angelegenheit entschieden haben und zwar völlig ohne kritische Wertung.

Aufschlussreich und erschreckend zugleich ist dabei eine Ausführung des Verwaltungsgerichtes Neustadt an der Weinstraße, die man sich auf der Zunge zergehen lassen muss: „Zweifel an der Verfassungstreue in diesem Sinne liegen bereits dann vor, wenn der Verantwortliche im Augenblick seiner Entscheidung nach den ihm zu diesem Zeitpunkt zur Verfügung stehenden Erkenntnismitteln nicht überzeugt ist, dass der Bewerber seiner Persönlichkeit nach die Gewähr bietet, nach Begründung eines Beamtenverhältnisses jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung einzutreten; der Nachweis einer ‚verfassungsfeindlichen‘ Betätigung, die bei einem Beamten eine Treuepflichtverletzung darstellen würde, ist zur Verneinung der Gewähr der Verfassungstreue hingegen nicht erforderlich (!)

Im Klartext heißt das praktisch: Wenn ein aus Mitgliedern konkurrierender Parteien zusammengesetztes Gremium (Wahlausschuss) festlegt, dass ein politisch unerwünschter Kandidat wegen Zweifeln an seiner Verfassungstreue nicht zugelassen wird, bedarf es hierfür bei bundesdeutschen Gerichten keines Beweises einer konkreten verfassungsfeindlichen Betätigung oder Äußerung, der bloße Verdacht genügt!

Eine solche Rechtsauffassung öffnet politisch motivierter Willkür Tür und Tor, zumal, wie wir in Ludwigshafen gesehen haben, der Betroffene keine Möglichkeit hat, juristisch erfolgreich gegen seinen Ausschluss vorzugehen. Die Gerichte berufen sich dann wie in Neustadt und Koblenz auf den Zeitfaktor (keine ausreichenden Prüfmöglichkeiten vor der Wahl) und ein inhaltlich fragwürdiges Gutachten des Landesamtes für Verfassungsschutz, das dem Innenministerium unterstellt ist und somit keine unabhängige Instanz darstellt. Der „Cicero“ beurteilt das Auftragswerk so: „Das elfseitige Gutachten mit insgesamt 16 Vorwürfen gegen Joachim Paul ist inhaltlich jedoch erschreckend dünn und wohl kaum wie vom Verfassungsschutz behauptet ‚gerichtsverwertbar‘.“

Ob ein mit juristischen Laien und keineswegs unparteiischen Mitgliedern besetzter Wahlausschuss überhaupt in der Lage ist, sachgerechte Entscheidungen zu treffen, wird inzwischen selbst im Mainstream diskutiert. So schreibt der Jurist Dr. Andreas Nitsche im Verfassungsblog: „Daher wird zunehmend (Ritgen, S. 74 ff.) die Frage aufgeworfen (und teils bereits verneint), ob der Wahlausschuss seiner Aufgabe, das Gewährbieten rechtssicher zu prüfen und Kandidaten ggf. auszuschließen, überhaupt gerecht werden kann…“

Die Frage ist leicht zu beantworten: Natürlich kann er das nicht, aber das ist – wie das Beispiel Ludwigshafen zeigt – auch gar nicht nötig, denn die angeblich unabhängige Justiz wird stets im Sinne des Ausschlusses entscheiden, zumindest solange der strittige Kandidat der rechten Seite des Parteienspektrums angehört, dem durch die Hintertür praktisch das passive Wahlrecht entzogen wird, was von der Gesetzgebung her (eigentlich) nur aus gutem Grund (schwere Straftat) möglich ist.

Straftaten hat Joachim Paul nicht begangen. Er hat sich nicht einmal verfassungsfeindlich geäußert, denn es ist keine Äußerung von ihm bekannt, nach der er die Ausweisung deutscher Staatsbürger mit Migrationshintergrund gefordert hätte. Allein das ist grundgesetzwidrig, nicht aber der Begriff „Remigration“. Die AfD hat ihre Position dazu schon im Januar 2024 klargestellt und die ist durchaus grundgesetzkonform.

Fazit: Sollte der Wahlausschluss von Joachim Paul nicht durch ein ordentliches Gericht als unzulässig erklärt werden, wofür unter dem obwaltenden gesellschaftlichen Klima wenig spricht, dann ist ein Dammbruch zu befürchten, der den vorgeblichen Souverän, nämlich den bundesdeutschen Wähler, vollkommen entmündigt. Nicht er entscheidet zukünftig über Bürgermeister und Landräte, sondern ein Gremium von Parteipolitikern, die nicht zu Unrecht um ihre Pfründen fürchten.

„Belastende“ Unterstellungen sind heutzutage für beinahe jeden unerwünschten Kandidaten vom Verfassungsschutz im Dutzend zu haben, und da für den Wahlausschluss wie oben beschrieben bereits der bloße Verdacht genügt (in einem Rechtsstaat eigentlich eine Unmöglichkeit) ist der Weg in eine de facto-Parteien-Diktatur vorgezeichnet, frei nach dem Motto: „Natürlich könnt ihr wählen, liebe Mitbürger, aber wen ihr wählen dürft, bestimmen immer noch wir.“

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PP-Redaktion
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