Nimm einem Volk seine Symbole – und du nimmst ihm die Würde. Gastbeitrag von Meinrad Müller.
Das ZDF hat gesendet, der Bundesadler könne als rechtes Emblem gedeutet werden. Eine öffentlich-rechtliche Anstalt, getragen vom Bürger, stellt damit das zentrale Staatssymbol der Bundesrepublik unter Ideologieverdacht. Seit 1950 prägt der Bundesadler Urkunden, Gerichte, Reisepässe und Sporttrikots. Nun genügt offenbar die theoretische Möglichkeit der Vereinnahmung, um ihn in Frage zu stellen.
Zur Begründung verweist man auf sogenannte Faktenprüfer aus dem Umfeld von NGOs wie HateAid oder Campact, Organisationen, die ihren Daseinszweck darin gefunden haben, das Haar in der Suppe zu suchen. Und wo keines ist, wird eins hineingedreht. Nach diesen Wirrköpfen wird aus einem Nationalemblem plötzlich ein Risiko. Was gestern noch als verbindendes Element der Republik galt, wird heute verdächtigt. Nicht aufgrund von Taten, sondern aufgrund möglicher Deutungen.
Ein Symbol der Souveränität
In den Vereinigten Staaten ist der Seeadler ein Sinnbild der Einigkeit. Er ziert das Große Siegel, ist in jedem Gerichtssaal präsent, thront über diplomatischen Missionen und militärischen Abzeichen. Seine ausgebreiteten Flügel vermitteln Schutz, sein Blick in die Ferne steht für Weitsicht und Wagemut. Der Adler ist hehrer Gedanke in Gestalt.
Auch in unseren Landen prägt seit Jahrhunderten der Adler Hoheitszeichen. Als kaiserliches Wappen und als Reichssymbol. Die Bundesrepublik übernahm ihn 1950 in modernisierter Form: als traditionelles Symbol Deutschlands, das Stärke, Macht und Souveränität repräsentiert.
Er steht nicht für eine Partei, nicht für eine Ideologie, sondern für die staatliche Integrität selbst. Wer dieses Symbol angreift, greift den tragenden Rahmen unserer politischen Kultur an.
Würde braucht Form – Erinnerung braucht Zeichen
Ein Staat besteht nicht nur aus Verwaltung, Gesetzen und Haushaltsplänen. Er besteht aus Zeichen, Gesten, Symbolen. Sie stiften Zusammenhalt, geben Geschichte ein Gesicht, machen Herkunft sichtbar. Wer Symbole dieser Tragweite zerstört, die als gemeinschaftliche Zeichen wirken, lässt den Einzelnen zurück, orientierungslos, wurzellos, taub gegenüber der Tiefe der eigenen Kultur. Arbeiten ZDF-Redakteure etwa daran?
Deshalb erinnern wir uns an einen alten Spruch aus Siebenbürgen:
Besseres kann kein Volk vererben, als der eigenen Väter Brauch.
Wenn des Volkes Bräuche sterben, stirbt des Volkes Seele auch.
Bräuche sind weitergetragene Erinnerung. Unser Bundesadler ist ein Stück politischer Kultur, das wie ein guter Brauch nicht ersetzt, sondern weitergetragen werden muss.
Der Bundesadler bleibt. Nicht aus Nostalgie. Sondern weil ein Staat, der sich seiner Symbole schämt, nicht mehr führen kann, sondern nur noch verwalten.