Das Ende des Fiat-Geldsystems?

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Was ist Geld in einer Welt, in der Vertrauen schwindet, Inflation wütet und Zentralbanken mehr Feuer legen als löschen. Wer das versteht, wird begreifen, warum in den USA gerade nicht einfach ein neues Gesetz beschlossen wurde, sondern ein wirtschaftlicher Wendepunkt. Ein Gastbeitrag von Kevin Eßer.

Der Genius Act, so unscheinbar sein Name klingen mag, ist mehr als ein regulatorisches Konstrukt. Er ist ein geopolitischer Hebel. Ein monetärer Befreiungsschlag. Ein Angriff auf das alte System. Und ein Rettungsanker für einen US-Dollar, dessen Fundament längst ins Wanken geraten ist.

Denn der Dollar lebt nur, solange die Welt an ihn glaubt. Und dieses Vertrauen schwindet. Nicht durch Revolution, sondern durch Relevanzverlust. Der klassische Dollar ist schwerfällig geworden. Bürokratisch. Überlastet. Und abhängig von Zentralbanken, deren Ruf ramponierter kaum sein könnte. Die Antwort der USA lautet nun: Tokenisierung. Stablecoins. Echtzeittransaktionen. Eine neue Ära beginnt.

Angeführt wird sie von den Republikanern um Senator Bill Hagerty, flankiert vom Finanzausschuss unter Führung von French Hill. Doch es ist mehr als ein parteipolitisches Projekt. Es ist der Versuch, dem US-Dollar durch technologische Offensive ein zweites Leben zu geben. Digitale Dollars, gedeckt durch Staatsanleihen und abgesichert durch Regulierung, sollen das globale Vertrauen zurückholen, das unter der Ära Biden in einem Ozean aus Schulden, Inflation und Chaos unterzugehen drohte.

Tether, der größte Stablecoin-Emittent der Welt, steht schon in den Startlöchern. CEO Paolo Ardoino sieht in der neuen Regulierung nicht etwa eine Bedrohung, sondern eine Bühne. Er nennt sein Unternehmen das größte US-Dollar-Verteilungsnetzwerk der Menschheitsgeschichte. Und übertreibt dabei nicht. In Afrika betreibt Tether bereits hunderte Solarkioske, mit denen Menschen ohne Stromanschluss für drei digitale Dollar pro Monat Zugang zu Energie erhalten. Eine halbe Million Menschen sind jetzt schon Teil dieses Netzes. Bis 2030 sollen es einhunderttausend Kioske sein, die rund einhundertzwanzig Millionen Menschen versorgen. Nicht mit Almosen. Sondern mit Infrastruktur. Und einem Dollar, der nicht von einer Zentralbank, sondern von einem Token getragen wird.
Das klingt revolutionär. Und genau das ist das Problem. Denn wer bisher das Monopol auf Geld hatte, sieht diese Entwicklung mit Sorge. Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, das Rückgrat der Zentralbanken, schlägt Alarm. In einem aktuellen Bericht versucht sie mit aller Macht, die Legitimität von Stablecoins zu zerschlagen. Man spricht von mangelnder Integrität, fehlender Elastizität, von Preisfluktuation und Terrorgefahr. Man warnt vor Geldwäsche und Kontrollverlust. Man ruft nach Regulierung, nach Einschränkung, nach Disziplinierung des Marktes.

Doch es ist nicht der Markt, der hier diszipliniert werden soll. Es ist die Konkurrenz. Denn die BIZ weiß, was auf dem Spiel steht. Sollte der Token-basierte Zahlungsverkehr die Oberhand gewinnen, verlieren die Zentralbanken mehr als nur Macht. Sie verlieren das Narrativ. Die Deutungshoheit. Die Fähigkeit, durch Leitzinsen und Liquiditätspolitik Krisen zu steuern und ihre eigenen Fehler zu kaschieren. Genau das wird ihnen nun zum Verhängnis. Denn wer die Wirtschaft jahrzehntelang mit billigem Geld betäubt, darf sich nicht wundern, wenn neue Ideen die Bühne betreten.

Die USA haben das erkannt. Während Europa in regulatorischen Papieren versinkt, während die EZB an der digitalen Zentralbankwährung bastelt wie ein Schlosser an einem rostigen Bolzen, während China mit dem E-Yuan Kontrolle exportieren will, setzen die Vereinigten Staaten auf eine andere Strategie. Sie öffnen den Markt. Und sie lassen zu, dass Unternehmen wie Walmart, Amazon, Meta oder Airbnb eigene Stablecoins entwickeln, wenn diese bestimmte Kriterien erfüllen. Der Genius Act schafft genau diesen Rahmen.
Dabei ist das Gesetz nicht bloß ein Werkzeug. Es ist ein Signal. Und es sendet eine klare Botschaft an Investoren, Unternehmen und Staaten weltweit. Der US-Dollar wird nicht sterben. Er wird digitalisiert. Er wird tokenisiert. Und er wird überleben. Nicht durch Zwang, sondern durch Angebot. Nicht durch Macht, sondern durch Märkte.

Natürlich gibt es Kritik. Vor allem von den Demokraten. Diese wittern Korruption, weil Donald Trumps Familie an World Liberty Financial beteiligt ist, dem Herausgeber des neuen USD1-Stablecoins. Der Verdacht mag berechtigt sein. Aber der Kern bleibt unangetastet. Die Demokraten haben es nicht geschafft, eine eigene Vision für den digitalen Zahlungsverkehr zu entwickeln. Sie blockieren. Sie klagen. Doch sie gestalten nicht.
In Wahrheit ist es nicht Trump, der sich den Markt zu eigen macht. Es ist der Markt, der sich Trump aussucht, weil er verstanden hat, dass Veränderung nicht durch Kontrolle, sondern durch Wettbewerb entsteht. Und Wettbewerb gibt es im Stablecoin-Markt reichlich. Mehr als vierhundertfünfzig Millionen Menschen nutzen USDT weltweit. Jeden Monat kommen dreißig Millionen hinzu. Plattformen wie Rumble integrieren den Token in ihre Zahlungsinfrastruktur. Institutionelle Investoren nutzen ihn, um kurzfristige Liquidität zu parken. Ein wachsender Anteil der Weltwirtschaft läuft inzwischen über digitale Dollar, ohne dass eine Zentralbank daran beteiligt ist.

Die BIZ mag das als Bedrohung sehen. Doch in Wahrheit ist es eine Evolution. Tokenisierung ist kein Umsturz. Sie ist eine Reaktion auf ein System, das seine Versprechen nicht mehr einlöst. Und es ist eine Antwort auf das größte Problem unserer Zeit. Die Instabilität des Geldes.

Während die BIZ warnt, bauen andere. Während sie an alten Dogmen festhält, entstehen neue Ökosysteme. Während sie von Vertrauen spricht, handeln andere in Echtzeit. Der Clarity Act, der als nächstes im Repräsentantenhaus debattiert wird, soll zusätzlich eine klare rechtliche Struktur für digitale Vermögenswerte schaffen. Wenn auch dieser verabschiedet wird, wäre die Grundlage geschaffen für ein neues Währungssystem innerhalb der alten Weltordnung.

Es geht um mehr als Technologie. Es geht um die Frage, wer das Recht hat, Geld zu schaffen. Und wer die Verantwortung trägt, es stabil zu halten. Die Zentralbanken haben diese Verantwortung verspielt. Nun fordern andere sie zurück. Nicht mit Gewalt, sondern mit Angebot. Nicht mit Utopien, sondern mit Infrastruktur.

Wenn Stablecoins am Ende sogar die Nachfrage nach amerikanischen Staatsanleihen erhöhen, weil sie diese als Deckung verwenden, wäre das ein makroökonomischer Coup. Die Vereinigten Staaten würden Kapital binden, Vertrauen zurückholen und ihre Währung global verankern. Nicht weil sie es müssen. Sondern weil andere es wollen.

Die Debatte ist entfacht. Die Karten liegen auf dem Tisch. Die Zeit der Monopole geht zu Ende. Wer heute noch glaubt, Geld sei ein staatliches Privileg, wird morgen von Märkten überholt, die schneller, offener und effizienter funktionieren.

Der Genius Act ist erst der Anfang. Doch der Kurs ist gesetzt. Wer den Geist der Zeit erkennt, wird ihn nicht mehr in die Flasche zurückzwingen können. Die Zukunft des Geldes beginnt genau jetzt. Und sie beginnt nicht in Basel. Sondern in Washington.

Eine mögliche logische Konsequenz ist, dass die USA nicht nur ihren Währungsraum digital ausweiten, sondern geopolitisch absichern. Wer den Token kontrolliert, kontrolliert den Kapitalfluss. Wer den Kapitalfluss kontrolliert, diktiert die Regeln. In einer Welt, in der die BRICS-Staaten eine eigene rohstoffgedeckte Währung vorbereiten, in der China den E-Yuan in Partnerländern verankert und der Westen seine alten Strukturen verliert, wird der digitale Dollar zur letzten Bastion globaler Ordnung. Die Tokenisierung wird zur Antwort auf die BRICS-Währung. Nicht als Gegenangebot, sondern als Gegenmacht. Kein Vertrag, sondern ein System. Kein Bündnis, sondern ein Netz. Wer sich diesem Netz entzieht, verliert Zugang. Wer sich integriert, wird Teil einer neuen Ordnung. Geschrieben nicht in Gesetzen, sondern im Code.

Die neue Finanzarchitektur legt die neue Weltordnung fest.

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Foto: Kevin Eßer.