Samstag, 5. Oktober 2024

Was ist von dem BRICS-Gipfel in einem Monat zu erwarten?

In diesem Jahr hat Russland den BRICS-Vorsitz inne und im Oktober findet in Kasan der BRICS-Gipfel statt. Worum soll es dort gehen und was ist von dem Gipfel zu erwarten? Gastbeitrag von Thomas Röper.

Westliche Medien berichten kaum über die BRICS, die immer mehr an Dynamik und Mitgliedern gewinnen Die BRICS sind längst größer und auch einflussreicher als die G7, über deren Gipfel die westlichen Medien immer ausführlich berichten. Die BRICS-Länder repräsentieren zusammen mehr als 40 Prozent der Weltbevölkerung und erwirtschaften ein Drittel des weltweiten BIP. Mit den neuen Mitgliedern wird dieser Anteil bis Ende 2023 auf 35 Prozent der Weltwirtschaft steigen und damit den der G7 endgültig übersteigen.

Die Unzufriedenheit mit dem Westen im globalen Süden

Die derzeitige, vom US-geführten Westen dominierte Weltordnung wird von den BRICS-Staaten und dem globalen Süden abgelehnt. Sie haben es satt, dass der Westen aller Welt aufzuzwingen versucht, nach welchen “Werten” und welchem politischen und wirtschaftlichen System sie zu leben haben, während der Westen alle Reichtümer des Planeten für sich beansprucht.

Die Putsche in einigen westafrikanischen Ländern, die die französischen Marionettenregime gestürzt haben, sind ein Beispiel dafür und zeigen auch, dass der Neokolonialismus, mit dem der Westen den globalen Süden seit dem offiziellen Ende des Kolonialismus ausbeutet und unterdrückt, immer offener abgelehnt wird. In den letzten Jahren gab es solche Umbrüche in Niger, Mali und Burkina Faso. Die afrikanischen Länder suchen zunehmend die Zusammenarbeit mit Russland und China. Mehr zur Politik Russlands und Chinas in Afrika finden Sie hier.

In diesem Jahr gab es übrigens auch in Neukaledonien Aufstände gegen die französische Kolonialmacht, was zeigt, dass sich die anti-kolonialistische Stimmung nicht auf Afrika beschränkt.

Die Ereignisse in der Ukraine seit Februar 2022 waren in diesem Prozess entscheidend, weil der globale Süden am Beispiel Russlands gesehen hat, dass es möglich ist, sich der vermeintlichen Allmacht der USA zu widersetzen und dass die Länder des globalen Südens Verbündete haben, also nicht allein gegen den Westen stehen. Das haben die G20-Treffen 2022 und 2023 überdeutlich gezeigt.

Als klar wurde, dass Russland dem Westen erfolgreich die Stirn bietet, haben die BRICS und auch die G20 sich deutlicher für ihre Interessen eingesetzt und die westlichen Forderungen, sich der anti-russischen Politik anzuschließen, abgelehnt. Der EU-CELAC-Gipfel hat deutlich gezeigt, wie nachdrücklich und offen der globale Süden, in diesem Fall die lateinamerikanischen Länder, nun gegen die westliche Dominanz rebelliert.

Vor allem die Tatsache, dass die USA internationale Organisationen wie die Weltbank, den IWF und andere dominieren und als Instrumente ihrer Politik missbrauchen, ärgert den globalen Süden. Auch die Machtverteilung in der UNO zugunsten des Westens wird kritisiert, und es werden Forderungen nach einer Reform der UNO laut, die den neuen Realitäten Rechnung trägt, in denen der globale Süden eine größere Rolle spielt, als ihm derzeit in der UNO zugestanden wird.

Das Angebot der BRICS

Während die geopolitischen Spannungen weiter zunehmen und viele Länder versuchen, ihre Abhängigkeit von westlichen Wirtschaftsstrukturen zu verringern, bieten die BRICS alternative Ansätze zur Lösung von Problemen wie globale Ungleichheit, Zugang zu Technologie und Investitionen sowie Ernährungs- und Energiesicherheit.

Der Beitritt von Ländern wie Saudi-Arabien, das über riesige Ölreserven verfügt, und den Vereinigten Arabischen Emiraten, einem wichtigen Finanzzentrum, zu den BRICS wird die Position der Organisation in der Weltwirtschaft erheblich stärken. Diese Länder werden wesentlich zur Entwicklung der BRICS-Wirtschaftsinitiativen beitragen, die ein wichtiger Faktor bei der Veränderung der globalen Finanzarchitektur sein werden. Wie übermächtig die BRICS vor allem bei den wichtigsten Rohstoffen ist, haben wir in dieser Anti-Spiegel-TV-Sendung ab Minute 14 aufgezeigt.

Den BRICS-Gipfel im Oktober erwartet also nicht nur das ausrichtende Land Russland mit großen Erwartungen, sondern auch die nicht-westlichen Rohstoffländer, die von den High-Tech-Ländern des kollektiven Westens unter dem Vorwand der Demokratisierung ausgebeutet werden und nun bei den BRICS eine Alternative suchen.

Wichtig ist, dass das Motto der Organisation Nichteinmischung, Gleichheit und gegenseitiger Nutzen lautet. Und vielleicht noch wichtiger ist, dass bei den BRICS alle Entscheidungen im Konsens getroffen werden, was zwar kompliziert ist, aber verhindert, was bei vom Westen dominierten internationalen Organisationen üblich ist, nämlich, dass eine Gruppe von Ländern dem Rest der Welt bei Abstimmungen ihren Willen aufzwingt. Aus diesem Grund wollen immer mehr Länder den BRICS beitreten.

Was sind die BRICS?

Die BRICS sind ein 2009 gegründeter zwischenstaatlicher Zusammenschluss, dem bis letztes Jahr Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika angehörten. Im Januar gab es eine erste große Beitrittswelle und der Club umfasst nun zehn Länder, nachdem Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Iran, Äthiopien und Ägypten dazu gekommen sind.

Die Abkürzung BRICS wurde vom Goldman Sachs Ökonomen Jim O’Neill in seinem analytischen Bericht „Building Better Global Economic BRICs“ im November 2001 eingeführt. Es setzte sich aus den Anfangsbuchstaben der Namen von vier damaligen Schwellenländern – Brasilien, Russland, Indien und China – zusammen, denen der Experte ein schnelleres Wirtschaftswachstum als dem Rest der Welt zutraute.

Interessanterweise ähnelt die Buchstabenfolge BRIC dem englischen Wort brick (Ziegelstein), was die Rolle dieser Länder als Fundament für die zukünftige globale Wirtschaftsentwicklung unterstreichen sollte.

Als internationale Vereinigung wurden die BRIC im Juni 2006 auf dem Wirtschaftsforum in St. Petersburg gegründet, als sich erstmals die Wirtschaftsminister Brasiliens, Russlands, Indiens und Chinas trafen. Seit 2009 treffen sich die Staats- und Regierungschefs dieser Länder zu jährlichen Gipfeltreffen. Als Südafrika den BRIC beitrat, wurde der Club in BRICS umbenannt

Beim letzten BRICS-Gipfel, der vom 22. bis 24. August in Südafrika stattfand, wurde bekannt gegeben, dass der Organisation im Jahr 2024 sechs neue Mitglieder beitreten sollten: Argentinien, Iran, Saudi-Arabien, Ägypten, Äthiopien und die Vereinigten Arabischen Emirate, wobei der Name BRICS beibehalten sollte.

Allerdings hat Argentinien den Beitritt zu den BRICS im letzten Moment zurückgezogen, nachdem der streitbare, aber den USA und ihrem neoliberalen Wirtschaftsmodell treu ergebene Javier Milei argentinischer Präsident wurde.

Was kann man vom Gipfel im Oktober 2024 erwarten?

Die BRICS bieten einzigartige Möglichkeiten für Länder, die ihre Position auf der internationalen Bühne stärken wollen, insbesondere vor dem Hintergrund der globalen wirtschaftlichen Instabilität und des wachsenden Drucks auf die Schwellen- und Entwicklungsländer, weil die BRICS sich für eine multipolare Weltordnung ohne die Dominanz des US-geführten Westens einsetzen.

Dutzende von Ländern haben in letzter Zeit den Wunsch geäußert, den BRICS beizutreten, darunter sind Algerien, Aserbaidschan, Bahrain, Bangladesch, Weißrussland, Bolivien, Tschad, Kuba, Äquatorialguinea, Eritrea, Honduras, Indonesien, Kasachstan, Kuwait, Marokko, Nicaragua, Nigeria, Palästina, Pakistan, Senegal, Südsudan, Sri Lanka, Syrien, Thailand, Türkei, Uganda, Venezuela, Vietnam, Simbabwe und ganz aktuell hat Burkina Faso sein Interesse bekundet.

Dieser Gipfel ist nicht nur wegen der Erweiterung der Teilnehmerzahl bemerkenswert, sondern auch wegen der wichtigen Entscheidungen, die die internationale Ordnung in den kommenden Jahren verändern könnten.

Die Agenda des Gipfels in Kasan nimmt bereits Gestalt an. So wird beispielsweise die neue Kategorie der offiziellen BRICS-Partnerländer auf dem Gipfel vorgestellt. Sie wurde von Russland, das 2024 die BRICS-Präsidentschaft innehat, entwickelt, damit jedes Land, das das möchte, enger mit den BRICS zusammenarbeiten kann, ohne schon Vollmitglied zu sein.

Es wird auch erwartet, dass BRICS-Währungsreserven ausgebaut werden. Bereits 2014 wurde die Gründung einer neuen Entwicklungsbank der BRICS-Staaten beschlossen, die im Grunde eine Konkurrenz zur US-dominierten Weltbank sein soll. Nun soll als Ersatz für den IWF ein Pool von Währungsreserven geschaffen werden, was zeigt, dass sich die BRICS immer mehr von den US-geführten internationalen Institutionen unabhängig machen und damit den Ländern der Welt Alternativen dazu bieten, die mit attraktiveren Konditionen antreten, weil sie im Gegenzug für finanzielle Hilfe oder Kredite keine pro-westlichen Reformen oder Privatisierungen zu Gunsten westlicher Konzerne fordern.

Bereits 2015 haben Vertreter der BRICS-Staaten Gespräche über die Schaffung eines internationalen Zahlungssystems nach dem Vorbild von SWIFT aufgenommen. Im März 2019 wurde die Schaffung des eigenen Zahlungssystems BRICS Pay angekündigt, das auf dem Gebiet der fünf damaligen Mitgliedsstaaten betrieben werden sollte. Diese Initiative wurde bisher nicht umgesetzt, ist aber angesichts der geopolitischen Lage und der Tendenz der USA, den Dollar und SWIFT immer stärker als Waffe zu missbrauchen, für viele Länder aktueller denn je.

Was bekommen die BRICS-Mitglieder?

Neue Mitglieder wie Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Iran und Äthiopien machen bereits deutlich, dass sie einen wichtigen Platz in den internationalen Wirtschaftsbeziehungen einnehmen und ihre Rolle in der globalen Energiearchitektur ausbauen wollen. Die Anwesenheit von Staats- und Regierungschefs großer Weltmächte wie China und Indien auf dem Gipfel unterstreicht die Bedeutung der BRICS als Organisation, die in der Lage ist, wichtige globale Prozesse zu beeinflussen. Die Rolle Chinas als weltgrößter Produzent und Exporteur und die Teilnahme Indiens, dessen Wirtschaft zu den am schnellsten wachsenden der Weltgehört, stärken die Aussichten für eine noch schnellere Entwicklung des Handels zwischen den BRICS-Ländern. Die vier wichtigsten BRICS-Mitglieder – Russland, China, Indien und Brasilien – gehören selbst nach dem für solche Vergleiche nur bedingt geeigneten nominalen BIP zu den elf größten Volkswirtschaften der Welt.

Für Ägypten, das vor kurzem den BRICS beigetreten ist, wird die Teilnahme am Gipfel eine Gelegenheit sein, seine Position auf der internationalen Bühne zu stärken und zusätzliche Investitionen anzuziehen. Der Berater des russischen Präsidenten, Anton Kobjakow, betonte, dass die Zusammenarbeit mit Ägypten an Dynamik gewinne und den beiden Ländern weite Horizonte für eine verstärkte wirtschaftliche Kooperation eröffne. Während des Gipfels wollen sie konkrete Schritte zur Umsetzung gemeinsamer Projekte in Bereichen wie Energie und Tourismus voranbringen.

Die BRICS-Staaten spielen in der Geopolitik eine immer wichtigere Rolle, indem sie alternative Wege zur Lösung globaler Probleme aufzeigen.

Da die BRICS den G7 nicht nur nach Wirtschaftskraft, Bodenschätzen oder Bevölkerungszahl weit überlegen sind, sondern auch ihr politischer Einfluss vor allem globalen Süden, der dem US-geführten immer schneller entgleitet, rasant wächst, verschweigen die deutschen Medien die Aktivitäten der BRICS gerne, denn die deutschen Medien wollen die Deutschen immer noch Glauben machen, der Westen sei der Nabel der Welt.

Der Beitrag erschien zuerst bei Anti-Spiegel.

David Berger
David Bergerhttps://philosophia-perennis.com/
David Berger (Jg. 1968) war nach Promotion (Dr. phil.) und Habilitation (Dr. theol.) viele Jahre Professor im Vatikan. 2010 Outing: Es erscheint das zum Besteller werdende Buch "Der heilige Schein". Anschließend zwei Jahre Chefredakteur eines Gay-Magazins, Rauswurf wegen zu offener Islamkritik. Seit 2016 Blogger (philosophia-perennis) und freier Journalist (u.a. für die Die Zeit, Junge Freiheit, The European).

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