Ein Betrunkener torkelt mehrfach um eine Litfaßsäule und stößt immer wieder gegen dieselbe. Nach einer Weile ruft er verzweifelt: „Hilfe, eingemauert!“. Gastbeitrag von Frank Steinkron.
In einer ähnlichen Situation befindet sich Friedrich Merz. Er hat sich in eine Ausweglosigkeit begeben durch eine Mauer, die lediglich als ein ideologisches Konstrukt, als eine fixe Idee existiert.
Die Brandmauer als fixe Idee
Die Folgen diese Fixierung sind indes nicht zu unterschätzen. Was, wenn die SPD droht, die Koalitionsgespräche scheitern zu lassen, um im dritten Wahlgang mit Hilfe der Grünen und der Linken eine eigene Minderheitsregierung zu bilden?
Denn rein rechnerisch hätten SPD, Grüne, Linkspartei und Südschleswiger Wählerverband 62 Sitze mehr (270:208). Die CDU wäre also völlig erpressbar, müsste Zugeständnisse machen und ihr Profil weiter aufweichen. Der AfD käme das sehr zugute.
Die Stunde der AfD
Und was, wenn die CDU einen Rest von Widerständigkeit bewiese und die SPD in der Folge ihre Drohung wahrmachte und es auf einen dritten Wahlgang ankommen ließe?
Dann käme erst recht die Stunde der AfD. Mit ihren 152 Sitzen könnte sie Merz zur absoluten Mehrheit von 370 Stimmen verhelfen. Dieser hätte nun zwei Optionen: Zum einen könnte er seine Wahl zum Bundeskanzler nicht annehmen. Die Folge wären wohl Neuwahlen, aus denen die CDU geschwächt, die AfD aber weiter gestärkt hervorginge.
Zum zweiten könnte Merz eine von der AfD tolerierte Minderheitsregierung bilden. Allerdings würde er damit der AfD politische Seriosität attestieren und seine Brandmauerrhetorik rückwirkend als Polemik entlarven. Auch in diesem Fall würde die AfD auf Kosten der CDU profitieren.
Merz wird weitertorkeln
Selbstverschuldet befindet sich Merz in einer doppelten Zwickmühle: gegenüber der SPD und gegenüber der AfD. Einen Ausweg gibt es nicht, solange er sich verhält wie der Betrunkene, der gegen die Litfaßsäule anrennt.
Dabei wäre die Rettung für ihn ebenso einfach: eine Kehrtwende um 180 Grad. Er müsste seinen Irrtum eingestehen und die ausgestreckte Hand von Alice Weidel ergreifen. Dazu dürfte ihm jedoch die nüchterne Einsicht fehlen. Trunken von Eigensinn wird er weitertorkeln – zum Schaden des Landes.