Donnerstag, 13. Februar 2025

Österreich droht nun doch eine Koalition der Wahlverlierer!

Gastbeitrag von Dennis Riehle

Es gibt Feststellungen, die sind in ihrer Neuartigkeit beschränkt. Denn manch ein Befund über unsere Gegenwart mag noch so erschütternd klingen, aber er ist schon seit langem bittere wie ernste Realität. Beispielsweise auch die oftmals als anrüchig abgestempelte Tatsache, dass auf der großen Bühne der Politik das Schicksal eines ganzen Landes im Zweifel zum bloßen Pokerturnier wird. Geschehen aktuell in Österreich, wo auch der zweite Anlauf zur Bildung einer Regierung scheiterte. Nachdem sich die Volkspartei bereits mit SPÖ und NEOS nicht auf eine Koalition hat einigen können, misslang nunmehr ebenfalls der Versuch, ein angestrebtes Bündnis mit den Freiheitlichen zu bilden. Der dortige Obmann gab den vom Bundespräsidenten erteilten Auftrag zurück, weil sich schon seit zwei Wochen abzeichnete, dass man – zumindest nach außen hin vermittelt – keine Einigung hinsichtlich der Ressortverteilung erzielen würde. Hat nun also dieser Spitzenkandidat alles auf eine Karte gesetzt, möglicherweise gar mit unlauteren Mitteln gefeilscht?

Diese Version wollen zumindest die Leitmedien bei den Nachbarn an den Mann bringen. Dort wird einigermaßen unhinterfragt die schwarz-türkise Erzählung übernommen, wonach es am Ende ausschließlich um die Frage ging, inwieweit man dem Gegenüber trauen kann, wenn Blau darauf besteht, bestimmte Agenden bei sich und im Kanzleramt zu verorten. Eine anfangs kursierende Liste über die Zuschnitte der einzelnen Posten hatte gerade unter den Anhängern der als Gegenstück zur hiesigen AfD geltenden FPÖ für Kopfschütteln gesorgt. Schließlich beharrte der schwarze Verhandlungspartner offenbar auf einer deutlichen Überzahl an Ämtern und Posten, obwohl man doch dem Wahlergebnis nach keinerlei Anspruch darauf gehabt hätte. Legten es Stocker und Mahrer also von Beginn darauf an, dass man zu keinem Konsens kommt, weil im Hintergrund auch das parteilich eingefärbte Staatsoberhaupt keinerlei Interesse zeigen konnte, eine solche Allianz überhaupt anzugeloben? Waren die Erwartungen und Bedingungen vielleicht absichtlich inakzeptabel, allein um des Scheins willen?

Immerhin können sich die Konservativen nun rühmen, sie hätten sich bemüht. Und die Schuld allzu leicht beim Anderen suchen, dem man kurzerhand einen Machtrausch und die Unfähigkeit für den Kompromiss attestiert. Da wird das Narrativ im ORF von vermeintlichen Experten hochgehalten, Herbert Kickl habe die Zuständigkeit für die Verfassung, Deregulierung und Medien direkt bei sich im Hause ansiedeln und damit eine Machtfülle aufbauen wollen, die man gerade ihm nicht zugestehen wollte, erwies er sich in dieser Blickrichtung nach seiner einstigen Abberufung als Innenminister unter Sebastian Kurz doch als ein Sicherheitsrisiko. In Wahrheit verfestigt sich der Eindruck über ein abgekartetes Spiel, bei dem ein Widersacher nicht gewinnen sollte, der nicht zuletzt aufgrund seiner Beliebtheit im Volk viele Neider hervorruft. Maximalforderungen aufzustellen, die für niemanden annehmbar gewesen wären, der ein Stück weit Ehrgefühl vor seinen Wählern und den Prozenten vom 29. September 2024 hat, damit man der Öffentlichkeit wenigstens vermelden kann, es wurde alles probiert, ist eine schäbige Mentalität der ÖVP, sich moralisch zu überhöhen.

Nun liegt der Fokus auf der Hofburg, Alexander Van der Bellen ist an der Reihe. Da gerade die Zeit für den Abschluss eines Haushaltes drängt, scheint es nicht ausgeschlossen, dass man nach guten Erfahrungen mit einer Expertenmannschaft in der Vergangenheit diesen Weg auch jetzt beschreitet, um übergangsweise die Handlungsfähigkeit der Nation zu gewährleisten. Bei einem anschließenden Anlauf, die Karten neu zu mischen, ist die Ausgangslage klar: Der deutliche Vorsprung des letztmaligen Siegers könnte sich weiter ausbauen, ein Zusammenkommen hingegen noch komplizierter werden. Zwar wäre theoretisch auch denkbar, dass der von den Sozialdemokraten angebotenen Rückkehr zu Gesprächen über ein Dreier-Konstrukt mit Pink oder Grün eine Chance zum Erfolg gegeben wird. Doch ob die Geduld in der Gesellschaft nicht langsam aufgebraucht ist, die sich weiterhin nicht der Annahme verwehren kann, dass insgeheim doch eine für deutsche Ohren so bekannten Brandmauer zu den Rechten existiert, welche auf Teufel komm raus eine Kooperation der sich ideologisch und weltanschaulich am nächsten stehenden Wettbewerber aus fadenscheinigen Gründen verhindert, bleibt offen. Und damit auch größtmögliche Unsicherheit, ob die Alpenrepublik bewusst ins Chaos gestürzt werden soll.

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