An den zurückliegenden Weihnachtstagen sprachen Politiker, Journalisten und Kirchenfunktionäre wieder viel von Toleranz und Vielfalt, von Miteinander und Füreinander, von Mitgefühl und Unterstützung, die wir Menschen einander zu geben hätten. Doch trifft dies wirklich den Wesenskern von Weihnachten? Ein Gastbeitrag von Frank Steinkron.
Weihnachten ist das Fest der Menschwerdung Gottes. Gott, so glauben die Christen, hat den Menschen nach seinem Ebenbild geschaffen und ihm damit die Freiheit zur Selbstbestimmung geschenkt. Jedoch missbraucht der Mensch diese Willensfreiheit, um sich gegen die göttliche Ordnung zu entscheiden, sei es aus Bosheit, sei es aus Schwäche, sei es aus Fahrlässigkeit. Die Theologie spricht in diesem Zusammenhang von der Erbsünde oder von der gefallenen Natur des Menschen.
Um diese gefallene Natur wieder aufzurichten, hat Gott sich in selbst in der Person Jesu Christi in die Welt und damit in das Menschsein hineinbegeben. Bei Jesu Geburt hat er seine göttliche Natur mit unserer irdischen Natur verbunden, um letztere aus ihrem Gefangensein in sich selbst, das heißt: aus der Knechtschaft von Sünde und Tod, zu befreien.
Dies ist die eigentliche Frohbotschaft von Weihnachten. Im 17. Jahrhundert hat sie der Dichter Andreas Gryphius wie folgt beschrieben:
Der Mensch war Gottes Bild.
Weil dieses Bild verloren,
Wird Gott als Menschenbild
In dieser Nacht geboren.
Das falsche Versprechen menschlicher Selbsterlösung
Der moderne Mensch freilich interpretiert seine Freiheit anders. Freiheit bedeutet für ihn totale Unabhängigkeit. An die Notwendigkeit einer Erlösung durch Gott glaubt er nicht. Sofern in ihm noch ein Bezug zum Christentum vorhanden ist, betrachtet er Jesus als einen Bruder, der in einem Akt der Solidarität gekommen sei, um das Leid der Armen und Elenden zu teilen. Dieser Christus ist nur noch eine historische Figur, bestenfalls ein galiläischer Wanderprediger mit einem besonderen Charisma. Oder einfach nur ein palästinensischer Jude, dessen Eltern auf der Flucht waren.
Die Reduzierung des Gottessohnes auf das reine Menschsein wird besonders sinnfällig in der jüngst wiedereröffneten Hedwigskathedrale zu Berlin. Der Altar, an dem das Kreuzopfer vergegenwärtigt werden soll, steht nicht mehr auf Stufen, sondern liegt ebenerdig. Der moderne Kirchenbesucher begegnet dem Mensch gewordenen Gott „auf Augenhöhe“.
Aus der Menschwerdung Gottes wird so eine Vermenschlichung. Mit der Vermenschlichung Gottes geht die Selbstvergottung des Menschen einher, besonders in der Aufklärung und im marxistischen Materialismus. Die Erlösungsbedürftigkeit des Menschen wird ausschließlich politisch und sozial definiert und hierzu, so heißt es, sei der vernunftbegabte Mensch aus sich selbst heraus imstande.
Es rettet uns kein höh’res Wesen,
kein Gott, kein Kaiser noch Tribun
Uns aus dem Elend zu erlösen
können wir nur selber tun!
Diese Parole der kommunistischen Internationale bildet gleichsam die Antithese zu Gryphius‘ Gedicht. Der Mensch wird nicht mehr nach dem Bild Gottes erneuert. Er erschafft sich und die Welt nach seinem eigenen Bilde neu. Er spielt Gott.
Die Zerstörung der menschlichen Natur durch totalitäre Ideologien
Dem modernen Gotteskomplex sind nicht nur die Diktaturen des 20. Jahrhunderts erlegen. Heute betrachten linke Utopisten, woke Moralisten und grüne Klimaretter die Welt als ein großes Reallabor, in dem sie alles nach Gutdünken neu ordnen können. Befallen von der Hybris der totalen Machbarkeit erschaffen Biologen zu Experimentierzwecken tödliche Viren. Westliche Politiker zwingen ihre Gesellschaftssysteme anderen Völkern auf. Sozialingenieure vermischen die indigene Bevölkerung mit Millionen Fremden aus primitiven, archaischen Milieus, als gälte es, in einer Petrischale verschiedene Bakterienstämme zu kreuzen.
Innerhalb dieser Versuchsreihen werden Kollateralschäden in Gestalt von Kriegen, Terrorismus und Repression billigend in Kauf genommen. Wer aufbegehrt, wird rechtlos gestellt. Der Mensch, der sich selbst für Gott hält, spricht im Namen der Menschlichkeit anderen das Menschsein ab, beraubt unter Berufung auf die Selbstbestimmung Andersdenkende ihrer Freiheit.
Zu diesem Hochmut – in der christlichen Religion die schlimmste aller Todsünden – gesellt sich die katastrophale mentale Verfassung der heutigen Systemeliten. Narzisstischer Autismus paart sich mit sich selbstgefälliger Dummheit. Das Resultat dieser Allmachtsphantasien ist – wie immer – nicht das angestrebte Paradies, sondern die Hölle auf Erden. Selbst die Weihnachtszeit wird von Krieg und Terror überschattet.
Die Gnade des Weihnachtsfestes
In diesem Zusammenhang erlangt die Botschaft der Engel an die Hirten von Bethlehem erneute Bedeutung: „Ehre sei Gott in der Höhe und Frieden den Menschen auf Erden, die guten Willens sind.“ Dieser „gute“, Frieden stiftende „Wille“ meint nicht die einfältige Selbstgerechtigkeit selbsternannter Gutmenschen. Er meint die demütige Bereitschaft, dem Höchsten die Ehre zu erweisen und seinen Willen anzuerkennen – so wie Maria es bei der Verkündigung tat, als sie zum Engel sprach: „Mir geschehe nach Deinem Wort“.
Dieses Wort ist in Christus „Fleisch geworden“, wie es im Johannesevangelium heißt. Es allein gewährt den wahren Frieden. Es allein verheißt die echte Freiheit – eine Freiheit, die nicht menschengemacht und gerade deshalb menschenwürdig ist, weil sie den Menschen nicht biologisch neu definiert, sondern ihm seine Gottebenbildlichkeit zurückgibt. Diese Gnadengabe ist das eigentliche Geschenk von Weihnachten.