(David Berger) In der Leipziger Galerie „Zentrale Randerscheinung“ findet derzeit eine Ausstellung mit Werken des Künstlers Frank J. Schäpel statt, die auch für die Leser von PP von großem Interesse sein dürfte. Denn Schäpel hat den Mut Themen zu behandeln, die im veröffentlichten Diskurs gern ausgeblendet werden: Verbrechen im Migrationskontext, Coronaschäden, das Leid von Deutschen im Zweiten Weltkrieg oder religiöse Erscheinungen.
Durch die Wahl dieser Themen, aber auch durch die künstlerische Verarbeitung stellen Frank J. Schäpels Arbeiten und sein künstlerischer Ansatz ein Alleinstellungsmerkmal in der deutschen Kunstlandschaft dar. Schäbel, 1973 im westfälischen Vechta geboren, war von 1997-2002 Meisterschüler von Georg Baselitz.
Den Finger auf die Wunde legen
Die Bilder von Frank J. Schäpel sind Momentaufnahmen realer Ereignisse. Sie wirken durch ihren dokumentarischen Charakter zunächst vertraut. Die Wahl der Sujets steht allerdings im Widerspruch zur allgemeinen Priorisierung von Inhalten im medialen Raum.
Und das gilt nicht nur für die eingangs erwähnten politischen Themen, sondern auch für die Religiösen: welcher angeblich aufgeklärte Katholik, der alles Übernatürliche schamhaft versteckt, lässt sich schon gerne mit dem Sonnenwunder von Fatima oder religiöser Ekstase konfrontieren? Das bedeutet, die Beschäftigung auch mit den Bildern von Schäpel kann schmerzhaft sein.
Nicht umsonst hat Schäpel für den Ausstellungskatalog ein Zitat von Michel Houellebecq (Lebendig bleiben 1997) gewählt: „Jede Gesellschaft hat ihre schwachen Stellen, ihre Wunden. Legen Sie den Finger auf die Wunde und drücken Sie schön fest zu. Erkunden Sie die Themen, von denen niemand etwas wissen will. Schauen Sie hinter die Kulissen.“
Der Künstler bezeichnet seine Kunst selbst als Dokumentarmalerei. Das heißt, es geht darum, alles Subjektive in Bezug auf die Darstellung zu vermeiden. Dies ist Bedingung dem Inhalt als faktische Tatsache so gerecht wie möglich zu werden. Alles Kommentierende wird vermieden. Es verleiht den Bildern die notwendige Nachdrücklichkeit, um sich der allgemeinen Ablehnung solcher Inhalte entgegenzustellen.
Die Essenz zum Tragen kommen lassen
Der dokumentarische Charakter der Arbeiten bezieht sich dabei auf den Kern der Geschehnisse und nicht auf die künstlerische Umsetzung. Zwar ist der Bezug zu Pressefotos und Dokumentationen unverkennbar und häufig auch Ursprung der Bildfindung, dennoch wird durch eine reduzierte Bildsprache der inhaltliche Kern der Vorlage herausgefiltert. Man könnte Schäpels Bilder als Destillate bezeichnen.
Der Künstler beendet das Werk, wenn die Essenz zum Tragen kommt. Der Titel der Ausstellung ist im Plural gewählt. Dies bezieht sich nicht auf die Vielfalt der ausgestellten Sujets, sondern auf die unterschiedliche Rezeption von Realitäten, die erst durch die Themensetzung möglich wird. Wenn Inhalte tabuisiert werden und Sichtbarkeit vermieden werden soll, verschwinden Realitäten. Schäpels Werk stellt sich dem entgegen. Und gewinnt so eine ganz eigene Schönheit durch Wahrhaftigkeit. Getreu der Devise des Thomas von Aquin, nach der die Schönheit der Glanz des Wahren ist. Und selbst die Sünde und das Böse noch dazu da sind, die Vielfältigkeit und damit die Schönheit der Welt zum Leuchten zu bringen.
Schäpel hat PP einige seiner Werke zur abbildenden Veröffentlichung zur Verfügung gestellt:
Für alle Bilder gilt: © VG Bild-Kunst, Bonn 2024
Die Austellung ist noch bis 1. November in der Galerie „Zentrale Randerscheinung“ (Ludwigstr.91, 04315 Leipzig, Deutschland / Fr-Sa 15-19 Uhr und nach Vereinbarung) zu sehen.
Hier kann man virtuell einen kleinen Einblick in die Ausstellung nehmen: REALITÄTEN
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