Sonntag, 22. Dezember 2024

„Blumen aus der Wildnis im Arme“: Kräuterweihe am Fest Mariä Himmelfahrt

(David Berger) Die Kirche feiert heute das Fest der leiblichen Aufnahme der Gottesmutter und Jungfrau Maria in den Himmel, kurz „Mariä Himmelfahrt“. In Österreich und einigen Bundesländern Deutschlands ein Feiertag, ist es seit Jahrhunderten mit dem Brauch der Kräuterweihe verbunden. Eine Tradition, die zeigt, wie genial es dem Katholizismus gelang, Elemente der Naturreligionen in seine Glaubenswelt zu integrieren.

Am 1. November 1950 erklärte der große Papst Pius XII. in der Apostolischen Konstitution Munificentissimus Deus:

„Wir verkünden, erklären und definieren es als ein von Gott geoffenbartes Dogma, dass die Unbefleckte, allzeit jungfräuliche Gottesmutter Maria nach Ablauf ihres irdischen Lebens mit Leib und Seele in die himmlische Herrlichkeit aufgenommen wurde.“

Damit kam eine lange Entwicklung kirchlicher Tradition zum Abschluss, die bis in die Anfänge des Christentums zurückreicht. Bei den Orientalen kennt man seit dem 6., in der römisch-katholischen Kirche seit dem 7. und 8. Jahrhundert das Fest der Entschlafung bzw. Himmelfahrt Marias. Die Vorstellung, dass die Jungfrau und Gottesmutter frei von der Erbsünde auch die Folgen der Erbsünde, zu denen der leibliche Tod gehört, nicht erleiden musste, geht aber bis auf die frühen Kirchenväter der ersten nachchristlichen Jahrhunderte zurück.

Dem Grab Mariens entstieg ein wundersamer Duft

Dem geöffneten Grab Mariens entstieg der Duft von Blumen und Kräutern

Bei einem dieser Kirchenväter, dem hl. Johannes von Damaskus finden wir die Legende, nach der die Apostel das Grab Mariens öffneten und dieses leer vorfanden – stattdessen soll der Grabstätte ein Wohlgeruch nach Rosen und Kräutern entstiegen sein.

Auf der Basis dieser Legende ist spätestens seit dem 9. Jahrhundert in der römisch-katholischen Kirche der Brauch der Kräuterweihe nachweisbar. Bestimmte Blumen und Kräuter werden heute noch – besonders in Tirol und Bayern – dabei von den Gläubigen zu einem Strauß gebunden und zur Messe gebracht, wo sie im Anschluss an das Hochamt vom Priester gesegnet werden.

In einem der Gebete aus dem Sacramentale Romanum heißt es:

Kräuter zur Heilung kranker Körper

„Lasset uns beten! Allmächtiger ewiger Gott, der Du Himmel, Erde und Meer, Sichtbares und Unsichtbares durch Dein Wort aus dem Nichts erschaffen hast und zum Gebrauch der Menschen und Tiere die Erde hervorbringen lässest Bäume und Kräuter, welche nach Deiner mildreichen Anordnung in ihrer jeweiligen Eigenart aus sich Frucht bringen, nicht nur als Kräuternahrung für die Beseelten, sondern auch zur Heilung kranker Körper. Inniglich bitten wir Dich mit Herz und Mund, Du wollest diese unterschiedlichen Kräutergattungen und Früchte durch Deine gnadenreiche Milde + segnen, damit sie durch den Einfluss der neuen Gnade Deines Segens und durch den rechten Gebrauch für Mensch und Tier in Deinem heiligen Namen über ihre von Dir gegebene natürliche Kraft hinaus reichen Schutz gewähren gegen alle Krankheit und Vergiftung. Durch unseren Herrn Jesus Christus… Amen.“

Wikipedia macht zu den Kräutern nähere Angaben:

„Typische Kräuter neben Alant sind Echtes Johanniskraut, Wermut, Beifuß, Rainfarn, Schafgarbe, Königskerze, Kamille, Thymian, Baldrian, Eisenkraut und die verschiedenen Getreidesorten.

In manchen Regionen wurden in die Kräuterbuschen so viele Alantblüten eingebunden, wie Menschen, Kühe und Pferde auf dem Hof lebten. Der Tee aus diesen geweihten Kräutern sollte besonders heilsam sein. Krankem Vieh wurden geweihte Kräuter ins Futter gemischt oder man warf zum Schutz vor Blitzschlag beim Gewitter Kräuter aus dem Buschen ins offene Feuer.“

Der Katholizismus und seine naturreligiösen Wurzeln

Selbst jene Menschen, die heute an die Verschwörungen a la Da Vinci Code und Chemtrail-Theorie glauben, werden vielleicht angesichts des hier Vorgestellten müde lächeln. Mir kommt es nicht zu darüber zu urteilen, aber eines zeigt dieses Fest und seine Bräuche doch sehr anschaulich:

Dem (orientalischen wie dem abendländischen) Katholizismus ist es wie keiner anderen Konfession bzw. Religionsform gelungen, wichtige Elemente aus den Naturreligionen nach einer gewissen Reinigung von barbarischen Elementen (Menschenopfer usw.) in das Glaubensleben der Catholica aufzunehmen. Und so zutiefst mit der menschlichen Natur vorhandene urreligiöse Bedürfnisse zu befriedigen.

Und es ist bezeichnend, dass die katholische Kirche genau zu jenem Zeitpunkt, als sie im Zuge ihrer fatalen Protestantisierung anfing, diesen Aspekt immer mehr zu verdrängen, erdrutschartig an Einfluss und Überzeugungskraft verlor.

„Ich habe noch Gebete, denen die Flur lauscht“

Die große Dichterin Gertrud von Le Fort hat die naturreligiöse Verhaftung der Catholica in einer ihrer Hymnen wunderbar zum Ausdruck gebracht, wenn sie die Kirche singen lässt:

„Ich habe noch Blumen aus der Wildnis im Arme,
ich habe noch Tau in meinen Haaren
aus Tälern der Menschenfrühe,
Ich habe noch Gebete, denen die Flur lauscht, ich weiß noch,
wie man die Gewitter fromm macht und das Wasser segnet.
Ich trage noch im Schoße die Geheimnisse der Wüste,
ich trage noch auf meinem Haupt
das edle Gespinst grauer Denker,
Denn ich bin Mutter aller Kinder dieser Erde:
was schmähest du mich, Welt,
daß ich groß sein darf wie mein himmlischer Vater?
Siehe, in mir knien Völker, die lange dahin sind,
und aus meiner Seele leuchten nach dem Ew‘gen viele Heiden!
Ich war heimlich in den Tempeln ihrer Götter,
ich war dunkel in den Sprüchen aller ihrer Weisen.
Ich war auf den Türmen ihrer Sternsucher,
ich war bei den einsamen Frauen, auf die der Geist fiel.
Ich war die Sehnsucht aller Zeiten,
ich war das Licht aller Zeiten, ich bin die Fülle der Zeiten.
Ich bin ihr großes Zusammen, ich bin ihr ewiges Einig.
Ich bin die Straße aller ihrer Straßen:
auf mir ziehen die Jahrtausende zu Gott!“

Ich muss gestehen, dass dies einer der Aspekte des Katholizismus ist, der mein ganzes Wesen, Fühlen und Denken zutiefst geprägt hat und dazu geführt hat, dass mir der Katholizismus mehr Heimat ist als die Nation, in der ich groß wurde. „Ultramontan“ hat das Martin Mosebach in einem seiner besten Sachbücher treffend genannt. Etwas, was mich mit tiefer Dankbarkeit gegenüber der Catholica erfüllt.

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David Berger
David Bergerhttps://philosophia-perennis.com/
David Berger (Jg. 1968) war nach Promotion (Dr. phil.) und Habilitation (Dr. theol.) viele Jahre Professor im Vatikan. 2010 Outing: Es erscheint das zum Bestseller werdende Buch "Der heilige Schein". Anschließend zwei Jahre Chefredakteur eines Gay-Magazins, Rauswurf wegen zu offener Islamkritik. Seit 2016 Blogger (philosophia-perennis) und freier Journalist (u.a. für die Die Zeit, Junge Freiheit, The European).

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