Ein paar Gedanken in einer Zeit, wo ein Spaziergang im Park der letzte Gang sein könnte – von Gastautor Klaus Lelek
Wir Nachkriegskinder der Jahrgänge 1949- 1955 haben kaum noch die äußeren Wunden und Narben des Zweiten Weltkrieges kennengelernt. Hier und da mal ein Trümmergrundstück, ein Bombentrichter an dessen Grund sich ein Froschteich gebildet hat, eine „ausgebombte“ Familie, die immer noch keine neue Wohnung gefunden hat und bis Anfang der 60er Jahre in einem Zimmer hauste… Die eigentlichen Wunden waren die inneren Wunden. Mit Berichten über Verletzungen, angedeuteten Vergewaltigungen, Plünderungen, Bombentoten und Fluchtgeschichten wuchsen wir auf.
Traumatisierte Lehrer und Eltern
Zum Beispiel, wenn eine traumatisierte Mutter ihrem Kind erzählte, wie die Russen den väterlichen Bauernhof heimsuchten und auch ihr „sehr weh taten“. Oder eine Mutter ihrem Kind erzählte, wie sie von amerikanischen Tieffliegern gejagt wurde und sich im Hagel von MG-Kugeln in eine Ackermulde warf. Da gab es den Klassenkameraden, der im Unterricht den Tod seines Onkels schilderte. Er war in Frankreich in einen Partisanenhinterhalt geraten und durch die Scheibe seines Militärfahrzeugs erschossen worden. Da gab es einen Geschichtslehrer mit einer deformierten Stirn, der seinen Schülern erzählte, wie er einen US-Panzer abschießen wollte, die Amis ihm aber zuvorkamen und eine Granate nach ihm schossen, die seinen Stahlhelm eindrückte. Ein anderer Lehrer berichtete, dass er gegen Kriegsende mit seinen Schülern einen aussichtslosen Frontabschnitt verteidigen sollte und ihnen einschärfte, nicht den Helden zu spielen, sondern „in Deckung“ zu bleiben. „Köpfe runter!“ Alle überlebten.
„Im Krieg leben“ bedeutete vor allem „Überleben“. Dieser Tatbestand zog sich wie ein roter Faden durch alle Augenzeugenberichte, die wir als Kinder zu hören bekamen. Sie betrafen auch die ersten Jahre nach dem Krieg. Ein Kriegsgefangener – ein junger sudetendeutscher Leutnant – sollte von Bayern in die neu gegründete Tschechoslowakei abgeschoben werden, was sein sicherer Tod gewesen wäre. Er flüchtete aus dem US-Lager, besorgte sich Zivilkleidung und tauchte unter. Einem alten Kunstlehrer eines Wiesbadener Gymnasiums gelang die Flucht aus einem russischen Zivilgefangenenlager. Ein längerer Aufenthalt dort, wäre sein sicherer Tod gewesen.
Ziviler Ungehorsam
Ergo: Im Krieg, aber auch in der Nachkriegszeit überlebten viele Leute nur deshalb, weil sie Gesetze brachen und ihr Leben im wahrsten Sinne des Wortes selbst in die Hand nahmen, weder den Nazis noch den Alliierten erlaubten über ihr Leben oder besser gesagt Tod zu bestimmen. ZIVILER UNGEHORSAM nennt man so etwas. Eine Überlebensmethode, die später, nach Schaffung einer zivilen Ordnung, nach Aufbau eines funktionierenden „Rechtsstaates“ inklusive Wirtschaftswunder immer weniger notwendig wurde, ja sogar verlernt wurde. Vor allem aber an die nachfolgenden Generationen nicht mehr weitergegeben wurde.
Heute rennen im harmlosen Fall Grundschüler oder Jugendliche auf ihr Handy starrend blind in eine Dornenranke, die nur einen halben Meter in den Schulweg ragt. Im schlimmsten Fall in die Hände von „Kindern“ aus einem anderen Kulturkreis, die ihnen vor laufenden Handy-Kameras sehr weh tun, im schlimmsten Fall sie sogar totprügeln.
Zivile Ordnung und Rechtsstaat am Verschwinden
Warum passiert dies immer öfter? Liegt dies daran, dass es diese „zivile Ordnung“ und der „Rechtsstaat“, der diese Ordnung und Sicherheit aufrechterhalten soll, in weiten Teilen des Landes nur noch eingeschränkt gibt? Wenn tagtäglich Stadtteile vor allem für Frauen nachts zu No-Go-Areas werden. Wie sieht es angesichts von fast 9000 Messerattacken, 761 Gruppenvergewaltigungen und fast 45 000 Raubdelikten (2023) um unseren „Überlebensinstinkt“ aus?
Dies alles vor dem Hintergrund, dass Täterschutz – zum Beispiel Abschiebeverbot – Vorrang vor Opferschutz hat. Ist das noch „normale Kriminalität“ oder bereits ein „Asymmetrischer Krieg“, wenn gut vernetzte Jugendbanden und „Männergruppen“ mit Migrationshintergrund gezielt Jagd auf einheimische Jugendliche machen? Wer die Stichworte „Überfall auf Abiturfeier“ eingibt, erkennt schon nach kurzer Netzsuche, dass die brutale Attacke von Bad Oeynhausen kein Einzelfall war. Die Fälle reichen bis 2015 und weiter zurück. Einige sind nicht mehr auffindbar…
Dem Überlebensinstikt folgen
Hier schließt sich der Kreis: Wer sich heute träumerisch auf Wolke sieben schwebend wie im Wirtschaftswunderland der 70er, 80er oder 90er Jahre bewegt, lebt gefährlich. Übernachten im Schlafsack unter freien Himmel, gar in einem Park? Lebensgefährlich! Mit Kumpels mal spontan in einer Hütte am Stadtrand feiern? Verdammt mutig! Wer kommt dir nachts um 1 Uhr auf dem Bürgersteig entgegen? Ist es vielleicht besser, in eine Seitenstraße auszuweichen? Welche Gruppen lungern auf einem Volksfest herum? Wer setzt sich an den Tisch? Wer umschleicht eine Versammlung?
Überall heißt es heute: Augen auf! Besser noch: Handy aus und Augen auf! Man muss nicht daherkommen wie ein Soldat, eher wie ein Forscher im Dschungel, der aufpasst, dass er nicht in den Hinterhalt gerät. Und dabei immer an die Menschen denken, die in dunklen, gefährlichen Zeiten nur deshalb überlebten, weil sie ihrem Überlebensinstinkt folgten und nicht im Vertrauen auf Vorgesetzte in den Tod rannten.
Sind mir mal wieder so weit, dass Leben „Überleben“ heißt? Und dass man dieses Überleben nicht in fremde Hände geben sollte? Am allerwenigsten in die Hände von Politikern. Genau sowenig hilfreich ist es, sich auf staatlich kontrollierten, von rechten V-Männern gesteuerten Jammer-Plattformen auszuweinen.
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