Ein Gastbeitrag von David Leukert
lichtung
manche meinen
lechts und rinks
kann man nicht velwechsern
werch ein illtum!
Ernst Jandl
Meine Bekannte Tessa engagiert sich beim Mieterverein, der aus unerfindlichen Gründen noch nicht in Mieter:Innenverein umbenannt wurde. Sie ist voll so für den Mietenstopp, der Baugrund ihrer Argumentation: Weniger Miete bedeutet, dass „Mieter:Innen“ (Berliner Mieterverein) nicht so viel Miete bezahlen müssen, wie wenn sie mehr Miete bezahlen müssen. Um ihr Anliegen zu unterstreichen, spielt sie auf Demonstrationen mit außerordentlich ernstem Blick Bongo.
Natürlich hat Tessa das Gefühl, Speerspitze einer voll fortschrittlichen Bewegung zu sein, „weil Mietpreisdeckel ist ja was ganz Neues, das hat es noch nie gegeben.“ Sicher hat es das schon gegeben, aber T. ist sich darüber nicht im Klaren, sie hat ein Bremer Abitur, deswegen hat es das noch nie gegeben. Generell kennt sich die siebenundzwanzigjährige Oma gegen rechts mit dem Ganzen nicht soo aus, aber dafür weiß sie genau Bescheid.
Je Aktivismus desto Bildungsmangel
Es gilt die Faustregel: Je Aktivismus desto Bildungsmangel. Meistens kommen noch Verdrängung und eine pfiffige Ponyfrisur hinzu. Geschichtliche Tatsachen können unangenehm sein, weswegen frau manches (frauches?) gar nicht so genau wissen will. Hier ist die 20.000 Euro Frage: Wer hat den Mietpreisdeckel in Deutschland eingeführt und als erster konsequent umgesetzt? Wer weiß es? Falsch. Es war der Führer. Er schenkte die antikapitalistische Maßnahme den Volksgenossen zum 20. April 1936 – seinem 47. Geburtstag. Für Fliegenbeinzähler: Das Gesetz wurde am 18.04.36 von der NSDAP beschlossen und am „26. November 1936 erging die Verordnung über das Verbot von Preiserhöhungen (RGBl I S. 955). Im Zusammenwirken mit ihr führten zahlreiche Verordnungen über die Mietpreisbildung letztlich zu einer vollständigen Mietpreisbindung“, so das Bundesverfassungsgericht am 25.03.2021.
Wie stark ein Mietendeckel die Bausubstanz von Wohnhäusern im Laufe der Zeit beeinträchtigt, zeigte sich im Dritten Reich noch nicht, die Royal Air Force war schneller. Doch die sozialistische Republik im Osten Deutschlands, die den Antifaschismus nach dem II. Weltkrieg zur Staatsdoktrin erklärt hatte, brachte es fertig, das nationalsozialistische Gesetz baugleich zu übernehmen. Wegen der verordneten Mini-Mieten konnten Gebäude weder angemessen instand gehalten noch renoviert werden. Binnen weniger Jahre Arbeiter- und Bauernstaat sahen ganze Straßenzüge aus wie nach einem Luftangriff. „Ruinen schaffen ohne Waffen“ nannte das der Volksmund in der DDR.
Von widerständigen DDR-Bürgern hörte ich einmal folgende Anekdote. Bewohner einer Mietwohnung wenden sich an den zuständigen Gebietsleiter des Wohnungsbaukombinats, weil sie Sorge haben, dass ihr rissiger Balkon abbricht. Der Funktionär erteilt den Rat: „Genossen, wenn Sie ein knirschendes Geräusch hören, dann müssen Sie ganz schnell rein gehen!“
Kevin Kühnert trotz UN-Antifolterkonvention
Nach dem Ende der Deutschen Demokratischen Republik stellte man in einer Erhebung fest, dass 40 Prozent der Mehrfamilienhäuser schwer geschädigt und elf Prozent unbewohnbar waren. Auch die Wohnungsnot konnte der „Preisanordnung Nr. 415“ zum Trotz nicht behoben werden. Der Historiker Hubertus Knabe: „Nach 40 Jahren sozialistischer Wohnungspolitik war die Wohnungsfrage nicht, wie von Honecker für 1990 angekündigt, gelöst worden. Die Zahl der Wohnungssuchenden hatte, trotz Abwanderung von fast fünf Millionen DDR-Bürgern, sogar zugenommen – von knapp 600.000 im Jahr 1950 auf fast 800.000.“
Die UN-Antifolterkonvention wurde von sämtlichen EU-Staaten unterzeichnet und ratifiziert, trotzdem muss der Bürger hierzulande immer wieder Kevin Kühnert zuhören. Besonders eindrücklich Anfang Mai in der Sendung Hart aber Fair „Verzweifelt in vier Wänden- darum wird das Wohnen immer teurer“.
Die Kompetenzen des Generalsekretärs der SPD in Sachen Wohnungsbaupolitik sind bemerkenswert. Zwar brach er ein Studium der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft ab, in dem die Studierenden laut Studienordnung „Gender- und Diversity-Kompetenzen erwerben“ sollen (zu schwer?). Dafür erwarb Kühnert Qualifikationen in der Callcenter-Branche bei myToys, wo er Verbraucher zu den Themenkomplexen „Plüschfigur Schlummer-Otter“ und „Barbie Puppenhaus Traumvilla“ beraten hat.
Von da ist es nur ein kleiner Schritt zu unbefangenen Aussagen wie „Ohne Kollektivierung ist eine Überwindung des Kapitalismus nicht denkbar“ und „Jeder darf maximal den Wohnraum besitzen, in dem er selbst wohnt“ (am 01.05.2019 in Die Zeit).
Bei Hart aber Fair bekräftigt er seine schnöselsozialistischen Überzeugungen, schwärmt vom kommunalen Wohnungsbau in Wien, freilich ohne zu erwähnen, dass die Stadt hoch verschuldet ist, plädiert für einen Mietenstopp und lässt sich in erstaunlicher Weise zu architektonischen Fragen aus: „Da muss die Lust an der Manufaktur aufhören, was wir brauchen ist viel mehr serielles und modulares Bauen, typengleich an unterschiedlichen Orten bauen.“
Großes SED-Revival
Ich fasse zusammen. Der Generalsekretär der Kanzlerpartei will das große SED-Revival mit der Zuteilung von Wohnungen, Plattenbau-Monotonie und Struktur-Glasscheiben.
Wie kommt es in den neuen Bundesländern an, etwa in Sachsen, wenn sich ein Polit-Parvenu aus dem Westen durch eine öffentlich-rechtliche Sendung flitzpiept und überkommene planwirtschaftliche Konzepte anpreist?
Seit dem Kaiserreich ist Sachsen eigentlich eine sozialdemokratische Hochburg, dort wurde die Arbeiterpartei 1863 auch gegründet. Im aktuellen Wahltrend liegt die SPD bei 6%, das entspricht etwa einem Abstieg aus der Bundesliga in die Bezirksliga. Das kann bei dem aktuellen Kader nicht verwundern. Die Mannschaft ist taktisch wie mental überfordert, voller Rotsünder und stellt mit Kühnert den Eigentorschützenkönig aller Klassen.
P.S. Der Hart-aber-Fair-Moderator sprach Kevin K. auch auf seine Stellungnahme zu Enteignungen im oben erwähnten Zeit-Interview an. Davon distanzieren möchte sich der erklärte Bayern-Fan ausdrücklich nicht. Eigentum ist nach Artikel 14 des GG geschützt, die Äußerung des Generalsekretärs kaum verfassungskonform. Bestimmt beobachtet das Bundesamt für Verfassungsschutz die SPD bereits als lechtsextremistischen Verdachtsfall.
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