Gastbeitrag von Meinrad Müller
Mehrtürer, zumal beim fahrbaren Untersatz, werden vom Autor dringlichst empfohlen. Hatte er doch vor 50 Jahren das Glück, einen ebensolchen zu steuern, zumindest bis zur Kollision mit einer Straßenbahn. Das Stuttgarter Fahrzeug, wohl eines der letzten seiner Art, das bereits ohne den Besitzer zwei Tonnen wog, verbog sich. Beide Vordertüren und die linke Hintertür waren verklemmt, nur die rechte Hintertür ließ sich noch öffnen. Durch ebendiese krochen beide Insassen wohl in Trance und unter Schock ins Freie, bevor das Fahrzeug Feuer fing. Diesem stabilen LKW-Rahmen und der rechten hinteren Tür des Viertürers ist es folglich zu verdanken, dass der Autor noch lebt und jetzt mit den Tasten noch klimpern kann.
F wie Flucht
Fluchtwege, die eine modernes (die Autokorrektur schlug gerade „mordendes“ vor) Auto bietet, sind nicht wie Gaststättensäle mit einem grünen F gekennzeichnet. Wenn’s kracht, tritt ein menschliches Programm in Aktion, das auf F wie Flucht eingestellt ist. Diese Eigenschaft scheint multikulturell verankert zu sein, denn ob in China oder in Oberkleinberghausen, ist all unser Trachten und Sinnen darauf eingestellt, unser Leben nicht vor Ablauf der Ablauffrist freiwillig hinzugeben.
e-Märtyrer
Zutiefst betrüblich sind Fotos und Videos von manchen brennenden E-Fahrzeugen, die nach der Kollision mit einer deutschen Eiche wie Alufolie zerknittern und die Insassen derart einzwängen, dass diese – ganz ohne mittelalterliches Urteil – lebendig im Flammenrauch verbrennen. Die Statistik, die uns weismacht, dass diese Fälle nur so selten wären wie eine tote Maus im Gurkenglas, beruhigen indes nicht wirklich. Wer sich aller Warnungen zum Trotze aufs Schlachtfeld stürzt, nimmt in Kauf, als e-Märtyrer des Klimagottes qualvoll zu enden.
Alles Glaubenssache
Vor rund 60 Jahren war der Autor als Kind fasziniert von Märtyrerlegenden. Menschen, die ihren jeweiligen Glauben nicht abschwören wollten, erlitten deshalb Höllenqualen bis zum Tode. Gesotten in Schmalz, geröstet auf Kohlen, gepfählt, geteert, gefedert und angezündet, die Grausamkeiten faszinierten den zwölfjährigen Knaben, der das Buch in der Bücherei der Kirchengemeinde gefunden hatte. Beeindruckt hat ihn vor allem diese Gläubigkeit der Märtyrer, die durch nichts zu erschüttern war, waren sie sich doch sicher, sofort ins Paradies eintreten zu dürfen.
Grüner Scheiterhaufen
Auch wir werden heute metaphorisch gesotten und bei lebendigem Leibe geröstet, weil eine gewisse grüne Sekte es so will. Wer deren Glauben nicht annimmt oder andere Vorstellungen vertritt, gerät unter die Räder. Ein Entweichen durch die vierte Türe gibt es nicht, und jene, die das Holz für die politischen Scheiterhaufen zusammentragen, sind zahlreich. Der tschechische Reformator Jan Hus, der am 6. Juli 1415 zu Konstanz am Bodensee auf dem Scheiterhaufen zu Tode kam, beobachte, während er bereits am Marterpfahl angebunden war, eine Frau, die noch weitere Holzscheite zu seinen Füßen niederlegte. Er kommentierte dieses mit „O sancta simplicitas!“, zu Deutsch „O heilige Einfalt!“.
Und in einer ähnlich einfältigen Zeit leben wir auch heute wieder.