Wenn ein Staat aber das Wohlergehen seiner Bürger von deren Unterwerfung abhängig macht, dann ist er alles andere als stark. Dann ist er autoritär und anmaßend. Dann nähert er sich der Diktatur. Gastbeitrag von Frank Steinkron
Mitten in der Unterrichtsstunde wird die Schülerin Loretta vom Direktor des Richard-Wossidlo-Gymnasiums zu Ribnitz-Damgarten aus dem Unterricht geholt und von drei bewaffneten Polizisten ins Lehrerzimmer geführt. Nach Angaben der Mutter werfen die Beamten der Sechzehnjährigen vor, ein AfD-freundliches Schlumpfvideo und das Bekenntnis zu Deutschland als Heimat gepostet zu haben. Die Polizei hingegen wird später behaupten, der eigentliche Anlass sei das Tragen von Kleidern mit verfassungsfeindlichen Symbolen gewesen. Dabei bezieht sie sich offenbar auf die unter Jugendlichen weit verbreitete Marke Helly Hansen mit ihrem Logo HH.
Lebensbedrohliche Schlumpfvideos?
Amtlicherseits heißt es, man habe Loretta eine „Art Gefährderansprache“ gehalten.
Laut § 29 des Polizeigesetzes erfolgt eine Gefährderansprache unter anderem, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, „dass eine Person in einem überschaubaren Zeitraum die öffentliche Sicherheit stören wird“ oder „in einem überschaubaren Zeitraum eine Straftat begehen oder zu ihrer Begehung beitragen wird, die sich gegen Leib, Leben, Freiheit, die sexuelle Selbstbestimmung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder bedeutende fremde Sach- oder Vermögenswerte richtet.“
Doch sind blaue Schlümpfe, das Bekenntnis zur Heimat und das Tragen von Markenkleidung mit einer Buchstabenfolge, die sich auch auf zahlreichen deutschen Autokennzeichen findet, wirklich strafrechtlich relevant? Stellen sie die sexuelle Selbstbestimmung anderer Menschen infrage? Gefährden sie womöglich die Existenz der Bundesrepublik Deutschland oder bedrohen gar Menschenleben?
Wenn der Staat seinen Schutz androht
Als wäre den Polizisten bewusst, dass eine solche Gefährdung auch nicht ansatzweise gegeben ist, versichern sie Loretta, vor allem um ihre Sicherheit besorgt zu sein. Zu „ihrem eigenen Schutz“ solle sie weitere Posts unterlassen. Aus der vermeintlichen Gefährderin wird plötzlich eine Gefährdete; die Intervention der Polizei erscheint nunmehr als ein Akt humanitärer Fürsorge.
Dass der Staat eine Fürsorgepflicht gegenüber seinen Bürgern hat, steht außer Frage. Desgleichen hat sie ein Schulleiter gegenüber seinen minderjährigen „Schutzbefohlenen“. Ob diese Fürsorge auch die Denunziation harmloser Video-Posts umfasst, darf jedoch bezweifelt werden.
Autoritäre Begriffsumkehr
Stattdessen drängt sich der Verdacht auf, dass der Begriff „Schutz“ unter dem Vorwand der Fürsorge in sein Gegenteil verkehrt wurde. Eine derartige Pervertierung von Begriffen ist nicht selten Ausdruck aggressiver Übergriffigkeit. In der Mafia ist der Arm, den der Stärkere „schützend“ auf die Schulter des Schwächeren legt, weniger ein Zeichen von Freundschaft als von Dominanz und Unterwerfung. Ebenso dient „Schutzgeld“ als euphemistische Umschreibung für erpresste Zwangsabgaben. Im Zeitalter des höfischen Absolutismus war der „Schutzjude“ auf Gedeih und Verderb von der Gnade des Fürsten abhängig. Entfiel sie, konnte dies, wie im Fall des Joseph Süß Oppenheimer, tödliche Folgen zeitigen.
Das Deutsche Kaiserreich bezeichneten seine Kolonien als „Schutzgebiete“, das sogenannte Dritte Reich die besetzte Tschechei als „Protektorat Böhmen-Mähren“. Am 28. Februar 1933, nur einen Monat nach ihrer Machtübernahme, erließen die Nazis die „Verordnung zum Schutz von Volk und Staat“. Politische Gegner konnten ohne Gerichtsverfahren auf unbestimmte Zeit inhaftiert werden. Um den repressiven Charakter dieser Vorgehensweise zu kaschieren, wurde die „Schutzhaft“ bisweilen zu einer Sicherheitsmaßnahme umgedeutet, die den Staatsfeind vor dem „gerechten Volkszorn“ bewahren sollte.
Doch auch die derzeit Regierenden operieren mit der Sinnumkehr. Der Abbau von Grundrechten und die Bekämpfung der Opposition nennt sich jetzt „Demokratieförderung“. Aus der Schutzweste für die Demokratie wird gleichsam eine Zwangsjacke für den Bürger.
Nancy Faesers „starker Staat“
Im Rahmen dieser Umdeutungen erweist sich auch der „wohlgemeinte“ Rat der Polizei, Loretta möge sich nicht mehr regierungskritisch äußern, als eine Warnung, ja als eine versteckte Drohung. Ein übergriffiger Staat gibt einem Teenager eher vorsorglich als fürsorglich zu verstehen, dass er sich in Gefahr begebe, wenn er sich nicht systemkonform verhalte.
Die Androhung solcher Konsequenzen liegt ganz auf der Linie der Innenministerin, wenngleich die sonst doch so gut informierte Nancy Faeser vorgibt, von dem „Einzelfall“ in Ribnitz-Damgarten nichts zu wissen. Grundsätzlich vertritt sie die Meinung: Wer die Regierung kritisiert delegitimiert den Staat. Und es verhöhnt den Staat, wer Politiker nicht mehr ernst nimmt. In beiden Fällen soll der Bürger es künftig mit „einem starken Staat“ zu tun bekommen.
Die Unveräußerlichkeit von Freiheit
Wenn ein Staat aber das Wohlergehen seiner Bürger von deren Unterwerfung abhängig macht, dann ist er alles andere als stark. Dann ist er autoritär und anmaßend. Dann nähert er sich der Diktatur.
Seit jeher rechtfertigen autoritäre Staaten die Bevormundung ihrer Bürger damit, dass sie doch nur ihr Bestes wollen. Gewiss will auch die Bundesregierung unser Bestes. Doch das sollten wir ihr nicht geben. Unser Bestes ist nämlich unsere Freiheit. Und die sollten wir behalten.
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