(David Berger) Der Klang der Kirchenglocken in seinen verschiedensten Variationen gehört seit dem 6. Jahrhundert n. Chr. zur Atmosphäre und Kultur des Abendlandes. Und das nicht nur, wenn sie zum Gottesdienst rufen. In der katholischen Welt schweigen sie allerdings von Gründonnerstag Abend bis zur Osternacht.
Auch wenn in der Kirche das Messopfer in der Wandlung seinen Höhepunkt erreicht, kündigen dies die nicht nur die von den Ministranten bedienten kleinen Altarglöckchen den Gläubigen in der Kirche an, sondern auch das dreimalige Schlagen der Turmglocke allen, die sich in der Nähe der Kirche aufhalten.
(Foto: Altarglöckchen (c) DALIBRI (Own work), CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons)
Zu vielen weiteren Ereignissen werden die Glocken geläutet, meistens zu fröhlichen, aber auch die Totenglocke gehört zu einem jeden Begräbnis dazu.
Was selbst viele Katholiken nicht mehr wissen: Dreimal an jedem Tag, morgens und abends um 6 Uhr und mittags um 12 Uhr läuten die Glocken und rufen die Gläubigen zum Gebet des Angelus („Engel des Herren“). Ein Brauch der auf den heiligen Kirchenlehrer Bonaventura, einen Zeitgenossen des hl. Thomas von Aquin (13.Jh.), zurückgeht: Im Gebet sollen die Gläubigen dann an jene Sternstunde der Heilsgeschichte denken, als der Engel bei der Jungfrau Maria in Nazareth eintrat und das „Wort Fleisch“ wurde bzw. Gott selbst in die menschliche Natur herniederstieg, um den Menschen zu erlösen.
Der Freudenschall der Glocken verstummt in der Nacht auf den Karfreitag
Lediglich an drei Tagen im Kirchenjahr verstummen alle Glocken (und die Orgel) in der katholischen Kirche ganz. Von Gründonnerstag nach dem Gloria der Messe vom letzten Abendmahl über den Karfreitag bis zum Gloria in der Osternacht von Karsamstag auf Ostersonntag.
Und hier kommt unsere „vergessene Kostbarkeit“ dieser Woche zum Einsatz: Die Klapper oder Ratsche. Sie soll die feierlichen Glocken mit ihrem ernsten Ton ersetzen. Und das nicht nur während der Elevation von Hostie und Kelch sowie der Übertragung des Allerheiligsten weg vom Hochaltar in der Gründonnerstagsliturgie, sondern auch um zum Gottesdienst und zum dreimaligen Gebet zu rufen.
Im 19. Jahrhundert erschienen viele Bücher, die die Funktionen kirchlicher Gegenstände genau erklärten (hier aus: „Die Kunst im Dienste der Kirche 1873)
Letzteres ist nur noch sehr selten der Fall. Ich selbst habe es in dem kleinen Dorf in der fränkischen Rhön (Großeibstadt), in dem meine Großmutter in den 20er Jahren aufwuchs, noch in den 70-er Jahren miterlebt, dass die Ministranten („Klapperspatzen“) am Karfreitag und Karsamstag mit diesen Klappern morgens, mittags und abends zum Angelusgebet und vor der Karfreitags- und Osternachliturgie sowie dem Kreuzweg durch das Dorf liefen und die Glocken ersetzten. (Bild rechts: Ministrant (c) Franz E. Meyerheim (1838–1880) (Düsseldorfer Auktionshaus), via Wikimedia Commons)
Diese Holzklapper-Prozessionen sind ein uralter Brauch, der – so die Wikipedia – schon in einem 1482 in Coburg geschriebenen Buch erwähnt wird. Auch in Sebastian Francks „Weltbuch“ aus dem Jahr 1534 heißt es:
„Da fährt man mit einem klopfenden Karren und vielen Tafeln in der Stadt herum und rufen das Volk in die Kirche zur Passion.“
Karfreitagsklappern durch den Minarett-Ruf des Muezzin ersetzen?
In manchen Gegenden war das Klappern mit Rufen der Minitsranten verbunden, wie etwa:
„Wir klappern zum Englischen Gruß,
den jeder katholische Christ beten muss,
das Ave Maria, gratia plena!“
Bis heute klingt der ernste Ton der Holzklappern, der durch die Gassen des Dorfes hallte, in meinem Gedächtnis nach. Und wenn ich ganz ehrlich sein soll, ist er für mich keine bloße leere Äußerlichkeit, sondern gehört ganz wesentlich mit zu jenen Bräuchen des Abendlandes, die wir wie unseren Augapfel hüten sollten. Sonst werden andere mit ihren Bräuchen kommen.
Und ich möchte um nichts in der Welt den Ton der Karfreitagsklappern durch den Minarett-Ruf des Muezzin eintauschen.
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Update: Eine Leserin und Mutter hat uns dieses Foto geschickt, das zeigt, dass der Brauch in manchen Gegenden Deutschlands noch lebendig ist.
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Ratschen eignen sich auch für „Merkel muss weg“-Veranstaltungen
Und ein weiterer Leser schreibt: „Zu dem Artikel „Klappern und Klappernspatzen“: Diesen Brauch gibt es auch heute noch im Hunsrück auf einigen Dörfern. Die Ratsche auf dem Foto hat mein Vater vor einigen Jahren für seine Enkel geschreinert.
Leider gibt es in Köln diesen Brauch nicht und so lag sie bei uns bis letzten August rum. Dann kam sie bei einer Merkel-Wahlkampfveranstaltung zum Einsatz. Statt Trillerpfeife hatte ich eine Ratsche mitgebracht.
Der Krach übertönt jede Trillerpfeife.
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