Samstag, 20. April 2024

Der Fluch der bösen Tat

Die Ampelregierung vollendet das energiepolitische Zerstörungswerk Angela Merkels. Ein Gastbeitrag von Frank W. Haubold

Im Gefolge der rasant steigenden Preise für Öl, Gas und Elektroenergie mehren sich die Vorwürfe an Ex-Kanzlerin Angela Merkel im Hinblick auf die Abhängigkeit der bundesdeutschen Wirtschaft von russischen Erdgas- und -öl-Importen. Abgesehen, dass die Urheber dieser Vorwürfe während Merkels Langzeitkanzlerschaft brav geschwiegen haben (es hätte kritische Politiker und Journalisten ja die Karriere kosten können), sind diese Vorhaltungen nur teilweise berechtigt, denn den dramatischsten Schaden für unser Gemeinwesen hat eine ganz andere Fehlentscheidung angerichtet.

Entscheidungen nach Bauchgefühl

Der eine oder andere wird sich (hoffentlich) noch erinnern: Vornehmlich aus wahltaktischen Gründen entschied Bundeskanzlerin Merkel 2011 im Gefolge eines durch einen Tsunami ausgelösten AKW-Unfalls im fernen Japan unvermittelt, den mühsam ausgehandelten Atomkompromiss aufzukündigen und die friedliche Nutzung der Kernenergie in der Bundesrepublik Deutschland damit zu beenden. Dabei war der Kanzlerin und ihren Beratern durchaus klar, dass die Tsunami- und Erdbebengefahr hierzulande eher überschaubar ist und die meisten Länder gar nicht daran denken, den Ausbau der Kernenergie zu stoppen. Aber es galt, den atomkraftfeindlichen Grünen den Wind aus den Segeln zu nehmen, was in der Folge wie stets, wenn man den politischen Gegner (was die Grünen in grauer Vorzeit für die Union waren) imitiert, zu dessen Stärkung und zum eigenen Bedeutungs- und Machtverlust führte. Im Zweifelsfall wird sich der verunsicherte Wähler immer für das Original entscheiden und nicht für die Kopie. Wirtschaftliche Erwägungen spielten bei dieser verhängnisvollen Entscheidung ohnehin keine Rolle. Schließlich gab es ja den Verbraucher, den man per EEG zur Zahlung der Zeche verpflichten konnte.

Die Kosten für diese überhastete und rechtlich fragwürdige Entscheidung gehen in die Multimilliarden, wurden und werden aber vorsichtshalber kaum öffentlich kommuniziert. Wenn man jedoch weiß, dass die Kosten für den Rückbau des vergleichsweise kleinen AKW Greifswald bei 6,5 Milliarden Euro liegen, erkennt man die Dimension. Erst im Juni 2021 erhielten die Energiekonzerne 2,43 Milliarden Euro als Entschädigungszahlung für den vorzeitigen Atomausstieg vertraglich zugesichert.

Die Rechnung zahlt der Verbraucher

Die Hände reiben können sich allerdings die Betreiber von Windkraftanlagen. Die erhalten vom Stromkunden über das EEG sogar Geld für Strom, der nie produziert wurde. Laut einem Bericht der „Welt“ betrugen Ausgaben der Verbraucher für den nicht produzierten Geisterstrom allein im ersten Quartal 2019 364 Millionen Euro. „Denn für den Abtransport des Ökostroms fehlen die Netze. Die Rechnung zahlt der Verbraucher.“

Ein vielleicht sogar noch größerer Skandal wurde in den letzten Wochen offenbar, nämlich die enormen „Zufalls“- oder Sondergewinne der Energiefirmen auf Grund des ökonomisch fragwürdigen Merit-Order-Systems, nach dem der teuerste Anbieter den Preis an den europäischen Strommärkten bestimmt. Dieser Mechanismus hat zur Folge, dass die hohen Preise, die jedoch nur für Strom aus Gaskraftwerken gerechtfertigt sind, für alle Anbieter gelten, also auch für jene, die den Strom weitaus preiswerter herstellen. Energiefirmen, die billiger Strom produzieren – etwa aus Wind, Sonne oder Atomkraft – machen dabei enorme Gewinne, weil sie ihren Strom zu weit überhöhten Preisen verkaufen können. Diese Milliardengewinne zu Lasten der Energiekunden will die Politik jetzt zwar im Nachhinein abschöpfen, was angesichts der Komplexität der Materie und fraglicher Kontrollmöglichkeiten jedoch kaum zu einer signifikanten Entlastung der Stromkunden führen wird. Am System selbst will die EU nicht rütteln, führt es doch wie politisch erwünscht zur Gewinnmaximierung der Öko-Industrie.

99 % Preissteigerung

Dafür stieg der Preis für eine Kilowattstunde Elektroenergie seit der fatalen Kanzler-Entscheidung von 18,66 Cent auf 37,14 Cent (1. HJ 2022), also um 99 Prozent, zunächst vor allem auf Grund der EEG-Umlage, mit denen die Kosten der „Energiewende“ auf den Bürger abgewälzt wurden, später dann auch auf Grund gestiegener Gaspreise und eines unsinnigen und allen marktwirtschaftlichen Prinzipien widersprechenden Systems. Ein Dreipersonenhaushalt (durchschnittlicher Stromverbrauch 3.400 kWh) bezahlt heuer somit knapp 630 Euro mehr für seine Stromrechnung als 2011, den Löwenanteil davon auf Grund eines vernunftwidrigen Alleingangs der Bundesrepublik, der zudem die Stabilität der Energieversorgung des Landes nachhaltig gefährdet.

Bereits im Frühjahr 2021, also lange vor der Verschärfung der Situation durch den russischen Einmarsch in die Ukraine, schrieb der Bundesrechnungshof in einem Sonderbericht unter anderem: „Die Annahmen des BMWi für die Bewertung der Dimension Versorgungssicherheit am Strommarkt sind zum Teil unrealistisch oder durch aktuelle politische und wirtschaftliche Entwicklungen überholt. Das BMWi geht von teils zu optimistischen und teils unplausiblen Annahmen zur Sicherheit der Stromversorgung aus.“ Und weiter: Es bestehe die Gefahr, „dass die Energiewende in dieser Form den Wirtschaftsstandort Deutschland gefährdet, die finanzielle Tragkraft der letztverbrauchenden Unternehmen und Privathaushalte überfordert und damit letztlich die gesellschaftliche Akzeptanz aufs Spiel setzt“.

Wer naiverweise gehofft hatte, dass mit dem Ende der Ära Merkel eine Wende zum Besseren eintreten würde, sah sich alsbald getäuscht.

Bestes Beispiel ist der Umgang von Bundeswirtschaftsminister Habeck mit den Ergebnissen und Empfehlungen des sogenannten „Stresstestes“, den vier große Energieunternehmen im Auftrag des Wirtschaftsministeriums erstellten. Dabei verharmloste er in der Vorstellung des Berichts nicht nur die keineswegs eindeutigen Aussagen zur Versorgungssicherheit, sondern ignorierte zudem die klare Empfehlung der Unternehmen angesichts der drohenden Energieengpässe: Alle drei Atomkraftwerke sollten im sogenannte Streckbetrieb weiterlaufen, also die aktuellen Brennstäbe weiternutzen. Wirtschaftsminister Habeck hat sich aus ideologischen Gründen über diese Empfehlung hinweggesetzt. Er will, dass lediglich zwei der Anlagen, Isar 2 in Bayern und Neckarwestheim in Baden-Württemberg, eine sogenannte „Einsatzreserve“ bilden. Neue Brennstäbe sollen dafür nicht verwendet werden.

Ideologie statt Sachpolitik

Pikant an diesem aus technischer Sicht ohnehin hanebüchenen Vorschlag ist, dass das dritte Atomkraftwerk im Emsland zum Jahresende ganz abgeschaltet werden und nicht einmal als „Reserve“ dienen soll. Sachliche Gründe für diese Entscheidung gibt es nicht, wohl aber politische, denn in Niedersachsen wird im Oktober gewählt!

Wohl nicht zu Unrecht kritisierte der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz Habecks Entscheidung gegenüber der „Neuen Osnabrücker Zeitung“: „Die Grünen in der Ampel in Berlin sind ganz offensichtlich von den Grünen in Niedersachsen unter Druck gesetzt worden, das Kernkraftwerk Emsland gegen alle Vernunft abzuschalten … Der Scholz-Regierung scheinen grüne Befindlichkeiten wichtiger zu sein als das Risiko eines Stromausfalls.“

Doch so peinlich, ideologiegetrieben, unverfroren, bürger- und wirtschaftsfeindlich diese Entscheidung Robert Habecks auch ist, ermöglicht wurde sie erst durch den energiepolitischen Amoklauf der Regierung Merkel. Der Fluch der bösen Tat, des 2011 von der Kanzlerin im Alleingang beschlossene Atomausstiegs, könnte sich im kommenden Winter auf dramatische Weise erfüllen.

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