Donnerstag, 21. November 2024

Explodierende Gaspreise: Die Krise ist hausgemacht

Wie politisch motivierte Entscheidungen Wirtschaft und Wohlstand ruinieren. Ein Gastbeitrag von Frank W. Haubold

Großspurig verkündete Bundeswirtschaftsminister Habeck bereits im April dieses Jahres, es sei gelungen, den Anteil von russischem Erdgas am bundesdeutschen Gesamtaufkommen auf 35 Prozent zu verringern. Bis Ende 2022 solle er nur noch 30 Prozent betragen und 2024 gar nur noch 10 Prozent.

Was aus politmedialer Sicht wie eine gute Nachricht klingt, nämlich eine Verringerung der Abhängigkeit vom russischen Staatskonzern Gazprom, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als Hiobsbotschaft für Wirtschaft und Verbraucher. Denn der Gasbedarf sinkt trotz aller Maßhalteappelle der Politik hierzulande allenfalls marginal, weshalb der heute und zukünftig reduzierte Anteil russischen Erdgases durch Lieferungen anderer Anbieter ersetzt werden musste und muss.

Erfolgreiche US-Kampagne gegen Nordstream 2

Dies geschieht nach dem Willen der Politik in erster Linie durch den Ankauf verflüssigten Erdgases (LNG) vornehmlich aus den USA, was im Übrigen einer der Hauptgründe für die letztlich erfolgreiche US-Kampagne gegen Nordstream 2 war.

Um dieses Flüssiggas wie um den verfügbaren Rohstoff überhaupt tobt nun ein harter Preiskampf, der in erster Linie für den rasanten Anstieg der Gaspreise auf dem Weltmarkt verantwortlich ist. Die „Berliner Zeitung“ schreibt dazu: „Der Ankauf von US-amerikanischem Flüssiggas (LNG) ist extrem teuer für die europäischen Endkunden und wirft zugleich sagenhafte Profite für die Lieferanten ab.“ und zitiert das Wirtschaftsmagazin „Fortune“ dahingehend, dass die Europäische Union gewillt sei, „jeden Preis“ zu zahlen. Europa sei bereit, „die Heizkosten für alle Bürger weiter in die Höhe zu treiben, um die Versorgung mit Erdgas für den kommenden Winter zu sichern“.

Das Blatt zitiert weiter den französisch-britischen Investmentbanker und Energieexperten Laurent Segalen, der gegenüber dem Business Insider (BI) angab, Unternehmen würden in den USA ein großes Schiff füllen und es für rund 60 Millionen Dollar (etwa 59 Millionen Euro) über den Atlantik schicken, wobei die Ladung dann in Europa rund 275 Millionen Dollar (knapp 270 Millionen Euro) einbringen würde.

Falls sich also der Bürger die Frage stellt, weshalb sich seine Heizungskosten demnächst vervielfachen, sind die satten Profite US-amerikanischer Unternehmen durch den politisch motivierten Ersatz russischer Erdgaslieferungen durch überteuertes US-Flüssiggas ein durchaus relevanter Teil der Antwort. Zitat: „Diese Gewinne werden den US-Unternehmen von den deutschen Konsumenten unter anderem mit der vom Bundeswirtschaftsminister verordneten Gasumlage gezahlt. Zugleich wurden und werden die Gasrechnungen für Privatpersonen und Unternehmen laufend erhöht.“

Ist an der Gasumlage Russland schuld?

Aber wie kamen die Bundesrepublik und andere EU-Staaten überhaupt erst in dieses Dilemma? Eine politmedial oft und gern wiederholte These lautet: Russland liefere aus politischen Gründen zu wenig Erdgas und treibe die Preise in die Höhe. Versucht man jedoch, den Wahrheitsgehalt solcher Behauptungen zu hinterfragen, stößt man wie die Redaktion des Schweizer Portals „Infosperber“ bei ihren Recherchen auf eine Mauer des Schweigens.

Die Redaktion fragte bei den großen Importeuren Uniper und RWE entsprechend nach und erhielt ebenso wenig eine Antwort wie vom Verband der Schweizer Gasindustrie und dem Schweizer Bundesamt für Energie. Der SRF, der zuvor verbreitet hatte, Gazprom liefere Deutschland weniger Gas als vertraglich vereinbart, musste auf Nachfrage zurückrudern. Zitat: „Diese Aussage hätten wir in dieser Absolutheit so nicht machen sollen. Da die Lieferverträge nicht offengelegt werden, sind auch die Mindestliefermengen nicht bekannt.“

Wahrscheinlich ist jedoch, dass bestimmte Importeure wie die RWE in vorauseilendem Gehorsam gegenüber der Politik bewusst ihr Vertragsvolumen reduziert haben. Zitat RWE-Sprecherin: „Zu Beginn des Krieges hatten wir insgesamt 15 Terawattstunden bis 2023 unter Vertrag. Jetzt haben wir unser finanzielles Engagement auf weniger als 4 Terawattstunden reduziert.“

Obwohl das vereinbarte Vertragsvolumen offenbar nicht einmal der Bundesregierung bekannt ist, wird mit Behauptungen Stimmung gemacht, die sich nicht verifizieren lassen und die sich irreführenderweise auf die mögliche Maximalauslastung der Pipelines beziehen. „Infosperber“ hierzu: „Kaum ein Medium stellte die Frage, ob denn Gazprom vertraglich tatsächlich verpflichtet ist, die maximal mögliche Menge an Erdgas an westliche Abnehmer zu verkaufen. Das ist nicht der Fall.“ Der schon seit dem Vorjahr erhobene Vorwurf, Gazprom bediene den gestiegenen Bedarf im Europa nicht, ist angesichts der von der EU forcierten Abkehr von langfristigen Lieferverträgen zum Einkauf über Börsen beinahe naiv zu nennen, da eine Mehrangebot seitens Gazprom an den Börsen zum Preisverfall führt.

Nordstream 2 auf Anweisung der USA gestoppt

Ob und in welchem Umfang die zeitweilige Drosselung des Durchsatzes von Nordstream 1 tatsächlich durch eine bis heute nicht gelieferte Turbine beziehungsweise Überholungsbedarf an anderen verursacht wurde, lässt sich aus der Ferne nicht beurteilen. Es ist durchaus denkbar, dass Gazprom und damit Russland die Gelegenheit genutzt haben, um den westlichen Sanktionswirrwarr ad absurdum zu führen, der eine direkte Rücklieferung der Turbine nach Russland verhinderte. Die Engpässe wären aber gegenstandslos, wenn die Bundesrepublik das Milliardenprojekt Nordstream 2 nicht auf Anweisung der USA gestoppt hätte.

Wie es um die Souveränität der Bundesrepublik nicht nur in dieser Frage steht, wurde auf der gemeinsamen Pressekonferenz von US-Präsident Biden und Bundeskanzler Scholz im Februar 2022 überdeutlich. Zitat: „US-Präsident Joe Biden findet klare Worte, sollte Russland mit ‚Panzern und Truppen‘ in die Ukraine einmarschieren. Es würde das Aus für die umstrittene deutsch-russische Gaspipeline Nord Stream 2 bedeuten, sagte Biden bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Bundeskanzler Olaf Scholz am Montag im Weißen Haus. Auf die Frage, wie er das bei einem Projekt unter deutscher Kontrolle bewerkstelligen wolle, sagte Biden: ‚Ich verspreche Ihnen, dass wir es schaffen werden.‘“ Da die USA weder direkt noch indirekt an dem Projekt beteiligt waren, gibt es für diese anmaßende Äußerung nur eine Erklärung: Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland ist gegenüber den USA weisungsgebunden. Erhellend auch, dass die Bundesregierung in vorauseilendem Gehorsam das Projekt bereits am 22. Februar 2022 stoppte, also noch vor der russischen Invasion in die Ukraine.

Die Zeche für diesen Unterwerfungsakt gegenüber den USA, der keine sachliche nachvollziehbare Basis hat, zumal selbst die angegriffene Ukraine gar nicht daran denkt, auf russische Erdgaslieferungen zu verzichten, bezahlen die bundesdeutschen Gaskunden in Wirtschaft und Privathaushalten. Sie tragen nicht nur die exorbitant gestiegenen Gaspreise, sondern mittelbar über die Gasumlage auch die Abschreibungen von Konzernen wie Uniper, die den Bau von Nordstream 2 mitfinanzierten. Die Bundesregierung unterstützt den strauchelnden Konzern bislang mit satten 15 Milliarden Euro aus Steuergeldern, die sie über die Gasumlage wieder eintreibt.

Naive Gemüter könnten nun fragen, inwiefern die Lieferung russischen Erdgases über die Pipeline Nordstream 2 nun schändlicher und moralisch verwerflicher wäre als die über Nordstream 1, zumal das Argument einer höheren Versorgungssicherheit gerade in Anbetracht der Unsicherheit der über Krisenländer wie die Ukraine oder Weißrussland führenden Land-Pipelines kaum von der Hand zu weisen sein dürfte. Sie dürften auch weiter fragen, inwieweit man Russland für die völkerrechtswidrige Invasion der Ukraine durch eine politisch motivierte Verringerung der vertraglich gebundenen Liefermenge bestraft, die zwangsläufig zu drastischen Preissteigerungen und damit zu enormen Gewinnen für den russischen Staatskonzern führt. Auch könnte man die Frage stellen, welchen Sinn es hat, Russland in eine antiwestliche Allianz mit China, Indien und anderen Staaten zu treiben, die als potentielle Abnehmer der von der EU verschmähten russischen Rohstoffe bereits in den Startlöchern stehen.

Massive Konsequenzen für die bundesdeutsche Wirtschaft

Die politisch motivierte Abkehr von einer Lieferbeziehung, die selbst im kalten Krieg Bestand hatte, führt bereits heute zu massiven Konsequenzen für die bundesdeutsche Wirtschaft, wie der erst dieser Tage der durch Ministerpräsident Hasselhoff bekannt gegebenen gaspreisbedingten Produktionsstopp der Stickstoffwerke Piesteritz, dem größten mitteleuropäischen Düngemittelhersteller, deutlich wurde. Die absurde Folge des Produktionsausfalls: Die Kunden müssen nun auf Düngemittel aus Russland ausweichen, die von den Sanktionen ausgenommen sind!

Und nein, dieser Beitrag ist kein Plädoyer dafür, angesichts des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine einfach zur Tagesordnung überzugehen und „business as usual“ zu betreiben, aber wenn man die Verantwortlichen schon sanktionieren möchte, dann sollte man es so tun, dass man dem eigenen Land nicht größeren Schaden zufügt als dem Adressaten. Vor allem aber sollte man sich aber die Frage stellen: Was kommt danach? Wie wird unsere Welt aussehen, wenn der Ukrainekrieg – wie auch immer – beendet ist? Soll die Bundesrepublik dauerhaft alle Brücken nach Russland abbrechen und sich zudem auch noch mit China anlegen, wie es Außenministerin Baerbock bereits ebenso undiplomatisch wie realitätsvergessen vorexerziert hat? Wie dürfte ein Konflikt zwischen einem russisch-chinesischen Block und dem mit Gender-Mainstreaming und Kulturbereinigung ohnehin hinreichend beschäftigten Westen wohl langfristig ausgehen?

Zum Schluss sei noch an den bundesdeutschen Amtseid erinnert, der hierzulande inzwischen allerdings längst zur Makulatur verkommen ist: „Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde.“ Von einer übergeordneten Gehorsamspflicht gegenüber atlantischen Globalisten und ukrainischen Politikern steht da nichts. Wie die Realität aussieht, überlasse ich dem Urteil des Lesers.

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David Berger
David Bergerhttps://philosophia-perennis.com/
David Berger (Jg. 1968) war nach Promotion (Dr. phil.) und Habilitation (Dr. theol.) viele Jahre Professor im Vatikan. 2010 Outing: Es erscheint das zum Besteller werdende Buch "Der heilige Schein". Anschließend zwei Jahre Chefredakteur eines Gay-Magazins, Rauswurf wegen zu offener Islamkritik. Seit 2016 Blogger (philosophia-perennis) und freier Journalist (u.a. für die Die Zeit, Junge Freiheit, The European).

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