Freitag, 26. April 2024

Sido und die Journalunken: Heimliche Sympathien

(David Berger) Ein Video macht seit gestern Abend die Runde und sorgt für Diskussionen: Es zeigt, wie BILD-Reporter den Rapper Sido interviewen wollen bzw. offensichtlich unerwünscht dessen privaten Wohnsitz belagern, um ihn zu provozieren. Was ihnen dann auch gelingt. 

Sido lässt sich nichts gefallen, schlägt die Bildzeitungsmitarbeiter in die Flucht:

Sympathien für Sido

Während die Bild vermutlich gehofft hatte, durch die Veröffentlichung des Materials, Entsetzen und Aversionen gegen das Verhallten Sidos auszulösen, scheint nun das Gegenteil der Fall:

Die übergroße Mehrheit der Kommentatoren in den sozialen Netzwerken zeigt sich begeistert von dem Verhalten Sidos: Er habe der Journalunken-Meute endlich gezeigt, wie widerlich ihr Verhalten sein – so oder ähnlich die meisten Kommentare.

Auch wenn ich mich dafür ein bisschen schäme, muss ich gestehen, dass auch mich in solchen und ähnlichen Fällen immer öfter eine unangenehme, vermutlich etwas infantile Sympathie für Sido & Co beschleicht.

Heimliche Freude über Widerstand

Ein solches seltsames, auf den ersten Blick schwer erklärbares Gefühl tauchte bei mir nicht das erste mal beim Ansehen des Videos auf. Das war in letzter Zeit immer wieder so, wenn sich ganze „Gruppen von jungen Männern“ – anscheinend mit einem sicheren Instinkt für vorgetäuschte Gefahren und einem gesunden Selbstbewusstsein gegenüber Amtsautoritäten, denen jede Personautorität abhanden gekommen ist – gegen die völlig widersinnigen Corona-Regeln durch schlichte offensive Nichteinhaltung positioniert haben.

Und die Ordnungskräfte, die in anderen Fällen schon mal gehbehinderte alte Frauen übelst schikanieren, wenn sie die Gesichtsmaske nicht genauso aufgesetzt haben, wie sich das angeblich gehört, hier nun ängstlich wegschauen.

Was kann man gegen falsche Gefühle tun?

Ja, es ist ein Gefühl anarchistischer Freude, das mich da beschleicht und für das ich mich als jemand, der den Rechtsstaat liebt und unter allen Umständen verteidigen möchte, sofort schäme. Aber was kann man schon gegen Gefühle tun? Auch sie haben ja irgendwo ihre Ursachen, die man sich rational erklären kann…

David Berger
David Bergerhttps://philosophia-perennis.com/
David Berger (Jg. 1968) war nach Promotion (Dr. phil.) und Habilitation (Dr. theol.) viele Jahre Professor im Vatikan. 2010 Outing: Es erscheint das zum Besteller werdende Buch "Der heilige Schein". Anschließend zwei Jahre Chefredakteur eines Gay-Magazins, Rauswurf wegen zu offener Islamkritik. Seit 2016 Blogger (philosophia-perennis) und freier Journalist (u.a. für die Die Zeit, Junge Freiheit, The European).

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