Die Wiederaufnahme der Gottesdienste scheidet offensichtlich die deutschen Geister. So genannte alternative, eucharistiefreie Formen scheinen bei manchen Theologen im Trend und bestimmen das zentrale Thema der kirchlichen Diskussionen. Unterbrochen nur von jenen um die leidige Kirchensteuer und das beginnende Klagen ob zu erwartender „schmerzlicher“ Einbußen. Ein Gastbeitrag von Dr. Juliana Bauer
Seit dem 27.April nehmen die Nachrichten zu: zu den möglichen öffentlichen Gottesdiensten. Die Betonung scheint mir auf „möglich“ zu liegen. Schauen wir einmal auf eine Auswahl Deutschland betreffend: „Bistum Trier hofft auf öffentliche Gottesdienste am Wochenende“, „Gottesdienste in Bayern ab 4.Mai wieder möglich“, „Dome in NRW öffnen am Wochenende wieder für Gottesdienste,“ „Bistum Würzburg verbietet weiterhin Hl. Messen“ u.a., u.a. (Domradio, kath net).
Als ich in meinem Heimatbistum Freiburg surfte, fand ich auf der Hauptplattform des Erzbistums einen Text des Erzbischofs „Religionsfreiheit und Risiken austarieren. Erzbischof Burger äußert sich zu möglichen Gottesdiensten.“ Doch suchte ich vergeblich nach Vorschlägen für „mögliche(n) Gottesdienste(n).“ Eine Nachricht aber lässt bereits Vorfreude erahnen: „Noch in der Nacht am Montag um 0.05 Uhr“ (kath net, 1.Mai). Ein Dekan des Bistums Regensburg wird am 4.Mai zu diesem Zeitpunkt die erste öffentliche Eucharistie nach sieben Wochen feiern und damit das Fest der Auferstehung nachholen.
Italien und Frankreich: Wiederaufnahme der Gottesdienste?
Aus Italien vernimmt man mittlerweile Aufmüpfiges. Nachdem zunächst recht Einvernehmliches von Seiten der Regierung und der Bischofskonferenz zu hören war –die Innenministerin hatte immerhin mit dem Beginn der Lockerungen am 4.Mai baldige Gottesdienste in Aussicht gestellt – kam von Premier Conte am 27.April der Paukenschlag: „noch viele Wochen“ wird es bis zur Aufnahme von Hl. Messen dauern. Die italienischen Bischöfe reagierten offensichtlich empört und verschärfen derzeit den Ton. Beobachter sprachen gar schon von einem Sturm, der sich ankündige. In einer Stellungnahme heißt es u.a.: „Die italienischen Bischöfe können es nicht akzeptieren, dass die Ausübung der Religionsfreiheit in Frage gestellt wird“ (obwohl sie am 1.März in vorauseilendem Gehorsam den Weg dazu ebneten).
Dann wird u.a. auf den so wertvollen „Dienst an den Armen“ verwiesen, der aus dem Glauben, „insbesondere dem sakramentalen Leben“ erwachse (kath.info). Mit dieser Aussage möchten die Bischöfe wohl ihren ersten Vorgängern, den Aposteln, und den Christen der frühen Kirche folgen (?), die aus dem Evangelium heraus, aus dem gemeinsamen Gebet und dem Brotbrechen den Dienst an den Menschen, vor allem den Kranken und Bedürftigen lebten. Und vor allem auch in Phasen von Epidemien, wie der Gründer von San Egidio in Rom, Andrea Riccardi in seiner ersten Kritik an den Gottesdienstausfällen deutlich herausstellte (kath net 1.März).
„Mangelnde Achtung den gläubigen Christen gegenüber“
Wie sie z.B. auch in Neapel oder im Erzbistum Paris von vielen ehrenamtlichen Christen seit Ausbruch der Coronapandemie gelebt wird – unter denen auch, gerade in den Pariser Armenhäusern, der Erzbischof selbst immer wieder anzutreffen ist (Die Solidarität geht nicht in Quarantäne, PP, 10.April; Covid19 Message de Mgr Michel Aupetit du 30 mars/März, auch im April 2020 u.a.).
Auch unter den Christen in Frankreich gärt es. Französische Nachrichten sprechen von einem Drängen der Katholiken bezüglich der Wiederaufnahme der Hl. Messe. Bischöfe betonen gleich ihren italienischen Amtskollegen das Recht auf das sakramentale Leben der Gläubigen und das mit diesem eng verknüpfte humanitär-soziale Engagement. Sie nennen das Vorhaben ihrer Regierung, ab dem 11.Mai zwar allgemeine Lockerungen des strengen Reglements einzuführen, jedoch die religiösen Zeremonien und Gottesdienste bis zum 2.Juni weiter zu verbieten, bei allem „Verständnis“ „inakzeptabel“ und sprechen von „mangelnder Achtung den gläubigen Menschen gegenüber“ (communiqué der französischen Bischofskonferenz, Interview mit Mgr Rougé, 28.April, KTO). Nach neuesten Informationen wollen die Bischöfe ab dem 29.Mai und damit für das Pfingstfest öffentliche Gottesdienste erwirken (Stellungnahme des Vorsitzenden der Bischofskonferenz, Mgr Moulins-de Beaufort, 30.April, KTO).
Wort-Gottesdienst versus Eucharistie in Deutschland?
Kehren wir zunächst nach Deutschland zurück. Im Themenkatalog steht auch hier die Wiederaufnahme von Gottesdiensten an oberster Stelle. Dabei werden insbesondere Diskussionen um Gottesdienstformen und Vorsichtsmaßnahmen aller Variationen gewälzt – Diskussionen, die allmählich den Anschein haben, eine unendliche Geschichte zu werden. Dazwischen steht immer wieder die Frage nach der Eucharistie. Die Eucharistie: sie macht das Herzstück, die Seele der katholischen Liturgie aus, ja sie stellt „die Quelle und den Höhepunkt des (gesamten) christlichen Lebens“ dar, wie es der Erzbischof von Paris in einer Predigt formulierte (Homélie Mgr Michel Aupetit, KTOTV, Messe du 15 mars/März 2020).
Sie scheint aber einigen Hirten und anderen Theologen nördlich der Alpen in ihrer Bedeutung dem Gedächtnis zu entschwinden. Diese Herren überschlagen sich geradezu mit Feststellungen und Vorschlägen von diesem Mittelpunkt weg. Man wolle natürlich „nichts gegen die Eucharistie … sagen,“ beklagt aber zugleich eine „eucharistische Fixiertheit“ einiger Amtsträger, wo es doch gerade jetzt, nach der erzwungenen Abstinenz, viele „alternative“ Gebets- und Gottesdienstformen gebe (Kranemann, Liturgiewissenschaftler, Domradio, 29.April).
Für wie naiv halten die Bischöfe die Gläubigen?
Der künftige Augsburger Bischof verweist ebenso auf die „alternativen“ Formen, denn nicht „jeder Anlass brauche die Eucharistie.“ Er wolle die „Frage nach der Messfeier“ auf keinen Fall „zum Kampfplatz um die Religionsfreiheit“ machen (katholisch.de, 26.April). Nein, das wäre in der Tat nicht gut. Aber der Ausverkauf des liturgischen Herzstückes der katholischen Christenheit ist noch weniger gut.
Kein Mensch, verehrte Bischöfe und Professoren, hat etwas gegen so genannte alternative Gebetsformen oder möchte diese unterbinden – wobei mir dieses Modewort „alternativ“, das wir nun sicherlich bis zum Überlaufen hören oder lesen müssen, bereits zum Hals heraushängt. Welche Bedeutung messen Sie denn diesem Wort für Ihre Gottesdienstformen bei? Sind diese „anders, abweichend (von wem oder was?), entgegengesetzt (wem oder was?), unterschiedlich, abwechselnd, lassen sie zwischen zwei“ oder mehreren „Möglichkeiten die Wahl“? Und glauben Sie im Ernst, dass die Christen, katholische wie evangelische, nicht immer schon „alternative“ Gottesdienste zu den Messfeiern bzw. ihren Haupt-Gottesdiensten kannten?
Ich kenne z.B. die so genannten Taizé-Gebete. Gebetszusammenkünfte, die einen Reichtum an Liedern, an Schriftlesungen, Gebeten und poetischen Texten entfalten. Analog zu den tageszeitlichen Gebeten oder der Lichterfeier in Taizé selbst. Ich kenne die Abendgebete von San Egidio in Rom mit ihren wunderbaren mehrstimmigen Gesängen. Ich kenne die Vesper-Gottesdienste, in denen aus der Fülle der herrlichen Psalmen des Tanach/Tenach, der hebräischen Bibel, geschöpft wird, die auch Jesus von Nazareth betete oder rezitierte. Es gibt viele Andachtsformen, in der Sprache der jeweiligen Epochen. So gehören die Taizé-Gebete in die heutige Zeit. Im 14. Jahrhundert z.B. entwickelten sich, in Verbindung mit der Entstehung der Pietà-und der Schmerzensmann-Skulpturen, meditative Andachten zur Gottesmutter als Schmerzensmutter und zu Christus als Schmerzensmann.
„Die Eucharistie – dieses Rendezvous der Liebe“ mit Christus
Das Herzstück der katholischen (wie auch der orthodoxen) Liturgie aber bleibt die Eucharistie, das „Rendezvous der Liebe“ mit Christus, wie sie Michel Aupetit, der Erzbischof von Paris, bezeichnet (Predigt 15.März 2020, Saint-Germain l‘Auxerrois). In den Wochen des confinement widmete er in seinen Predigten der Eucharistie verstärkt einige Gedanken.
So auch am vergangenen 3.Sonntag in der Osterzeit. Vor dem Hintergrund der beinahe schon unerträglichen Diskussionen zu Gottesdienst, Messe/Eucharistie, Handkommunion, Zangenkommunion (die neue, fast kabarettreife „Kreatividee“ in der Deutschen Bischofskonferenz!) möchte ich hier einen Blick auf diese Homilie Mgr Aupetits werfen, in der er der Messliturgie seine Aufmerksamkeit schenkte (Predigt 26.April 2020, Saint-Germain l‘Auxerrois).
„Seit anderthalb Monaten“, erinnerte er seine mehrere tausend, über streaming mitfeiernden Gläubigen, „ist uns die Messe entzogen. Daher ist es an der Zeit darüber nachzudenken, was sie eigentlich ist. Habt ihr gesehen, wie die Messe aufgebaut ist?“ Der Erzbischof hielt es also „an der Zeit,“ die Gläubigen, die sich von der Messzeremonie physisch entfernt befanden, (wieder) mit deren Kernpunkten vertraut zu machen.
Auf den Entzug der Messe eigens hinzuweisen, war ihm offenbar sehr wichtig. Bevor ihm möglicherweise deutsche Amtskollegen „Eucharistie-Fixiertheit“ vorwerfen, sei darauf verwiesen, dass auch er die Eucharistie nie von Schrift und Überlieferung trennt. So räumte er auch dem Wortgottesdienst mit seinen Schriftlesungen einen wesentlichen Platz ein. Er erläuterte seinen Zuhörern, vor allem anhand des Tagesevangeliums (Lk 24, 13-35), in dem Jesus seinen Gefährten auf dem Weg nach Emmaus die Hl. Schrift und deren Sinn erschloss, die Bedeutung der biblischen Texte als Wort Gottes, als Worte, die zwar von Menschen verkündet und aufgeschrieben wurden, jedoch vom Hl. Geist inspiriert seien. Dabei unterstrich Michel Aupetit die Faszination der Texte als Gottes Wort (da sie ansonsten, wären sie gewöhnliche Worte – wie er treu seinem spitzbübischen Humor einwarf – sie doch eher zum Einschlafen reizten, was seinen Zuhörern, wenn sie doch ehrlich wären, wohl sicher auch schon passiert sei…).
Das Leibliche als wesenhaft zum Katholizismus gehörendes Element
Zum entscheidenden Moment seiner Predigt wurde der Moment, als er vom Brotbrechen sprach – das Brotbrechen, das ebenso im vorliegenden Evangelium den zentralen Augenblick darstellte und den Erzbischof Aupetit den Gläubigen als Mittelpunkt der Messe in Erinnerung rief: „…Jesus… … gibt sich durch das Brechen des Brotes zu erkennen. Für die frühen Christen bedeutet das Brechen des Brotes die Messe. Und dadurch gibt sich Jesus zu erkennen. … hier ist sein Leib wirklich gegenwärtig.“ Michel Aupetit versteht es, die leibliche Gegenwart Jesu in Brot und Wein und damit in der Eucharistie seinen Zuhörern anschaulich nahezubringen. Liegt in solcher Vermittlung der Schlüssel für Wertschätzung und Verständnis auch bei Theologen? Das Brechen des Brotes wird zum Erkennungszeichen, zum Erkennungszeichen für Christus und seine Gegenwart wie auch in der Folge für die Christen. „Sie blieben aber beständig in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft und im Brotbrechen und im Gebet“ (Apg 2,42).
Für den Erzbischof von Paris, dessen Wunsch an die Christen es ist, Christus in der Eucharistie als dem „Rendezvous der Liebe treuer zu werden“ (Predigt, s.o., 15.März 2020), wäre es – wie auch sicherlich für viele seiner Gläubigen – undenkbar, die eucharistische Feier auch nur zeitweise mit „alternativen“ Gottesdienstformen auszutauschen, sieht er doch die gesamte Messe als spirituelle Nahrung für den Menschen, als das „was uns nährt, was uns leben lässt…“. Ergänzend zu den biblischen Schriften, d.h. dem Wort Gottes, die er als Nahrung des Geistes versteht, sieht er in der Eucharistie, in der Gegenwart Jesu die Nahrung für „unsere Seele“ und „unseren Leib“ (Predigt, s.o., 26.April 2020). In einer früheren Predigt verdeutlichte Michel Aupetit diese Glaubenswahrheit hinsichtlich der Ganzheitlichkeit des Menschen sowie hinsichtlich seines Heils sehr ausdrucksvoll „…unseren Leib …nährt… Jesus in der Eucharistie mit seinem Leib …, aber auch, um uns das ewige Leben zu schenken“ (Predigt 15.August 2019, Saint Sulpice).
Die französischen Bischöfe arbeiten darauf hin, am Pfingsttag, dem Fest des Hl. Geistes, wieder mit den Gemeinden Eucharistie feiern zu können. Daher möchte ich abschließend einige Gedanken von Erzbischof Aupetit zum Geist Gottes, dessen Wirken er bei den Erläuterungen zur Messfeier, zur Wandlung von Brot und Wein wie auch im Hinblick auf unsere Zukunft immer wieder ins Spiel brachte, aufgreifen: „…wir sind wie die ersten Jünger nach der Auferstehung Jesu und warten auf das, was er uns versprochen hat: den Heiligen Geist. Wir erwarten am Ende des confinement, der Ausgangs- und Kontaktsperre … den Heiligen Geist… Wir erwarten sehnsüchtig den Pfingsttag, dass der Heilige Geist kommt und unsere Herzen entflamme!“
Mein Wunsch für unser Land aber ist: möge der Hl. Geist allen verantwortlichen Kirchenleuten und Politikern insbesondere Weisheit und Verstand, Weitsicht und Demut und – – – Mitgefühl für die Schwächsten verleihen…
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