Sonntag, 24. November 2024

Warum Gesetze gegen Hassrede gefährlich sind

Im November 2019 feierten die Deutschen den Zusammenbruch der Berliner Mauer und die Wiedervereinigung Deutschlands 30 Jahre zuvor. Im gleichen Monat sprach sich Bundeskanzlerin Angela Merkel in einer Rede vor dem Deutschen Bundestag für mehr Einschränkungen der Meinungsfreiheit für alle Deutschen aus. Ein Gastbeitrag von Fjordman.

Sie warnte davor, dass die Meinungsfreiheit Grenzen hat:

„Diese Grenzen beginnen dort, wo gehetzt wird, sie beginnen dort, wo Hass verbreitet wird, sie beginnen dort, wo die Würde anderer Menschen verletzt wird und dagegen müssen und werden wir uns stellen in diesem Hause und das werden wir auch hinbekommen, meine Damen und Herren, denn sonst ist diese Gesellschaft nicht mehr das, was sie mal war.“

Merkel erhielt großen Applaus.

Kritiker würden jedoch behaupten, dass das Beschneiden der Freiheit zum Schutz der Freiheit ein wenig orwellianisch klingt. Eine der ersten Handlungen eines Tyrannen oder eines repressiven Regimes ist in der Regel die Abschaffung der Meinungsfreiheit. Merkel sollte dies wissen: Sie lebte unter einem repressiven Regime — in der kommunistischen Diktatur der DDR, wo sie an der Karl-Marx-Universität studierte.

Der Erste Verfassungszusatz der Vereinigten Staaten schützt die Meinungsfreiheit, insbesondere die regierungskritische Rede, und verbietet dem Staat, die Meinungsfreiheit einzuschränken. Der Erste Zusatzartikel wurde an die erste Stelle der Bill of Rights gesetzt, weil die amerikanischen Gründerväter erkannten, dass die Meinungsfreiheit für eine freie Gesellschaft grundlegend ist. Das sagte US-Präsident George Washington dazu:

„Denn wenn man Menschen daran hindert, ihre Gefühle in einer Sache zu äußern, dann kann das die schwersten und alarmierendsten Folgen haben … dann nützt uns die Vernunft nichts; die Meinungsfreiheit könnte uns genommen werden, und stumm und schweigend würden wir wie Schafe zur Schlachtbank geführt.“

Ohne Meinungsfreiheit kann man nicht wirklich frei sein. Die Meinungsfreiheit existiert gerade zum Schutz der Minderheit vor der Tyrannei der Mehrheit.

Was genau ist „Hassrede“, und wer bestimmt das? Diejenigen, die die Gerechtigkeit lieben, hassen gewöhnlich auch die Ungerechtigkeit. Aber was ist Gerechtigkeit? Soziale Gerechtigkeit? Wirtschaftliche Gerechtigkeit? Ökologische Gerechtigkeit? Religiös-fundamentalistische Gerechtigkeit? Klimagerechtigkeit?

Hass mag eine negative Emotion sein, aber man kann Emotionen nicht verbieten. Auch Neid und Eifersucht werden weithin als negative Gefühle angesehen. Dennoch verbieten wir sie nicht. Neid auf Menschen, die reicher sind als man selbst ist wohl überall Bestandteil sozialistischer und marxistischer Parteien.

Das Konzept des „Hassverbrechens“ ist ebenfalls misslungen. Wenn man Menschen beraubt, angreift oder ermordet, ist das unabhängig von der Motivation des Angreifers oder des Opfers gleichermaßen schädlich. Wir sollten keine unterschiedlichen Strafen haben, je nachdem, ob das Opfer ein schwuler schwarzer Mann, ein heterosexueller weißer Mann, eine muslimische Frau oder eine christliche Nonne ist, sonst werden wir am Ende eine Art juristisches Kastensystem haben.

Obwohl das Rechtssystem nicht auf Gefühlen oder Emotionen basieren sollte, sehen wir eine zunehmende Tendenz zu dieser Subjektivität. Es besteht die Tendenz, bestimmte Standpunkte zu zensieren, weil sie andere „beleidigen“ könnten. Das Problem ist, dass es nicht die harmlosen Dinge sind, die geschützt werden müssen, es sind die beleidigenden Dinge, um die es geht. Als in den USA die Nationalsozialistische Partei Amerikas durch Skokie, Illinois, die Heimat vieler Holocaust-Überlebender, marschieren wollte, entschied der Oberste Gerichtshof, dass das Recht der Nazis auf freie Meinungsäußerung eine Unterdrückung der Demonstranten außer Kraft setzt. Laut dem Bill of Rights Institute:

„In diesen Fällen, National Socialist Party of America v. Village of Skokie (1977) und Brandenburg v. Ohio (1968), entschied der Oberste Gerichtshof, dass der Erste Verfassungszusatz das Recht des Einzelnen schützt, seine Meinung zu äußern, auch wenn diese Ansichten von den meisten Menschen als äußerst beleidigend angesehen werden…

„Der amerikanische Schriftsteller Noam Chomsky sagte: ‚Wenn wir nicht an die Meinungsfreiheit von Menschen glauben, die wir verachten, glauben wir überhaupt nicht daran. Personen, die unpopuläre Meinungen äußern, sind durch den Ersten Verfassungszusatz geschützt. Der Erste Verfassungszusatz verhindert, dass Mehrheiten Ansichten zum Schweigen bringen, mit denen sie nicht einverstanden sind — selbst Ansichten, die die Mehrheit der Menschen in ihrem Innersten beleidigend findet.“

Möglicherweise werden viele Dinge, die Menschen sagen, als beleidigend für jemanden, irgendwo, angesehen. Im Jahr 1600 wurde Giordano Bruno als Ketzer auf dem Scheiterhaufen lebendig verbrannt, weil er gesagt hatte, dass das Universum kein Zentrum hat und Sterne Sonnen sind, die von Planeten und Monden umgeben sind. Die Erkenntnisse von Charles Darwin wurden 1925 durch den „Scopes Monkey Trial“ in Frage gestellt, als ein Lehrer in Tennessee, John T. Scopes, angeklagt wurde, durch das Unterrichten der menschlichen Evolution gegen Staatsrecht verstoßen zu haben.

Noch vor wenigen Jahren war es unumstritten, zu behaupten, dass es nur zwei biologische Geschlechter gibt. Immerhin ist dies eine Tatsache, die ziemlich eindeutig erscheinen sollte. Doch in letzter Zeit ist selbst diese einfache Aussage explosiv geworden. Als die Tennismeisterin Martina Navratilova die Fairness in Frage stellte, im Sport Transgender-Männer gegen Frauen antreten zu lassen, war sie schließlich gezwungen, sich „zu entschuldigen„.

In Großbritannien verlor vor kurzem ein Arzt, David Mackereth, nach mehr als drei Jahrzehnten seine staatliche Stelle als medizinischer Gutachter, weil er sich weigerte, seine Ansicht, dass das Geschlecht bei der Geburt bestimmt wird, aufzugeben.

Menschen, die behaupten, „Hass“ zu bekämpfen, scheinen selbst oft ziemlich hasserfüllt zu sein. Manche Amerikaner behaupten, dass US-Präsident Donald J. Trump ein Rassist sei, doch sie selbst bringen einen offenen Hass gegen Trump und diejenigen, die für ihn stimmen, zum Ausdruck. Sie haben kein Problem mit Hass. Sie scheinen bloß zu glauben, dass ihr Hass der einzig legitime ist.

Im Jahr 2013 wurde dem amerikanischen Gelehrten Robert Spencer von den britischen Behörden die Einreise nach Großbritannien verboten. Spencer ist Autor zahlreicher Bücher über den Islam und betreibt die Website Jihad Watch.

Die Sure 9:5 des Korans besagt als Vers:

„Und wenn nun die heiligen Monate abgelaufen sind, dann tötet die Heiden, wo (immer) ihr sie findet, greift sie, umzingelt sie und lauert ihnen überall auf! Wenn sie sich aber bekehren, das Gebet verrichten und die Almosensteuer geben, dann laßt sie ihres Weges ziehen! Gott ist barmherzig und bereit zu vergeben.“

Über die genaue Übersetzung dieses Verses lässt sich streiten, aber das arabische Verb qatala bedeutet im Allgemeinen, jemanden zu töten, zu erschlagen oder zu ermorden. Wie kommt es, dass es in Ordnung ist, die Originalquelle zu veröffentlichen, die Mord vorschreibt, dass es aber „Hassrede“ ist, auf dieses Zitat hinzuweisen?

Robert Spencer und andere haben zum Beispiel beobachtet, dass Vers 9:5 und andere intolerante Verse im Koran wiederholt von militanten Muslimen zitiert werden, um Dschihad-Angriffe und Gewalt zu rechtfertigen (zum Beispiel hierhier und hier). Aber auch andere religiöse Bücher enthalten Gewalt, wie der Gelehrte Bruce Bawer betont:

„Manchmal, wenn man auf diese Regeln hinweist, antworten die Leute: ‚Nun, die Bibel sagt auch das und das.‘ Es geht nicht darum, dass diese Dinge in der islamischen Schrift geschrieben stehen, sondern dass immer noch Menschen nach ihnen leben.“

Muslime in Großbritannien und anderen westlichen Nationen sind frei, Lehren zu verbreiten, die voller Hass gegen Nicht-Muslime sind. Da jedoch Nicht-Muslime wie Robert Spencer darauf hingewiesen haben, dass einige Lehren hasserfüllt sind und zu tatsächlichen Gräueltaten geführt haben, haben die britischen Behörden Spencer wegen der Verbreitung von „Hass“ die Einreise verboten.

Man sieht also, dass Einschränkungen gegen „Hassrede“ oft nicht wirklich ein Verbot von Hassrede sind; stattdessen schützen sie manchmal bestimmte Formen von Hassrede vor legitimen Ermittlungen.

Gesetze gegen „Hassrede“ und „Rassismus“ führen immer zu politischer Zensur, weil die Definition dessen, was „Hass“ ausmacht, immer von Politik und Ideologie beeinflusst wird. Gesetze gegen Hassrede oder Rassismus sollten daher außer Kraft gesetzt werden. Kein Mensch hat das Recht, „nicht beleidigt zu werden“. Redefreiheit bedeutet, Dinge zu sagen und zu hören, mit denen man nicht einverstanden sein muss. Wichtig bleibt, dass man sie sagen und hören kann.

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Fjordman, ein norwegischer Historiker, ist ein Experte für Europa, den Islam und den Multikulturalismus. Der Beitrag erschien zuerst bei Gatestone-Institut. Übersetzung Daniel Heiniger.

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