Donnerstag, 21. November 2024

Brief an einen Pianisten

Sehr geehrter Herr Levit,

in der letzten Zeit ist mir Ihr Name öfter begegnet. Zuletzt in der Meldung, dass Sie eine Morddrohung erhalten hätten, kurz davor in der Nachricht, dass Sie mit dem Internationalen Beethoven-Preis ausgezeichnet wurden. Noch bevor ich irgendetwas über Sie wusste, noch bevor ich Sie mit Beethoven und klassischer Musik in Verbindung bringen konnte, haben Sie sich mir mit folgendem Satz eingeprägt:  AfD´ler „haben ihr Menschsein verwirkt“. (Der Tweet stammt aus dem Jahr 2015 und wurde in der Talkshow „Maybritt Illner“ zitiert. Er war die Reaktion auf eine Lüge eines AfD-Mitgliedes.)

Die antisemitische Morddrohung ist schlimm und durch nichts zu rechtfertigen. Ich weiß nicht, ob sie etwas mit diesem Satz zu tun hat. Er geht mir nach, und seit ich ihn gelesen habe, frage ich mich, ob es nicht der furchtbarste Satz ist, den ich in meinem Leben gehört habe.

Ein typischer Fall von „Hate speech“? Nein, es ist mehr als Hass, was daraus spricht, es ist ein Vernichtungs-, ein Auslöschungswunsch. Nein, es ist noch mehr als das: die Anmaßung eines letzten Urteils, das im christlichen Denken allein Gott im Jüngsten Gericht zusteht.

Stellen Sie sich vor, Sie dürften in Ihrem Leben keine Taste mehr anrühren

Stellen Sie sich vor, Sie dürften in Ihrem Leben keine Taste mehr anrühren. Sie wissen und spüren, Musik ist Ihr Leben, Sie haben eine Gabe und müssen sie totstellen für immer, sie wird Ihnen untersagt, nicht, weil sie sie nicht haben, sondern weil Sie ihrer nicht wert sind – und doch ist sie da, lebendig begraben… das ist nicht annähernd so schlimm wie das, was Sie gesagt haben, denn Mensch sein ist mehr als Pianist sein…

Ich weiß, wovon ich spreche, denn ich bin selbst Musikerin und liebe die Klaviersonaten Beethovens; ich weiß natürlich auch, dass ich mich mit einem Pianisten wie Ihnen nicht vergleichen kann!

Zwei Fragen beschäftigen mich in der Konfrontation mit Ihrer Behauptung.

Erstens, ob man bestimmte Menschengruppen grundsätzlich aus dem Menschsein ausschließen darf.

Ich gehe davon aus, dass Sie mit „Menschsein“ eher positive menschliche Eigenschaften gemeint haben, also alles, was „Humanität“ genannt wird: dazu gehören Liebesfähigkeit, Empathie, Sinn für Gerechtigkeit, Ablehnung von Destruktivität und Grausamkeit .

Schließen Sie eine Menschengruppe aus dem Menschsein aus, sprechen Sie ihr alle positiven menschlichen Eigenschaften ab. Sie schließen auch aus, dass ein Individuum dieser Gruppe Glück empfinden kann oder Schmerz oder Sehnsucht nach Gott oder einer Art von Transzendenz. Wer aus dem Menschsein ausgeschlossen ist, kann folgerichtig auch nicht mehr als ein Mensch behandelt werden. Er hat keine Menschenwürde mehr. Wer als Nicht-Mensch definiert ist (auch „Pack“, „Ratte“, „Mob“), darf in der Konsequenz straflos gequält, verhöhnt, versklavt, getötet, ohne Prozess hingerichtet werden. Für die Nationalsozialisten waren diese Nicht-Menschen die Juden. Den korangläubigen Muslimen gelten alle „Ungläubigen“ als Untermenschen, die grundsätzlich anders als die zur Umma Gehörigen behandelt werden (mit Versklavung, Kopfsteuer, Töten).

Auch als Christin darf ich aus Notwehr töten

Ich muss zugeben, dass es Menschen(-gruppen) gibt, in denen ich Menschliches im oben genannten Sinne nicht erkennen kann. Einen Säugling vergewaltigen, jemandem langsam den Kopf abschneiden – dazu gehört schon einiges. Die Fähigkeit, grausame Handlungen durchzuführen, ist ein Aspekt des Bösen. Auch wenn wir Christen zu Feindesliebe und Freundlichkeit zu Fremden aufgerufen sind, fühle ich mich nicht dazu verpflichtet, einen mit gezücktem Messer auf mich zustürzenden Fremden an mein Herz zu drücken, sondern ich darf und soll mich selbst und die Meinen, meine Familie, meine Kinder, meine Freunde und andere arglose Unschuldige schützen, sonst werde ich ihnen und auch mir gegenüber schuldig. („Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“, sagt die Bibel – und nicht ausschließlich Feinde und Fremde, wie Regierung und Kirchenchristen es uns gegenwärtig nahezulegen scheinen.) Ich darf auch als Christin mich von Menschen, die mir und meinen Nächsten gefährlich und schädlich sein können, fern halten bzw. sie von mir fern halten und unter Umständen auch in Notwehr töten. Ich wünsche mir einen Staat, der mich und andere Schutzlose beschützt und notfalls auch mit Waffen verteidigt. Es kann sogar sein, dass gelegentlich Hass aufkeimt – Hass ist eine Realität, von der gerade diejenigen am meisten besessen sind, die ihn verbieten wollen – aber ich werde über keinen Menschen ein letztes Urteil fällen, auch nicht über den Kinderschänder und den Islamisten. Es ist nicht auszuschließen, dass es Menschen gibt, die ihr Menschsein verwirkt haben – aber es steht mir nicht zu, zu entscheiden, wer das ist.

Zweitens, wie die fragliche Menschengruppe (die AfD) beschaffen ist.

Für jede Menschengruppe gilt: nicht alle. Es ist so banal, und doch wird so oft pauschalisiert: nicht alle Migranten sind Kriminelle, nicht alle Deutschen sind Nazis, nicht alle Muslime sind böse Menschen, nicht alle Polizisten sind Bullen, und so sind auch nicht alle AfD-ler Nazis. (Wobei „Nazis“ und „Bullen“ als Schimpfwörter gebraucht werden, die nichts Inhaltliches aussagen.) Über die AfD als Partei kann ich nichts sagen, weil ich selbst noch nicht weiß, was ich von ihr halten soll. Darum nur ein paar sprechende Einzelheiten.

„Ich weiß, was das für Leute sind, die da kommen!“

Die AfD kann man nicht mit der historischen NSDAP in eins setzen. Es gibt ganz gewiss unter AfD-Mitgliedern und Sympathisanten Menschen, deren Denken Parallelen zu dem früherer Nationalsozialisten aufweist. Die AfD-Führung bemüht sich aber, sich von extremen Rechten zu trennen. Zu den in diesem Zusammenhang unverständlichen Dingen gehört, dass sie sich nicht von Björn Höcke und seinem „Flügel“ distanziert. Es geht wohl schlicht um Wählerstimmen vom rechten Rand. Die AfD zeigt sich – entgegen der Stimmungsmache in den Mainstream-Medien – juden- und israelfreundlich. Es gibt „Juden in der AfD“ – die offenbar Vertrauen haben. Die AfD lehnt die Hamas-Konferenz in Berlin ab. Sie möchte den Al-Quds-Tag verbieten. Es gibt einen Schwarzen in der AfD (Homib Mebrahtu)– der nach eigenem Bekunden Anfeindungen erlebt, weil er in der AfD ist, nicht aber, weil er Schwarzer ist. Es gibt weitere Mitglieder mit Migrationshintergrund, unter anderem Leyla Bilge, eine zum Christentum übergetretene Kurdin, die sich sehr für Flüchtlinge und für Frauen engagiert. Die Ehefrau eines AfD-Politikers – eine Jesidin – weinte, als sie 2015 die vorwiegend aus jungen Männern bestehenden Flüchtlingsströme im Fernsehen sah, und sagte: „Ich weiß, was das für Leute sind, die da kommen!“ Die AfD ist die einzige der deutschen Parteien, die die weltweite Verfolgung von Christen anprangert, ja überhaupt erwähnt. Sie möchte die christlich-abendländische Kultur erhalten – und wird von deutschen Kirchenchristen angefeindet, die den Begriff „christliches Abendland“ ablehnen (Kardinal Marx). Die AfD wird vom Evangelischen Kirchentag ausgeschlossen – ein Ihrem Satz vergleichbares, unendlich diskriminierendes Vorgehen, weil Menschen sich anmaßen zu entscheiden, wen Gott garantiert nicht liebt. AfD-Politiker haben (im Unterschied zu vielen Politikern anderer Parteien) in der Regel eine abgeschlossene Berufsausbildung und lange Berufserfahrung und hätten es nicht nötig zu riskieren, das Auto abgefackelt und die Hauswand beschmiert zu bekommen, krankenhausreif geschlagen zu werden und zunehmend um ihr Leben fürchten zu müssen. Selbst wenn man die Inhalte ihrer Politik überhaupt nicht mag, muss man ihnen doch einen gewissen Idealismus und große Tapferkeit und Leidensbereitschaft bescheinigen. Anders als die von SPD, Linken und Grünen und auch der CDU gehätschelte Antifa, die gewaltaffin ist, aber dabei absolut regierungskonform (sie verhindert zum Teil mit brutaler Gewalt Demonstrationen gegen Merkel und demonstriert für GEZ-Gebühren), zeigen AfD-ler echten Mut. Es gibt AfD-ler, die in die Politik gehen, weil sie an die Zukunft ihrer Kinder und Enkelkinder denken. Ich vermute auch, dass manche Menschen in die AfD gehen, um sie mitzugestalten – um zu verhindern, dass sie ganz nach rechts abdriftet.

Das ist, wie gesagt, von meiner Seite kein politisches Statement. Ich nenne Fakten und menschliche Hintergründe, sehe (u.U. leidvolle) Erfahrungen und Motivationen. Diese Hintergründe hebe ich hervor, weil Sie, dem Mainstream gehorchend, AfD-ler entmenschlicht haben.

Hass, Hetze und Gewalt sehen Sie, ganz Mainstream-konform, ausschließlich auf der rechten Seite

Noch ein paar Sätze zu Ihrem im „Tagesspiegel“ veröffentlichten Statement anlässlich der Morddrohung. Mein Eindruck: Sie leben vom Mainstream und sind darum dessen willfähriges Werkzeug. Ihre Diagnose des gesellschaftlichen Klimas ist zutreffend, nur völlig einseitig. Hass, Hetze und Gewalt sehen Sie, ganz Mainstream-konform, ausschließlich auf der rechten Seite – wo dergleichen natürlich auch zu verorten ist. Sie ignorieren aber entscheidende Fakten, wie etwa den von Muslimen ausgehenden Antisemitismus. Frauenfeindlichkeit und Homophobie sind ebenfalls Bestandteil des islamischen Weltbildes. Sie ignorieren die linksextreme Antifa, die auf der Internetseite  „Indymedia“ zu Morden und zum Bürgerkrieg aufruft. Die Antifa ist eine m.E.  völlig unterschätzte Bedrohung. Ihr „verdankt“ die Regierung den Umstand, dass die Bürger Deutschlands ausgesprochen wenig aufmucken. Sie schreiben, dass „Verbrechen, die Migranten begehen, schriller bewertet werden als solche von Deutschen“. Es ist anders:  Von den vielen von Migranten begangenen Verbrechen werden nur einige ganz spektakuläre, wenn Meldungen darüber bereits im Internet kursieren, auch in den Mainstream-Medien erwähnt. Migranten werden in der Regel milde und oft „kultursensibel“ bestraft. Ich könnte mit Belegen dafür Seiten füllen; jede Meldung lässt sich verifizieren. Wenn Migrantenverbrechen „schriller“ bewertet werden, wie Sie sagen, dann liegt es vielleicht daran, dass viele Bürger empört sind über das Bestreben, diese Folgen von Merkels Politik unter den Teppich zu kehren. Wenn die Medien einfach die Wahrheit sagen  würden – das hätte schon eine deeskalierende Wirkung! Man kann sich zu Recht fragen, ob Deeskalation überhaupt gewünscht ist. Ob ich meine, dass Europäer bzw. Deutsche die „besseren“ Menschen seien? Keineswegs! Jede Ethnie hat auch ihre spezifische Verbrechenskultur. Messerverbrechen und Clan-Kriminalität findet man vorwiegend bei Orientalen, die Deutschen sind leider Gottes „groß“ im Spitzelwesen und Denunziantentum – davon zeugen der Nationalsozialismus und die DDR-Zeit, aber auch die Zeit der Hexenverfolgung (nachzulesen bei Manfred Lütz/Arnold Angenendt, Der Skandal).

Von den Opfern von Migrantenverbrechen erfährt man, wenn überhaupt, manchmal Erschütterndes. In Offenburg ist ein alter Mann von einem Flüchtling aus Somalia zum Pflegefall geprügelt worden, aber für die Kosten der Pflege müssen die beiden Söhne aufkommen. Es gibt keinerlei finanzielle Unterstützung, obwohl ihnen Leistungen nach dem Opferschutzgesetz zustehen würden. Die Schulden sind inzwischen sehr hoch, die Familie ist verzweifelt (bild.de,1.1.2020).

Wären Schicksale wie dieses nicht ein Anlass für ein Benefizkonzert? Oder für Kollekten im Gottesdienst?  So etwas macht man natürlich nicht, weil es a) in erster Linie als Diffamierung von Migranten verstanden werden würde und b) ein offenes Eingeständnis der fatalen Folgen der Migrationspolitik wäre. Beides wäre „Wasser auf die Mühlen der Rechten“. (Der Spendenzweck müsste ja gar nicht genau benannt werden. Nur „für Opfer von Verbrechen, die in großer existenzieller Not sind“.  Es geht doch nur darum, dass Menschen, die der Staat völlig allein lässt, finanzielle Hilfe bekommen. Es sieht so aus, dass manche Hilfeleistungen bald in aller Heimlichkeit geschehen müssen.)

Manchmal erwäge ich, eine paradoxe Intervention zu versuchen. Wenn in guter Gesellschaft (liebe Menschen, oft furchtbar nette Christen) über „Rechte“ hergezogen wird, möchte ich rufen: „Na gut, dann sollte man sie töten.“ Und wissen Sie, warum ich das nicht tue? Weil ich die Antwort fürchte. Es scheint mir, als würde wieder eine Zeit kommen, in der alle „JA!“ schreien. Ganz im Sinne von Merkels Aufruf: „Kampf gegen rechts ohne Tabus“.

„Es gibt keinen Frieden, wenn der Weg nicht schon Frieden ist.“

Ich möchte es lieber mit Luther halten: „Es gibt keinen Frieden, wenn der Weg nicht schon Frieden ist.“

Ihnen, lieber Herr Levit, wünsche ich beileibe keinen frühen Tod, sondern im Gegenteil, ich wünsche Ihnen, dass Sie noch lange leben und die weiteren gesellschaftlichen Entwicklungen beobachten können und damit die Chance haben, Ihren Blick auf die Welt zu ändern. Ich habe wahrscheinlich unrettbar positive Vorurteile gegenüber Musikern, die ich für sensible und damit auch geistig flexible Menschen halte.

Mit freundlichen Grüßen,

eine Musikerin

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