Donnerstag, 21. November 2024

SPD-Mitgliederentscheid – der Fall in die Bedeutungslosigkeit

Die Mitgliederentscheidung von 54 Prozent aller SPD-Mitglieder ist so ausgefallen, wie sie kaum jemand erwartet hatte: 53:45, also 53 Prozent für Kurswechsel gegen 45 Prozent für Beibehalten. Das ist eine deutliche Entscheidung der gut 200.000 Sozialdemokraten, die sich an dieser Abstimmung beteiligt haben – eine faustdicke Überraschung und eine überdeutliche Absage an die Große Koalition! Deutschland stehen turbulente Wochen bevor. Schwarz-Rot steht so sehr auf der Kippe wie wohl nie zuvor. Ein Gastbeitrag von Peter Helmes

Die SPD hat mit dieser Entscheidung ganz offen und ungeschminkt gezeigt, wie es in der Partei aussieht: Mehr Rot, mehr Grün – aber kein Schwarz mehr. Damit droht der SPD in Deutschland eine Erfahrung, die die Sozialisten in Frankreich schon hinter sich haben: der Fall in die Bedeutungslosigkeit.

Damit ist eigentlich alles gesagt. Die SPD kann „zumachen“, der Chronist seine Kladde schließen. Denn was jetzt kommt, darüber kann man nur noch spekulieren. Seriös voraussagen kann man die Turbulenzen im Todeskampf der Sozialdemokratie nicht.

Wie Ertrinkende werden die Funktionäre nach Luft schnappen, werden alte Bastionen räumen, um „den Anschluß nicht zu verpassen“. Sie tun mir leid; denn sie werden den Anschluß verpassen, weil sie nicht einmal wissen, wo der Zug steht – und schon gar nicht wissen, wohin er fährt, außer ins Nirwana. Das aber soll nicht weit vom „Paradies auf Erden“ liegen.

Also: Rote Träume werden wahr? Oder was?

Da sei mir ein Seitenhieb auf die Union erlaubt. Liebe Christdemokraten und Christsozialen, schaut genau hin, was in der SPD los ist! Es ist die Blaupause für Zustand und kommende Entwicklung auch in der Union.

Die Eckpfeiler sind:

  • eine abgehobene Parteiführung, die nicht nur nicht weiß, was die Basis – vulgo: das Volk – denkt
  • ein Parteiprogramm, das in den Schubladen vermodert (was vielleicht gut so ist), und damit:
  • eine Partei, die orientierungslos eine Politik nach Belieben treibt und Entscheidungen fällt, die den kommenden Generationen unerträgliche Belastungen auflädt
  • ein Funktionärskader, der wider besseres Wissen jede Volte der Parteiführung mitträgt und die tradierten Werte der Partei verrät
  • eine erloschene – genauer: unterdrückte – Diskussions- und Diskurskultur
  • eine echte und schamlos zur Schau gestellte Arroganz der Macht
  • eine Partei, die ihre einst große internationale Reputation verspielt (hat)

Zurück zur SPD: Sie hat Nachverhandlungen des Koalitionsvertrages gefordert, sie möchte einen höheren Mindestlohn noch in dieser Legislaturperiode durchsetzen, sie möchte das Klimapaket neu aufschnüren, mehr Geld für den Kampf gegen den Klimawandel und noch mehr Geld für den „Kampf gegen rechts“ bereitstellen.

Weiterhin GroKo?

Die designierten SPD-Chefs Esken und Walter-Borjans machten den Fortbestand von Nachverhandlungen des Koalitionsvertrags abhängig. Die Federführung dürfte dabei in den Händen des Jusos-Vorsitzenden Kevin Kühnert liegen.

Esken kündigte an, man werde auf dem Parteitag in der kommenden Woche darüber debattieren, inwieweit noch eine Chance auf Fortführung des Bündnisses mit der Union bestehe. Sie plädierte für massive Investitionen und eine Anhebung des Mindestlohns. Kurz nach ihrem Sieg verlangte sie außerdem einen deutlich höheren CO2-Preis von 40 statt 10 Euro pro Tonne. Auf Nachfrage, ob andernfalls ein Ausstieg aus der Großen Koalition komme, sagte sie in der ARD: „Wir werden beim Parteitag diskutieren, wie wir damit umzugehen haben.“

Walter-Borjans sagte, er wolle über das Klimapaket und eine Politik des sozialen Zusammenhalts reden. Während des Auswahlverfahrens hatten beide die Große Koalition scharf kritisiert, einen Ausstieg aus dem Bündnis aber nicht explizit gefordert.

Die Neugewählten können gar nicht anders; denn das neue Duo steht im Wort. Nach den lauten Worten in der langen Kandidatenkür können sie nicht kneifen, sie müssen jetzt liefern.

Da klappern die morschen Gebeine

Damit aber sind Hürden aufgebaut, über die die Union, wenn sie noch alle Tassen im Schrank hat, kaum wird gehen können. Und tatsächlich: Die CDU in Gestalt ihrer Vorsitzenden hat mit leicht geschwollener Brust sofortigen Widerstand angekündigt. Und der schwache „starke Mann“ hinter ihr, Generalsekretär Ziemiak, betonte, die Vereinbarung sei die Grundlage für die Arbeit des Regierungsbündnisses. An dieser Grundlage habe sich nichts geändert.

Da klappern die morschen Gebeine, da schlottern die Knie! Aber, aber, was wird passieren? Nichts, Freunde, nichts! Die CDU wird die Große Koalition nicht aufkündigen, sondern – unter allerlei Verrenkungen und mittels phantasievoller Begriffsneudefinitionen – den Kotau vor der neuen SPD-Führung üben. Denn eine inzwischen in der CDU in Stein gemeißelte Erfahrung lautet: „Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern!“

Der Beitrag erschien zuerst bei CONSERVO

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