Sonntag, 22. Dezember 2024

„Mariä Opferung“ – oder: Es gibt nichts Unkatholischeres als Antisemitismus

(David Berger) In Zeiten, in denen der deutsche Durchschnittskatholik schon ratlos ist, wenn es um die Frage geht, was an Pfingsten oder Fronleichnam denn nun genau gefeiert wird, steht er dem heutigen Fest „Mariä Opferung“ völlig hilflos gegenüber. Dabei zeigen sich an diesem Fest sehr schön zahlreiche wichtige „Basics“ der Catholica. Unter anderem ihre enge Bindung an das Judentum.

In der orientalischen Kirche wird das Marienfest „Mariä Opferung“ bereits seit dem 6. Jahrhundert begangen, wo es gleich über vier Tage hin gefeiert wird. In die römisch-katholische Kirche hielt das Fest im Zuge der aus dem Heiligen Land zurückkehrenden Kreuzfahrer unter dem Namen „Praesentatio Beatae Mariae Virginis“ Einzug, im Deutschen sehr frei mit „Mariä Opferung“ wiedergegeben.

Bereits 1472 wurde es von Papst Sixtus IV. für die gesamte römisch-katholische Kirche festgeschrieben. Aufgrund der engen Bindung an den Tempel von Jerusalem heißt es seit einigen Jahrzehnten auch „Gedenktag Unserer Lieben Frau in Jerusalem“

Gefeiert wird – wie der Titel bereits andeutet – die Darbringung („Opferung“) der dreijährigen Maria im Jerusalemer Tempel als Jungfrau durch ihre Eltern Joachim und Anna nach dem damaligen jüdischen Brauch.

„Und das ganze Haus Israel gewann sie lieb“

Dabei stützt man sich interessanterweise nicht auf eines der vier kanonischen Evangelien, sondern auf das apokryphe Jakobusevangelium, das Folgendes berichtet:

„Dem Kinde aber mehrten sich seine Monate. Es wurde das Kind zweijährig. Und Joachim sagte: ‚Wir wollen es zum Tempel des Herrn hinaufbringen, um das Versprechen einzulösen, das wir abgegeben haben. Sonst schickt der Gebieter Gott zu uns, um es zu holen, und unsere Gabe wird als eine in diesem Fall erzwungene nicht genehm sein.‘ Und Anna sagte: ‚Wir wollen das dritte Jahr zuwarten, damit das Kind nicht bei früherer Trennung nach Vater und Mutter Verlangen trägt.‘ Und Joachim sagte: ‚Dann wollen wir warten.‘ Und das Kind wurde dreijährig. Da sagte Joachim: ‚Rufet die Töchter der Hebräer, die unbefleckten, als Begleiterinnen herbei! Sie sollen je eine Fackel nehmen, und die sollen zur Ablenkung für das Kind brennen, damit das Kind sich nicht nach hinten umdreht und sein Herz nicht verführt wird weg vom Tempel des Herrn.‘ Und sie hielten es so, bis sie zum Tempel des Herrn hinaufkamen. Und der Priester nahm Maria in Obhut, küsste und segnete sie und sprach: ‚Groß gemacht hat der Herr deinen Namen unter allen Geschlechtern. An dir wird am Ende der Tage der Herr sein Lösegeld den Kindern Israel offenbaren.‘ und er hieß sie sich auf der dritten Stufe des Altars niedersetzen, und der Herr Gott legte Anmut auf sie. Da begann sie auf ihren Füßen zu tanzen, und das ganze Haus Israel gewann sie lieb. Und ihre Eltern zogen wieder hinab, waren voller Staunen, und sie lobten Gott den Gebieter dafür, dass das Kind sich nicht ihnen zugewandt hatte um bei ihnen zu bleiben. Maria aber war im Tempel des Herrn, wie eine Taube mit ganz wenig Speise sich beköstigend, und empfing Nahrung aus der Hand eines Engels.“

Theologisch steht im Hintergrund der Ehrentitel Marias als perfekte Verkörperung der „Tochter Zion“, als Bild der heiligen Stadt Jerusalem, noch mehr des Tempels durch ihre Gottesmutterschaft: Indem der ersehnte Messias in ihrem Leib heranwuchs und aus ihr geboren wurde, symbolisiert sie den Tempel bzw Tabernakel des neuen Bundes. So heißt es in der Oratio des heutigen Festes:

„Gott, Du wolltest, dass die heilige, allzeit reine Jungfrau Maria, die Wohnung des Heiligen Geistes, am heutigen Tag im Tempel Deinem Dienst geweiht werde: verleihe uns, wir bitten Dich, dass wir auf ihre Fürbitte dereinst im Tempel Deiner Glorie vor Dir erscheinen dürfen.“

Auch dass dieses Fest gegen Ende des Kirchenjahres bzw. kurz vor der Adventszeit gefeiert wird, scheint daher sehr sinnreich.

Es gibt nichts Unkatholischeres als Antisemitismus

Und wird so, wie das Zweite Vatikanische Konzil erklärt hat, zum Urbild der Kirche:

Im Geheimnis der Kirche, die ja auch selbst mit Recht Mutter und Jungfrau genannt wird, ist die selige Jungfrau Maria vorangegangen, da sie in hervorragender und einzigartiger Weise das Urbild sowohl der Jungfrau wie der Mutter darstellt.

„Die selige Jungfrau ist aber durch das Geschenk und die Aufgabe der göttlichen Mutterschaft, durch die sie mit ihrem Sohn und Erlöser vereint ist, und durch ihre einzigartigen Gnaden und Gaben auch mit der Kirche auf das innigste verbunden. Die Gottesmutter ist, wie schon der heilige Ambrosius lehrte, der Typus der Kirche unter der Rücksicht des Glaubens, der Liebe und der vollkommenen Einheit mit Christus. Im Geheimnis der Kirche, die ja auch selbst mit Recht Mutter und Jungfrau genannt wird, ist die selige Jungfrau Maria vorangegangen, da sie in hervorragender und einzigartiger Weise das Urbild sowohl der Jungfrau wie der Mutter darstellt. Im Glauben und Gehorsam gebar sie den Sohn des Vaters auf Erden, und zwar ohne einen Mann zu erkennen, vom Heiligen Geist überschattet, als neue Eva, die nicht der alten Schlange, sondern dem Boten Gottes einen von keinem Zweifel verfälschten Glauben schenkte. Sie gebar aber einen Sohn, den Gott gesetzt hat zum Erstgeborenen unter vielen Brüdern (Röm 8,29), den Gläubigen nämlich, bei deren Geburt und Erziehung sie in mütterlicher Liebe mitwirkt.“ (Lumen gentium)

Zugleich betont auch dieses Fest die enge Verbindung der Catholica mit dem Judentum – und damit mit Jerusalem bzw. Israel. Und wird so wie viele andere Leitmotive des katholischen Lebens zum klaren Signal, dass es nichts Unkatholischeres gibt als Rassismus, Judenhass bzw. Antisemitismus.

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David Berger
David Bergerhttps://philosophia-perennis.com/
David Berger (Jg. 1968) war nach Promotion (Dr. phil.) und Habilitation (Dr. theol.) viele Jahre Professor im Vatikan. 2010 Outing: Es erscheint das zum Bestseller werdende Buch "Der heilige Schein". Anschließend zwei Jahre Chefredakteur eines Gay-Magazins, Rauswurf wegen zu offener Islamkritik. Seit 2016 Blogger (philosophia-perennis) und freier Journalist (u.a. für die Die Zeit, Junge Freiheit, The European).

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