(David Berger) Das Ergebnis der Landtagswahl in Thüringen kam nicht unerwartet und doch werden heute die Altparteienpolitiker und viele Mainstreammedien in ihren Kommentaren den gewohnten Besorgnishabitus anlegen. Und fragen: Wie konnte es soweit kommen, dass die Parteien am linken und rechten Rand zahlenmäßig die Union und die SPD als Volskparteien abgelöst haben?
Das vorläufige amtliche Endergebnis aus Thüringen ist da. Und im Hinblick auf die ersten Hochrechnungen hat sich kaum etwas verändert – außer dass es die Grünen (5,2 %) sicher, die FDP (5.0 %) ganz knapp in den Landtag geschafft haben. Die historisch einmaligen schlechten Werte für Union (21,8 %) und SPD (8,2 %) haben sich ebenfalls kaum verändert. Und als die großen Gewinner können sich die Linke mit 31,0 und die AfD mit 23,4 Prozent sehen. Die „Bild“ spricht von „Schockergebnissen“.
Vor allem junge Menschen wählten die AfD
Höcke erreicht in seinem Wahlkreis weniger Erststimmen als die AfD Zweitstimmen erhalten hat, sein Wahlkreis geht an die CDU
Bei der Analyse der Wahlergebnisse stellen sich natürlich nicht nur Fragen nach der noch vorhandenen Legitimität der Merkel-Koalition, die hier ganz eindeutig abgestraft wurde, nach den Ursachen, warum ausgerechnet ein Bundesland, das bis ’89 die längste Zonengrenze der der DDR hatte, die Nachfolger der Mauerpartei zur stärksten Kraft wählt; warum sich gerade junge Menschen für die Linke und die AfD entschieden haben. Und natürlich, wem die Bundes-AfD ihren unbestreitbaren Erfolg in Thüringen verdankt.
Für die letzte Frage geben uns die Zahlen zum Wahlkreis Höckes eine aufschlussreiche Antwort: Höcke erreicht in seinem Wahlkreis weniger Erststimmen als die AfD Zweitstimmen erhalten hat, sein Wahlkreis geht an die CDU. Als Gegenbild dazu der bewusst mit seinem konservativ-katholischen Profil als AfD-Kandidat in die Wahl gehende Andreas Leupold, der in seinem Wahlkreis mehr Erst- als Zweitstimmen holte (Quelle).
AfD konnte trotz Höcke so stark werden
Ausdruck der desaströsen Situation einer Demokratie, in der ein knappes Viertel der Bevölkerung die AfD wählt, egal wer da für sie kandidiert. Ganz einfach deshalb, weil sie zur „Alternative“ keine Alternative erkennen können.
Dies bestätigt das, was ich gestern Abend schon bemerkte: Während die Linke so viele Stimmen wegen Ramelow holte und obwohl sie das SED-Erbe mit sich herumschleppt, konnte die AfD so deutlich trotz „Flügel“-Führer Björn Höcke so stark punkten. Die Mehrheit der AfD-Wähler in Thüringen hat die AfD trotz, nicht wegen Höcke gewählt. Ausdruck einer desaströsen Situation einer Demokratie, in der ein knappes Viertel der Bevölkerung die AfD wählt, egal wer da für sie kandidiert. Ganz einfach deshalb, weil sie zur „Alternative“ keine Alternative erkennen können.
Damit der Humor nicht zu kurz kommt, ein Tweet der ZDF heute-show: Bernd Höcke ist so durcheinander von seinem Triumph, er hätte sich eben im ZDF-Wahlstudio fast als Landolf Ladig vorgestellt.
Das weiß auch Höcke, der bei der Konfrontation mit genau dieser Hintergrundanalyse gestern in den „Tagesthemen“ im Gespräch mit Ingo Zamperoni – konfrontiert mit dieser Tatsache – komplett die Contenance verlor. Zamperoni hatte ihn gefragt, ob er angesichts der schwachen persönlichen Umfrage-Werte und der enttäuschenden Ergebnisse im eigenen Wahlkreis nicht eher eine Belastung für die Gesamt-AfD sei. Höcke reagierte mit der Beschimpfung von Journalisten, dem Verfassungsschutz und der „Kartell-Parteien“, die ihn zum Teufel gemacht hätten.
Thüringenwahl: Kein Rückenwind für einen Posten im Bundesvorstand
Richtig bemerkt daher auch Dieter Stein, der Chefredakteur der „Jungen Freiheit“, dem man nun wahrlich keine Aversionen gegen die AfD unterstellen kann:
„Der AfD-Spitzenkandidat Björn Höcke wiederum kann aus dem sehr guten Thüringer Ergebnis nicht den von ihm erhofften besonderen Rückenwind schöpfen, der ihn zu höheren Weihen – etwa im künftigen Bundesvorstand – empfehlen würde. Wählerbefragungen zeigen zudem, daß die AfD in erster Linie wegen ihres bundesweit und im Osten errungenen Profils und nicht wegen ihrer lokalen Spitzenkandidaten gewählt wird, der in Thüringen zudem selbst bei AfD-Wählern signifikant schlechtere Sympathiewerte einfährt, als sie der Partei entgegengebracht werden.“
Und weiter in der profunden, messerscharfen Analyse:
„Die CDU ist auch deshalb so schwach, weil sie unter Merkel mit ihrer als „asymmetrische Demobilisierung“ verbrämten skrupellosen Toleranz gegenüber Links und Intoleranz gegenüber Konservativ und Rechts in eine Falle der Selbstentkernung und Selbstmarginalisierung gelaufen ist. Wahrscheinlich ist sie jetzt sogar bereit, in Thüringen skrupellos erstmals eine Regierung der SED-Erben zu dulden, wenn nicht sogar mitzutragen. Damit könnte sie in Zukunft noch mehr ihrer Anhänger in die Arme der AfD treiben.
AfD muss zur Partei der Mitte werden, Höcke & Co am Rand halten
Höcke war hier in der Vergangenheit bekanntermaßen ein denkbar schlechter Stichwortgeber (Dieter Stein)
Der AfD wird es im Gegenzug gelingen müssen, der Stigmatisierung als angeblich rechtsradikaler Partei entgegenzuwirken – und darf hierfür nicht unnötige Anlässe bieten. Höcke war hier in der Vergangenheit bekanntermaßen ein denkbar schlechter Stichwortgeber.
Beim kommenden Bundesparteitag wird sie Zeichen setzen müssen, daß es ihr noch stärker gelingen kann, auch wieder in die Mitte zu integrieren und die Blockade zu durchbrechen, die künstlich gegenüber der AfD erzeugt werden konnte.“
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