Donnerstag, 21. November 2024

Agitprop 4.0: netzpolitik.org macht Ali Utlu zum Rechtsradikalen

Mittlerweile treibt es in manchen Teilen des deutschen Medienbetriebs so bizarre Blüten, dass man zunehmend ein Gefühl dafür bekommt, was Henryk M. Broder mit seiner Aussage „Deutschland ist ein Irrenhaus. Könnte man die Bundesrepublik überdachen, wäre es eine geschlossene Anstalt“ ausdrücken wollte. Ein Gastbeitrag von Dr. Dr. Marcus Ermler

Die Webplattform netzpolitik.org, die sich nach eigener Darstellung als Verfechterin der (digitalen) „Freiheit und Offenheit“ sieht, schreckt nicht davor zurück Ali Utlu, einen bekannten Humanisten, Menschenrechtler und Islamkritiker, der ob seines Engagements wiederholt Zielscheibe von Faschisten, Islamisten und Linksextremen war (mit Morddrohungen, Körperverletzung und Haßnachrichten all inclusive), in einem aktuellen Artikel einem rechtsextremen Narrensaum um den ehemaligen Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen zuzuschreiben.

In all der Zeit wurde ich nicht nur von türk. Nationalisten, Islamisten etc. verfolgt, sondern auch von der Linken Seite als Rassist, Rechter oder Nazi diffamiert. Das alles zusammen ist zuviel für einen Menschen.

David Berger hatte Ali Utlu unlängst getroffen und in einer Nachberichterstattung wie folgt die Auswirkungen von Utlus Engangement beschrieben: „von Islamisten bedroht, von rechts und links diffamiert“. Utlu selbst beschreibt die Folgen seines Kampfes für Humanisums, Menschenrechte und Laizismus und gegen Islamismus, Antisemitismus und Homophobie so:

In all der Zeit wurde ich nicht nur von türk. Nationalisten, Islamisten etc. verfolgt, sondern auch von der Linken Seite als Rassist, Rechter oder Nazi diffamiert. Das alles zusammen ist zuviel für einen Menschen.

Jauchekübelei gegen Menschenrechtler Utlu

Der Artikel, der Utlu zum Nazi macht, ist selbst, wie es ScienceFiles feststellte, „empirisch nichts, projektiv sehr viel […] inhaltlich hat man von dieser ‚Analyse‘ auch nichts“. Weiter stellte ScienceFiles über den Artikel fest: „Es geht, wie gesagt, nicht darum, die eigene Position zu argumentieren, es geht darum, eine als feindlich wahrgenommene Position zu diffamieren.“

Diese Kampagne, und nichts anderes ist es was netzpolitik.org dort betreibt, ist Agitprop vom  Feinsten. Es ist das Prinzip der Jauchekübelei: man wirft umso mehr mit Fäkalien, je
weniger inhaltliche Substanz man aufbringen kann. Besonders widerwärtig wird es, wenn man den entsprechenden Artikel der einst ehrwürdigen FAZ heranzieht. Dort heißt es:

Davor (und auch dahinter) rangieren jedoch auch jede Menge Accounts, die Nachrichten verfälschen und offen rassistisches, rechtsradikales oder rechtsextremes Gedankengut vertreten.“

Der „Softwareentwickler“, der diese Daten für netzpolitik.org aufbereitet hat, – nennen wir ihn lieber „Nazi-Jäger“ und „Daten-Sammler“ – hat grundsätzlich nichts gezeigt, außer dass er schöne Graphen zeichnen kann und rudimentäre Kenntnisse in der softwaretechnischen Datenanalyse besitzt. Der wissenschaftliche Anspruch geht in etwa gegen Null, was mich als Lehrenden der Informatik auch am Curriculum mancher Universitäten zweifeln lässt.

Warum jemand Herr Maaßen folgt und retweetet, kann die unterschiedlichsten Gründe haben: Weil er Maaßens Tweets gerne liest, weil er sie sammelt, um Maaßens Gedankenwelt zu dokumentieren, weil er selbst Journalist ist und Maaßens Tweets reflektiert. Auch die Retweets seiner Follower können so verschiedenartige Gründe haben, dass man daraus grundsätzlich erst einmal gar nichts schließen kann. Würde man beispielsweise meine Artikel auf ihre Links hin stumpf algorithmisch durchsuchen, käme man auf die Idee, ich stünde der Antifa nah, da ich mich publizistisch viel mit Linksextremismus beschäftige.

Wenn Pseudojournalismus Menschen kontaminiert

Hinzukommt, dass es ausreichend viele Menschen geben wird, die zwar Maaßens Tweets lesen, aber nicht verbreiten. Weil sie es vielleicht vergessen haben, es sie nicht interessiert, oder sie gar keinen Twitter-Account haben. Was ist eigentlich mit denen? Hier kämen wir zur Frage der Repräsentativität.

Unser Datensammler hat hier irgendwelche Daten aufgelesen und aufgrund unbewiesener Thesen „Ali Utlu ist rechts“ oder „Don Alphonso ist rechts“ (stehen die so qualifizierten in irgendeinem Verfassungsschutzbericht?) nachgewiesen, dass die Follower von Maaßen alle rechts seien und damit in letzter Konsequenz wohl auch Maaßen selbst. Da man in der Logik aus einer falschen Voraussetzung alles folgern kann und die Gesamtaussage wahr bleibt, hat das natürlich ein Prinzip. Das Prinzip der Jauchekübelei.

In dieser „Logik“ kann man auch nur zu dieser Wertung kommen: „Auf Twitter ist Maaßen eine feste Größe in der rechten Parallelgesellschaft. Personen, die Maaßen retweeten, retweeten viele Accounts, bei denen es zweifelhaft ist, ob sie sich noch im Rahmen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung bewegen“. Nicht nur, dass diese Accounts „rechts“ seien, nun bewegen sie sich nicht einmal mehr im Rahmen der FDGO. Das ist schlicht und einfach Jauchekübelei. Ali Utlu und die anderen zum Teil renommierten Journalisten sollen dort als Nazis disqualifiziert wie kontaminiert werden, denn „rechts“, „rechtsradikal“, „rechtspopulistisch“ und „Nazi“ sind im Duktus des Artikels ohnehin Synonyme.

Utlu wird mit Hass übersät, aber netzpolitik.org sieht sich als Opfer

Dass mein Mailpostfach gerade mit Hass gegen mich überquillt, und ich als Rechtsradikaler diffamiert werde und mir „Preisschilder“ angedroht werden, zeigt das die Message wohl ankam.“ 

Da Utlu nun bereits wiederholt das Ziel von Angriffen war, erhält diese Causa eine spezielle Note. Utlu selbst beschreibt die dramatischen Auswirkungen auf ihn, sein Privatleben und sein politisches Engagement in zwei Tweets vom 15. August 2019 so:

Stundenlang wurde ich als Rechtsradikaler dargestellt, viele Accounts haben das geteilt und ich trage den Schaden. Das ist Rufmord und zu verurteilen. @netzpolitik wußte genau was sie damit anrichten.“ (Tweet vom 15. August 2019, 10:26 Uhr)

Dass mein Mailpostfach gerade mit Hass gegen mich überquillt, und ich als Rechtsradikaler diffamiert werde und mir „Preisschilder“ angedroht werden, zeigt das die Message wohl ankam.“ (Tweet vom 15. August 2019, 10:47 Uhr)

Spätestens hier hätte netzpolitik.org die Gelegenheit gehabt zu intervenieren und sich zu ihrem pseudojournalistischen Agitprop zu bekennen. Doch stattdessen setzen sie in zwei Tweets vom 16. August 2019 noch einen oben drauf und proklamieren „weiterhin daran [zu]arbeiten, Licht ins Dunkle von rechten Milieus zu bringen, die auch Hass gegen Andersdenkende produzieren“. Diese beiden Tweets bezeugen den vollständigen Realitätsverlust von netzpolitik.org, die nicht Utlu, sondern sich zum Opfer ihrer eigenen Kampagne stilisieren:

Weil unsere Datenanalyse zum Twitter-Account von Maaßen rechte Millieus und ihre Verbindungen offengelegt hat, haben wir einen rechten Shitstorm an der Backe. Klar ist: Wir lassen uns nicht einschüchtern und freuen uns auf Unterstützung!“ (Tweet vom 16. August 2019, 05:54 Uhr)

Wir werden weiterhin daran arbeiten, Licht ins Dunkle von rechten Milieus zu bringen, die auch Hass gegen Andersdenkende produzieren. Wir freuen uns über Unterstützung, sei es durch Gegenrede, Retweets oder Spenden für unsere Arbeit.“ (Tweet vom 16. August 2019, 05:56 Uhr)

Und auch das ist Deutschland im Jahr 2019. Ein Mensch, der sich gegen Homophobie, Islamismus wie Antisemitismus und für Humanismus, Menschenrechte wie Laizismus einsetzt, wird zum Rechtsradikalen deklariert. Die Webplattform netzpolitik.org darf ihren Lesern gerne einmal erklären, was das mit der (digitalen) „Freiheit und Offenheit“ zu tun hat, die sie sich selbst auf die Fahne schreibt.

PP-Redaktion
PP-Redaktion
Eigentlich ist PP nach wie vor ein Blog. Dennoch hat sich aufgrund der Größe des Blogs inzwischen eine Gruppe an Mitarbeitern rund um den Blogmacher Dr. David Berger gebildet, die man als eine Art Redaktion von PP bezeichnen kann.

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