Donnerstag, 26. Dezember 2024

IWF-Tagung auf Bali: Droht eine neue Weltwirtschaftskrise?

Weltweit verdunkeln sich die wirtschaftlichen Aussichten. Die Börsen drohen zu fallieren, der seit Jahren verbreitete Optimismus scheint sich zu verflüchtigen. Merkwürdigerweise scheint das in Deutschland niemanden zu interessieren, auch die Regierung nicht. Sie tut so, „als ob nichts ist“. Die Bayernwahl überlagert offensichtlich jedes andere Thema. Ein Gastbeitrag von Peter Helmes

Ja, blöd, es handelt sich um Wirtschaft, um Volkswirtschaft. (Davon versteht eh niemand etwas – oder jeder etwas anderes.) Der damalige von Clintons Wahlkampfstrategen James Carville geprägte Slogan wurde (weltweit) populär: „It´s the economy, stupid!“ (frei übersetzt: „Es ist die Wirtschaft, verdammter Mist“) und hat den Democrats in den USA mächtigen Aufwind beschert.

Nun gut, was schert das Geschwätz von gestern! Uns geht´s gut. Also schlafen wir ruhig weiter! Doch die volkswirtschaftlichen Aussichten stehen in vielen Ländern auf Sturm, auch (und gerade) in Europa. Statt gegenzusteuern, heizen Regierungen wie z. B. Italien den Wertverfall noch mehr an und pfeifen auf ökonomischen Sachverstand genauso wie auf europäische Schuldenregeln. Das sind keine besonders guten Nachrichten; denn die Konjunktur zeigt nach unten – fast überall auf dem Globus.

Daß in den letzten Tagen – just zum alles überlagernden Zeitpunkt der Bayernwahl – auf Bali eine der bedeutendsten Internationalen Wirtschaftskonferenz tagte, die IWF und Weltbank gemeinsam veranstalteten – war deutschen Medien kaum eine Meldung wert. Mit rd. 25.000 Tagungsteilnehmern, darunter Bundesbankpräsident Weidmann und Bundesfinanzminister Scholz, war nahezu die komplette internationale Wirtschaftselite vertreten.

„Übeltäter Trump“

Die meistdiskutierten Stichworte lauteten z. B.: Ungleichheit, Handelskrieg (Argentinien, USA/China z. B.) Italien, der Börseneinbruch. Die Zeichen stehen zumindest auf Unruhe, auf große Unruhe, warnten die Beobachter zu Recht. Und da machen es sich die politisch Korrekten dieser Welt schnell leicht: Donald Trump ist für viele der Übeltäter, was den Protektionismus, Handelskriege, Handelsauseinandersetzungen, Weggehen vom Multilateralismus usw. anbetrifft. Methode „Haltet den Dieb!“

Was sie nicht wahrhaben wollen: Präsident Donald Trump hat genau das auch angepackt, wofür er gewählt worden ist – in Teilen jedenfalls, was Arbeiterklasse, soziale Ungleichheit und Verwerfungen betrifft, und was in den Vereinigten Staaten von allen seinen Vorgängern auch absolut sträflich vernachlässigt worden ist. Einfacher ausgedrückt: Die Basis seines Wahlerfolges sind die Opfer der Globalisierung. Der IWF hat gerade eine Zahl genannt, daß das mittlere Einkommen in den USA gegenüber 2016 nicht höher ist als 1999. Das hat Trump aufgegriffen.

Die Wahrheit tut halt weh, gerade den Linken der Welt! Und: Das hat wenig mit dem Mikrokosmos der Grünen zu tun, die ungern in die Niederung der realen Wirtschaftswelt einsteigen – weshalb auch dort Schweigen im Wald(sterben) herrscht. Grüne und Linke suhlten sich derweil in Beschimpfungen gegen die „böse Welt“ – das sind alle politisch nicht Korrekten – und kümmerten sich einen Kehricht um die Wirtschafts- und Finanzwelt. Igitigitt – „Geld ist schmutzig, aber wir machen eine saubere Politik“, meinen wohl die Pädophilie-, Bevormundungs- und Überwachungsexperten der linksgrünen Politeia.

Gefährliches Sorgenkind Italien mit einer gigantischen Staatsverschuldung

Zurück zur Economy: Auf Bali war das Grummeln schon zu spüren, das die Anleger seit einiger Zeit extrem nervös werden läßt. Es wurde immer deutlicher, daß am Konjunkturhimmel mehr und mehr düstere Wolken auszumachen sind. Da ist zum einen der Handelskrieg zwischen den USA und China. Da sind steigende Zinsen in den USA, die Anleger veranlassen, Kapital aus Schwellenländern wie der Türkei abzuziehen. Und nun verlieren da auch noch die Finanzmärkte Milliarden Euro pro Stunde.

Die Gefahr auch in Europa ist jetzt schon brandaktuell. Die Europäer haben nach Griechenland mit seiner Schuldenlast von rund 180 Prozent der Wirtschaftsleistung inzwischen ein noch gefährlicheres Sorgenkind: Italien, die drittgrößte Volkswirtschaft im Euroraum – mit seiner gigantischen Staatsverschuldung, die offenkundig nicht beherzt angegangen werden soll. Im Gegenteil, Die Regierung in Rom will die Neuverschuldung im nächsten Jahr (2019) auf 2,4 Prozent der Wirtschaftsleistung deutlich anheben, obwohl das Land bereits jetzt mit 130 Prozent des BIP (Bruttoinlandsprodukt = gesamte Wirtschaftsleistung eines Landes) so hoch verschuldet ist wie kaum ein anderes Industrieland.

Damit destabilisiert Italien die Eurozone. Mit ihren Plänen verstößt die italienische Regierung zudem gegen die Euro-Spielregeln, mehr als doppelt so viel wie erlaubt. All das liefert schon für sich allein genug Grund zur Sorge. Was aber inzwischen fast noch stärker verunsichert, ist die Beobachtung, daß ökonomische Vernunft offenkundig immer weniger zählt.

Italien muss sich an die europäischen Reglements halten. Das tut es nicht. Zugegeben, man kann ja begründen, welche Art von Verschuldung, Schuldenaufnahme etc. sinnvoll ist für die Stärkung der Wirtschaft. Aber jetzt viele Ausgaben einfach so, fast mit geschlossenen Augen (und Ohren), über Schuldenaufnahme zu finanzieren, das ist ein weiteres Risiko, und wir wissen, daß bei den Banken in Italien ungefähr 280 Milliarden faule Kredite liegen. Da kann ganz schnell, wenn man es ´mal umgangssprachlich sagt, eine Bombe hochgehen, die dringend entschärft werden muß.

Fatale Gönnerrolle Chinas

Viele Entwicklungs- und Schwellenländer drücken inzwischen wieder hohe Schulden, wie der IWF warnte. Eine immer stärkere (und gefährliche) Rolle hat dabei die Volksrepublik China übernommen, die sich als (allzu großzügiger) Gönner gibt, jedoch in Wirklichkeit unverhohlen einen Machtpoker aus politischen und wirtschaftlichen Gründen spielt – wie man gut am Beispiel Pakistan und etlichen afrikanischen Staaten studieren kann, die unter enormer Einflußnahme Chinas stehen und Milliardensummen aus der Volksrepublik erhielten und noch erhalten.

Dieses generöse Verhalten sollte eigentlich alarmieren; denn wenn auch nur einige wenige der kreditnehmenden Staaten in Zahlungsschwierigkeiten geraten und ihren Rückzahlungs- und Zinsverpflichtungen nicht nachkommen können, kann dies schnell zu Problemen in der Weltwirtschaft führen. Argentinien und Pakistan mußten bereits um Finanzhilfen bitten – was gewiß nur die Spitze eines gigantischen Eisberges sein dürfte.

So nimmt es nicht wunder, daß der Internationale Währungsfonds, der als Wächter über die internationale Finanzstabilität gilt, unüberhörbar deutlich vor den Gefahren insbesondere der unvorstellbaren Gesamtverschuldung in der Welt von 182 Billionen Dollar warnt.

Jeder weiß, daß die Staatsverschuldung in den meisten Staaten viel zu hoch und trotz niedriger Zinsen in den letzten Jahren sogar noch weiter gestiegen ist. Doch schier sorglos wurschteln die Staaten weiter und leben weit über den Durst. Nur: Wann, wenn nicht jetzt, wo es konjunkturell gut läuft, sollten diese Schulden reduziert werden?!

Adé, ökonomischer Konsens?

Wenn das Wachstum zu stärker steigenden Preisen führt, muß eine Notenbank mit steigenden Zinsen dagegen halten. Wir aber segeln faktisch auf „Zinsniveau unter Wasser“. Und so beherrschten auf Bali die Teilnehmer eher die Zweifel, ob der ein oder andere ökonomische Grundkonsens, der bisher die Welt zusammen hält, überhaupt noch gilt. Auch das läßt Börsenkurse fallen. Und das macht am Ende nicht nur Aktionäre ärmer, sondern ganze Volkswirtschaften.

Das, was dazukommt, ist eine Schuldenkrise. Wir haben bei den Banken beispielsweise eine unglaublich hohe Zahl von faulen Krediten. Die stehen in Bankbilanzen. Und wenn jetzt z. B. die Zinsen erhöht werden, was ich übrigens volkswirtschaftlich in den USA und auch in anderen Ländern für notwendig halte in der Zwischenzeit, dann führt das zu einer weiteren Belastung. Der Dollar wertet auf, die Schwellenländer kommen immer mehr in die Krise.

Zur Einstimmung in Moll sahen sich deshalb gleich zu Beginn der Konferenz bereits IWF-Chefin Christine Lagarde und Chefvolkswirt Maurice Obstfeld veranlaßt. Lagarde warnte vor einem Umschwung der konjunkturellen Schön-Wetter-Phase, Obstfeld vor wachsenden Risiken, die schon vereinzelt zur Realität geworden seien. Der scheidende Chefvolkswirt garnierte das mit einer Senkung der IWF-Wachstumsprognosen für die Weltwirtschaft (von 3,9 auf 3,7 Prozent). Das alles kann und wird nicht ohne Auswirkungen auch auf Deutschland bleiben. Denn:

Konjunkturprognose deutlich gesenkt

Deutschland, noch immer wirtschaftlich stark, lebt nicht auf einer Insel der Seligen. Die Turbulenzen in der Weltwirtschaft werfen Schatten auch auf die deutsche Wirtschaft. Die Bundesregierung hat deshalb ihre Wachstumsprognose im aktuellen Herbstgutachten auf 1,8 Prozent nach unten korrigiert, obwohl der Aufschwung noch anhält.

Aber: Deutschlands Wirtschaft wächst in diesem Jahr deutlich langsamer, als im Frühjahr erwartet. Das geht aus der Herbstprojektion hervor, die Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier in der letzten Woche vorgestellt hat. Demnach werde das Bruttoinlandsprodukt sowohl in diesem als auch im kommenden Jahr nur noch um 1,8 Prozent zulegen. Bislang waren 2,3 und 2,1 Prozent veranschlagt worden.

Trotzdem zog Peter Altmaier ein positives Gesamtfazit und sagt – ohne zu zögern, aber ohne nachzudenken:

„Die deutsche Wirtschaft befindet sich weiterhin in einem kräftigen Aufschwung. Das gilt für 2018 und 2019. Es handelt sich um die längste Aufschwungphase seit 1966, und es handelt sich um den zweitschnellsten Aufschwung in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland.“

Als einen Grund für das schwächere Wachstum nannte Altmaier auch die lange Regierungsbildung: In der Zeit der vorläufigen Haushaltsführung habe der Staat erheblich weniger ausgegeben, als zu erwarten gewesen wäre: Allein das habe 0,2 Prozentpunkte Wachstum in diesem Jahr gekostet. Weitere 0,1 Prozentpunkte sind der Abkühlung des Welthandels geschuldet. Die restlichen fehlenden 0,2 Prozentpunkte Wachstum sind einer Datenrevision des Statistischen Bundesamtes geschuldet: Die Wirtschaft startete etwas schwächer ins Jahr 2018 als die vorläufigen Zahlen der Statistiker ausgewiesen hatten.

Das Wachstum der deutschen Wirtschaft werde aber auch durch Knappheiten am Arbeitsmarkt gebremst. Das sei besonders in der Baubranche zu beobachten. Ein Grund dafür: Es werde zunehmend schwierig, die notwendigen Fachkräfte zu finden, „und das bedeutet, daß die Eckpunkte für ein Fachkräfteeinwan-derungsgesetz unbedingt umgesetzt werden müssen. Wir wollen das noch in diesem Jahr beschließen.“

„Kein Abschwung“ – sagt die Bundesregierung

Aus Sicht der Bundesregierung befindet sich die deutsche Wirtschaft aber keinesfalls im Abschwung: Die Zahl der Erwerbstätigen soll bis 2020 um gut 1,3 Millionen zulegen, die der Arbeitslosen um rund 400.000 sinken und die Erwerbslosenquote auf knapp fünf Prozent fallen. Zudem werde die Inlands-nachfrage, also unter anderem die privaten Konsumausgaben, in diesem und im nächsten Jahr sehr kräftig ausfallen. Dadurch, so die Erwartung, werde der viel kritisierte deutsche Leistungsbilanzüberschuß sinken, und zwar von 7,9 Prozent im Jahr 2017 bis auf 6,7 Prozent im Jahr 2020. Nach den Regeln der EU darf der Leistungsbilanzüberschuß allerdings nicht mehr als sechs Prozent betragen. Doch laut der Herbstprojektion würde es Deutschland aber immerhin nach Jahren erstmals gelingen, den Überschuß sichtbar zu verringern.

Ein Menetekel!

Die Herbstprojektionen der Bundesregierung bilden die Grundlage für die Schätzungen des Steueraufkommens. Bund, Länder, Gemeinden und Sozialversicherungen orientieren sich beim Aufstellen ihrer Haushalte an den projizierten Eckwerten. Die Bundesregierung folgt mit ihren Prognosen weitgehend den Einschätzungen der führenden Forschungsinstitute in deren Herbstgutachten.

Das sind halt die Regelungen der Wirtschafts- und Finanzpolitik. Aber wenn das so gilt, wo blieb dann wenigstens nur ein einziges Wort des Bundeswirtschaftsministers zu den Sorgen und Warnungen des IWF, wie sie in Bali zum Ausdruck kamen? Nichts kam von ihm, kein Sterbenswort! Und Merkel? Bekanntermaßen wirtschaftspolitisch unbeleckt.

Ja, aber der Bundesfinanzminister? Nichts! Der war bei der Abschlußkonferenz auf Bali bereits heimgeflogen. Nagetiere hätten sein Regierungsflugzeug angeknabbert, weshalb er auf ein zeitlich früheres Linienflugzeug umsteigen mußte, lautete die Erklärung. Ein Menetekel!

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Der Beitrag erschien zuerst bei CONSERVO

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