Ein Gastbeitrag von Adam Elknakhal
Problemfall Helldeutschland: Hier bleibt die Alternative für Deutschland in immerhin vier Bundesländern einstellig. Überlegungen von einem Westdeutschen.
Ost-West – oder präziser Mitteldeutschland und Westdeutschland – sind seit fast 27 Jahren wieder ein Staat. Doch es gibt auch am Ende des dritten Jahrzehntes noch einige Unterschiede, die man nicht einfach ignorieren kann. Die Bundestagswahl am vergangenen Sonntag hat wieder einmal gezeigt:
Die Länder Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen wählen anders als der Rest der Bundesrepublik. Sie reagieren schneller auf das politische Desaster, welches die dritte Merkelregierung hinterlassen hat, in dem sie deutlich eher und mehr freiheitlich-konservativ blau wählen als die „alten Länder“.
Im Freistaat Sachsen ist die AfD mit 27,0 Prozent der Zweitstimmen die stärkste Partei geworden.
Damit haben die Menschen zwischen Vogtland und Oberlausitz nach 1989 wieder deutsche Geschichte geschrieben. Ganz im Osten hat die AfD ihre drei Direktmandate geholt.
Im Gegensatz zu Sachsen ist die AfD tief im Westen im Land NRW nur die viertstärkste Kraft (hinter der FDP) geworden.
Nur 9,4 Prozent der Zweitstimmwähler entschieden sich im mit Abstand bevölkerungsreichsten Bundesland für die Blauen. Damit wirkt das Herzstück Deutschlands eher als Bremse denn als Motor für eine Veränderung und Konterrevolution zur 68er-Revolution und ihren Spätfolgen.
Noch schwieriger ist die Lage in Schleswig-Holstein. Hier ist die Alternative für Deutschland nur die fünfstärkste Kraft, die mit 8,2 Prozent lediglich (mit nicht einmal einem Prozent Vorsprung) vor der SED-Nachfolgeorganisation liegt.
Hat der Westen also den Schuss noch nicht gehört? Ist das mit der Islamisierung deutlich beanspruchtere Westdeutschland bereits abgestumpft was die Veränderung von Straßenzügen und ganzen Stadtteilen betrifft?
Lassen sich die (älteren) Westdeutschen von den Kanzeln, von der ARD und ihrer traditionellen Parteienbindung diktieren was sie zu wählen haben? Haben die Deutschen im Westen weniger Freiheitssinn als die Deutschen in der ehemaligen DDR, die besonders am 17. Juni 1953 und 1989 bei den Montagsdemonstrationen für ihre Freiheit kämpfen mussten? Hat die innerdeutsche Grenze die westdeutschen 68er davon abgehalten gen Osten zu schwappen? Hat die linkstotalitäre SED-DDR das Nationalbewusstsein („Wir sind ein Volk!“) stärker gefördert als die seichte BRD?
Es werden mehr oder weniger viele dieser und anderer Gründe zusammentreffen. Einige seien an dieser Stelle noch einmal in der gebotenen Kürze diskutiert:
Bindung an der Westdeutschen an Parteien, Kirchen, Vereine und Milieus
Wer als Katholik im Emsland, Oldenburger Münsterland, Hochsauerland oder in der Eifel groß wurde, hat in der Regel die CDU-Bindung mit der Muttermilch aufgenommen wie das Arbeiterkind im Ruhrgebiet, in Ostfriesland, Bremen oder Hamburg die SPD-Bindung aufgenommen hat. Es gab die typisch „schwarzen Städte“ (z.B. Paderborn) und die „roten Städte“ (z.B. Gelsenkirchen). Das prägt.
Den DDR-Bürgern waren freien Wahlen bis 1990 verwehrt. Als sie in die freien Wahlen der Einheit gingen, hatten die Zeit der strammen Parteibindungen der westdeutschen 50er-, 60er- und 70er-Jahre ihren Zenit bereits überschritten, sodass sie im wiedervereinigten Deutschland weniger parteigebunden waren und sind.
Noch immer sind die meisten Westdeutschen – mehr oder weniger intensiv (von formaler Mitgliedschaft bis hin zum regelmäßigen sonntäglichen Gottesdienstbesuch) – an eine der beiden großen Kirchen gebunden, die im zurückliegenden Bundestagswahlkampf und schon davor mächtig gegen die AfD gewettet und den Islam verharmlost haben. Dies mag bei dem ein oder anderen Christ doch Druck ausgeübt haben.
Gleiches gilt für den Druck durch feste Vereinsbindungen und gesellschaftlichen Milieus (wie dem linksbürgerlichen Milieu, das den Grünen nahesteht), die inoffiziell oftmals sehr verzweigt sind.
Fehlen des Kampfes für die Freiheit
Die Westdeutschen bekamen ihre Demokratie nach 1945 bequem durch die Westalliierten verordnet. Politiker arbeiteten auf der Insel Herrenchiemsee das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland aus, eines der größten humanistischsten, christlich geprägten Werke der Menschheitsgeschichte.
Dagegen litten viele DDR-Bürger unter dem Joch der SED-Diktatur. 1953 gingen am 17. Juni eine Millionen Deutsche in Berlin (Ost) und allen größeren Städten im Ulbricht-Staat auf die Straße und revoltierten gegen die Diktatur. Mindestens 55 Menschen zahlten mit dem Leben. Der größte Aufstand in der deutschen Geschichte blieb vielen Deutschen zwischen Ostsee und Erzgebirge im Gedächtnis als sie 1989 durch Massendemos die friedliche Wende erzwangen.
Während der Westen Deutschlands zwölf Jahre Diktatur erleiden musste, war Mitteldeutschland knappe 57 Jahre unfrei. Vor diesem Hintergrund ist es mehr als verständlich, dass die Bürger dort sehr viel sensibler auf Sprachvorgaben und Anzeichen von neuem Totalitarismus reagieren als der verwöhnte „Wessi“.
Der „Ossi“ musste für Freiheit und Demokratie kämpfen. Der „Wessi“ hat dies nie wirklich gelernt.
68er, Negativeinstellung zum Nationalstaat
„Hatte die innerdeutsche Grenze etwas Gutes?“, könnte eine mehr als provokante Frage lauten.
Natürlich kann die innerdeutsche Schandgrenze durch nichts beschönigt und legitimiert werden. Dennoch ist zu konstatieren, dass die anarchistischen, antizivilisatorischen, antichristlichen, antideutschen, zerstörerischen 68er-Folgen (die grüne Partei bleibt vielleicht die folgenreichste) an der Zonengrenze den Brocken nicht überwinden konnte.
Der linke Virus, der den Nationalstaat und die alten Werte verteufelte, ist an den Bürgern zwischen Heilbad Heiligenstadt und Görlitz vorbeigegangen, während er Westdeutschland mit voller Wucht traf.
Nichterfahrung mit dem Staatsfunk
Wenn inzwischen seit der Wiedervereinigung auch eine ganze Generation herangewachsen ist, welche die Aktuelle Kamera nur noch aus den Geschichtsbüchern oder den Erzählungen der Eltern und Großeltern kennt, so hat der „Osten“ auch hier mehr Erfahrung mit der Meinungsmache von staatlichen Sendeanstalten und einseitiger Berichterstattung.
Wer die „Aktuelle Kamera“ noch persönlich kennen gelernt hat, wird schneller merken, wenn die „Tagesschau“ den gleichen Weg die DDR-Nachrichten beschreitet.
Die Westdeutschen verlassen sich naturgemäß auf die Seriosität und Sorgfalt der Qualitätsmedien.
Wohlstandsübersättigung
In Westdeutschland hat sich eine Oberschicht und gehobene Mittelschicht herausgebildet, die noblen Stadtteilen lebt und die Bodenhaftung teilweise komplett verloren hat.
Diesem Gesellschaftsmilieu geht es momentan überwiegend noch zu gut, um die Probleme und Verteilungskämpfe in diesem Land zu sehen. Sie wollen auf gar keinen Fall politisch anecken und halten sich zumeist vollkommen raus.
Längere EU-Bindung und EU-Indoktrination
Westdeutschland ist seit Anfang an in den europäischen Staatenbund eingegliedert. Seit Jahrzehnten lernten und lernen sie als Kinder in der Schule wie gut und wichtig die EU ist und dass nur ein Staat der Mitglied in der Brüssel-Straßburg-Luxemburger Großbürokratie ist, ein vollwertiger europäischer Staat ist und Norwegen, Island und die Schweiz nicht erklärbare Sonderlinge sind.
Möglicherweise haben Westdeutsche eher Schwierigkeiten einen kritischeren Blick zu werfen als die Deutschen in den neuen Ländern.
Jahrzehntelange Indoktrination scheint zu funktionieren. Wie die Publizistin Gertrud Höhler (*1941) richtig erkannt hat, ist der Mensch ein hochsensibles Geschöpf, das in der Jugend geprägt wird. Spätere Veränderungen (auch im Denken) sind für ihn ein Mammutunternehmen und scheitern nicht selten.
Es wird mutmaßlich noch viele weitere Gründe für das unterschiedliche Wahlverhalten in den einzelnen Bundesländern und die Kluft entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze geben. Die Diskussion ist eröffnet: