Samstag, 21. Dezember 2024

Satire und Humor – oder: Wie man AfD-Wähler auf Facebook zum Durchdrehen bringt …

(David Berger) „Warum ich am 24. September Angela Merkel wählen werde“ war der Titel eines Beitrags, den ich vor einigen Tagen auf meinem Blog veröffentlichte. Wer meinen Blog nur ein wenig kennt, weiß, dass dort mit Kritik an Merkel und ihrer Politik wirklich nicht gespart wird.

Dieser Text nun machte sich über jene Merkel-Wähler lustig, die die Bundeskanzlerin erneut wählen, weil sie uns vor der Wahl ihr Rezept für Kartoffelsuppe mit Stückchen und ihren Lieblingsemoji verraten hat. Er endet mit den Worten: „Smileys mit Herzchen und Kartoffelsuppe mit Stückchen drin: das ist das Deutschland, in dem wir alle gut und gerne leben. Auch ich.“

Obwohl er eindeutig als Satire erkennbar war, hatte ich zur Sicherheit noch ganz groß über den Titel als Rubrik angegeben „Hier spricht das Nannymedium“. Für die, die gar keinen Sinn für Humor haben und sich – aus intellektuellen oder anderen Gründen – mit Ironie, Sarkasmus und Satire schwer tun, war hier also noch ein Sicherheitsventil eingebaut.

Aber all das half nichts. Der Artikel war noch keine Stunde online, als sich ein vor allem von AfD-Mitgliedern, -Politikern und -Sympathisanten entfachter Shitstorm auftat. Ein ganz übereifriger Thomas Wolf kündigte an, dass er dafür sorgen wolle, dass man mich aus allen AfD-Facebookgruppen löschen werde. Was dann auch bei einigen sehr schnell geschah.

Ein Herbert Wenzel ließ wissen, dass er alle Merkelwähler „abknallen würde“, wenn es nicht illegal wäre. Don Miro wünschte mir: „Verrecke mitsamt deiner Anführerin“. Ein Armin Vollmer schrieb als Kommentar:

„Das ist der letzte Beitrag, den ich von David Berger teilen werde. Danach werde ich meine Freundesliste säubern. Vielleicht wählt er sie ja auch, weil sie auch eine Jüdin ist?“

Mit dem Antisemitismus, der hier zum Vorschein kommt, werde ich übrigens seit Bestehen meines Blogs immer wieder neu konfrontiert: Immer wieder werde ich als „Judenknecht“, von „Israel finanzierter Schreiberling“ u.ä. beschimpft, da PP antisemitische Kommentare grundsätzlich nicht freischaltet.

Mehr als 10 mal wurde ich während des jüngsten Shitstorms als „dreckiger Landesveräter“ beschimpft, der sein Lebensrecht verwirkt hätte, man kündigte an, dass man mir den Kopf wegschießen müsse, da er sowieso „voller CDU-Kacke“ sei.

All das könnte man nun schlicht als das übliche Shitstorm-Gebrabbele abtun, an das ich mich spätestens seit dem Kampf der rechtsradikalen, kriminellen Internetseite „Kreuz.net“ gegen meine Person gewöhnt habe. Ein Verhalten freilich, das Heiko Maas und den seinen die wichtigsten Argumente lieferte, um sein fatales Netzwerdurchsetzungsgesetz durch den Bundestag zu bringen.

Jeder, der diese aus dem Dunstkreis der AfD-Wähler kommenden Kommentare liest, wird geneigt sein, doch Verständnis für die Maasschen Kampagnen gegen Hetze und Hassrede auf Facebook aufbringen.

Dass aber die Spitzenkandidatin der AfD, Alice Weidel, tatsächlich bei mir persönlich anfragte, ob es sich bei dem Text um Ironie oder eine ernste Wahlempfehlung gehandelt habe, schockierte mich tatsächlich:

„Bitte sage mir jetzt nicht, dass Du die krasse Ironie des Textes auch nicht verstanden hast …“,

…war daraufhin meine etwas gereizte Antwort. Gereizt sicher auch deshalb, weil mir mit solchen Fragen indirekt unterstellt wird, ich würde meine Wahlentscheidung tatsächlich von den Kochrezepten der zur Wahl stehenden Politiker abhängig machen. Zur Ehrenrettung Weidels darf hier freilich nicht unerwähnt bleiben, dass sie mich in meinem Vorhaben bestärkt hat, die hier beschriebenen Vorgänge öffentlich zu machen: „Tue es. Transparenz ist wichtig!“ schrieb sie mir.

Auch wenn es erneut Ärger geben wird: Für mich ist meine Wahlentscheidung durch diesen Vorfall, der leider viele vorangehende Erfahrungen mit AfD-Wählern bestätigt, erneut offen. Denn als Wähler entscheidet man sich nicht nur für eine Partei und deren Spitzenkandidaten, sondern setzt sich auch mit den anderen, die selbe Partei Wählenden in ein Boot.

Ganz ehrlich: Sehr wohl fühle ich mich in dieser sektenhaften Atmosphäre, in der ebenso humorlose wie dümmliche Antisemiten (vermeintliche oder echte) Merkel-Wählern „abknallen“ wollen, wirklich nicht.

 

David Berger
David Bergerhttps://philosophia-perennis.com/
David Berger (Jg. 1968) war nach Promotion (Dr. phil.) und Habilitation (Dr. theol.) viele Jahre Professor im Vatikan. 2010 Outing: Es erscheint das zum Bestseller werdende Buch "Der heilige Schein". Anschließend zwei Jahre Chefredakteur eines Gay-Magazins, Rauswurf wegen zu offener Islamkritik. Seit 2016 Blogger (philosophia-perennis) und freier Journalist (u.a. für die Die Zeit, Junge Freiheit, The European).

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