Ein Gastbeitrag von Daniel Schweizer
Die am 30. Juni 2017 vom Bundestag beschlossene Ehe-Öffnung wird noch einige Zeit die Gemüter bewegen. Ungeklärt ist vor allem noch ihr Standhalten vor dem Bundesverfassungsgericht. Ebenso emotional ist aber das Adoptionsrecht, für das nun mit der Ehe-Öffnung die volle Gleichberechtigung gelten würde. Aufgrund dessen werden nun bei Gegnern Befürchtungen größer, dem Wunsch der gleichgeschlechtlichen Paare nach einem Kind werde höheres Gewicht zukommen als dem Kindeswohl. Und so manche gleichgeschlechtlichen Paare werden jetzt vielleicht schon in großer Freude sein, dass der Kinderwunsch in greifbare Nähe rückt.
Doch unter Betrachtung der geltenden Rechtslage sollte zunächst einmal die Kirche im Dorf gelassen werden. Denn in einem entscheidenden juristischen Punkt ändert sich GAR NICHTS:
Für niemanden gibt es einen einklagbaren Rechtsanspruch auf ein Kind, schon gar nicht auf ein Adoptivkind. Was eigentlich jedem mit einem gesunden Menschenverstand klar sein muss, aber in den emotionalen Debatten um das Adoptionsrecht oftmals untergeht.
Ein wirklich einklagbares Recht gibt es nur auf das Kind, das man als Mutter selbst neun Monate ausgetragen und dann geboren oder als Vater gezeugt hat. Dieses Recht sichert im Grundgesetz Artikel 6, Absatz 2 zu:
„Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.“
Dies ist zunächst ein Abwehrrecht gegen den Staat, welches die Rechtsprechung im Regelfall mit Absatz 3 desselben Artikels – Trennung von der Familie unter besonders schwerwiegenden Gründen – und Artikel 7 des Grundgesetzes – zum Schulwesen – abwiegt. Aber auch gegen jede andere Person haben hier die leiblichen Eltern ein Abwehrrecht. Die Mutter, die das Kind selbst geboren hat, hat das natürliche Recht auf dessen Pflege und Erziehung – mit allen damit verbundenen Pflichten. Ist die Mutter des Kindes verheiratet, gilt automatisch ihrem Ehemann das Vaterschaftsrecht mit allen damit verbundenen Pflichten. Zurecht geht der Gesetzgeber vom Regelfall aus, dass ein Kind das gemeinsame leibliche Kind eines verheirateten Paares ist. Aber niemand anders als die leiblichen Eltern hat nach dem Grundgesetz auf dieses Kind einen Rechtsanspruch.
So hart es sein mag: Wann immer es auf natürlichem Weg nicht mit dem Kinderwunsch klappt – seien es medizinische Gründe bei verschiedengeschlechtlichen Paaren, oder die Tatsache einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft: Man muss sich zumindest darauf einstellen, dass vielleicht auf keinem Weg der Kinderwunsch erfüllt wird.
Das ist natürlich nicht schön zu reden. Aber ebenso wie die Diagnose einer unheilbaren Krankheit eine Grausamkeit der Natur, der man als Mensch hilflos ausgeliefert sein kann. Es kann gelingen, dass man auf dem Weg der Adoption doch noch seinen Kinderwunsch erfüllt bekommt. Und man tut dann gleichzeitig an einem Waisenkind ein gutes Werk, ihm wieder eine familiäre Heimat in Liebe, Fürsorge und Geborgenheit zu geben. Aber eine Garantie dafür gibt es nicht. Und schon aus der Sicht des Kindes sollte man auch bedenken: Wünschenswert wäre es, es käme niemals ein Kind überhaupt in die Situation, auf eine Adoption – oder als Alternative ein Waisenhaus – angewiesen zu sein.
Mit Sicherheit würde sich auch kein Mensch, der sich zur Adoption eines Kindes bereit erklärt, wünschen, dass ein Kind überhaupt in diese Situation kommt. Denn es ist nach wie vor für ein Kind eine prekäre Situation, nicht bei den leiblichen Eltern aufwachsen zu können. Und damit auf einen Platz im Waisenheim oder auf Adoptiveltern angewiesen zu sein. Und es ist schmerzhaft für eine Mutter, während der Schwangerschaft oder mit der Geburt ihres Kindes die Situation wahrzunehmen, ihrem Kind keine Perspektive geben zu können. Und deshalb die Bedrängnis zu fühlen, ihrem Kind mit der Freigabe zur Adoption eine bessere Perspektive zu geben. Und es ist traumatisch für ein Kind, den tödlichen Verlust der Eltern mitzuerleben und dann vor der Frage zu stehen: „Wer kümmert sich künftig um mich? Bei wem bin ich künftig zu Hause?“. Aus der Sicht eines Kindes wäre also im Grunde genommen selbstverständlich der Idealzustand, dass kein Kind mehr überhaupt auf einen Platz im Waisenhaus oder auf Adoptiveltern angewiesen ist. Und sich damit jeglicher Streit um das Adoptionsrecht von selbst erledigen würde. Und dazu kann im Grunde genommen jeder Einzelne etwas beitragen: Beim Einbringen mit politischen Positionen kann man sich für Rahmenbedingungen einsetzen, damit weniger Mütter in die existenzielle Notlage geraten, ihr Kind zur Adoption freizugeben. Man kann im Straßenverkehr achtsamer fahren, damit es weniger tödliche Unfälle gibt. Es ist manchmal leichter gesagt als getan. Kaum jemand kann ausschließen, einmal in den entscheidenden Sekunden am Steuer einen Fehler zu machen. Aber die Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeiten – im täglichen Straßenverkehr sträflich vernachlässigt – wäre doch ein anfänglicher Beitrag zu weniger Verkehrstoten. Und mit weniger Verkehrstoten auch für weniger Kinder die Situation, zu Waisen zu werden. Denn das wäre wie gesagt aus der Sicht von Kindern selbstverständlich das Wünschenswerteste.
Und ja, wenn der traurige Fall der Verwaisung eintritt, stellt sich natürlich die Frage: Auf welchem Weg kann man dem Kind nun eine möglichst gute neue Heimat geben? Das Anliegen ist zumindest berechtigt, dem Kind gewohnheitsmäßig einen Adoptivvater und eine Adoptivmutter zu ermöglichen. Und darf auf keinen Fall mit dem Homophobie-Vorwurf zum Schweigen gebracht werden.
Mit Sicherheit kann es dem Kind auch in einer Regenbogenfamilie gut gehen. Ein klassisches Elternpaar als Optimum muss aber trotzdem als Meinung vertreten werden dürfen.
Es wäre fatal, jetzt die zuständigen Entscheidungsträger auf den Jugendämtern der Diskriminierung zu bezichtigen, wenn sie das Adoptivkind einem verheiraten Hetero-Paar zusprechen. Denn wenn sich sechs Ehe-Paare im klassischen Sinn und ein gleichgeschlechtliches Paar auf ein Adoptivkind bewerben, wäre selbst bei einer Entscheidung durch das Los sehr logisch, dass höchstwahrscheinlich auf eines der klassischen Ehe-Paare die Entscheidung fällt. Sollte jetzt ein Generalverdacht der Diskriminierung aufkommen, könnte das schnell zu einer falsch verstandenen Form von Antidiskriminierung führen:
Die Entscheidungsträger auf den Jugendämtern könnten dann aus Angst vor Diskriminierungsvorwürfen unter dem Drang sein, das Kind dem einen gleichgeschlechtlichen Paar zuzusprechen. Wenn sich das häuft, wären schon bald die verschiedengeschlechtlichen Paare bei der Adoption diskriminiert.
Genauso falsch wäre es aber auch, gleichgeschlechtliche Paare von der Adoption kategorisch auszuschließen – und zwar gerade im Sinne des Kindeswohls. Ein gutes Beispiel zeigte sich am 30. August 2012 bei Maybritt Illner: In dieser Sendung war ein schwules Paar zu Gast, das zwei Pflegekinder betreut. Diese wurden ihnen als Pflegekinder zugesprochen, wohl deshalb, weil für sie keine Adoptiveltern im Sinne eines klassischen Ehepaares gefunden wurden.
Was im Umkehrschluss bedeutet: Für diese beiden Kinder wäre eine andere Alternative wohl nur ein Verbleib im Waisenhaus gewesen. Auch in einer Regenbogenfamilie leben sie zumindest in familienähnlichen Verhältnissen: Mit zwei erwachsenen Bezugspersonen, die in erster Linie für sie Verantwortung übernommen haben, nicht für weitere Kinder. Und die beiden Jungs haben somit auf diese beiden Pflegeväter den Anspruch auf Vorzug, wie sie im Regelfall Kinder bei ihren biologischen Eltern haben. Dies darf im Sinne des Kindeswohls so wenig außer Acht gelassen werden wie das Optimum einer Mutter und eines Vaters als Hauptbezugspersonen.
Im Sinne des Kindeswohls sollte bekanntlich bei einer Adoption zuallererst bei nahen Verwandten oder Bekannten geschaut werden.
Beispielsweise beim Patenonkel oder bei der Patentante, die nach den Eltern die engsten erwachsenen Bezugspersonen von Kindern sein können. Auf diesem Weg wird zumindest in Teilen für die Kinder eine Kontinuität des gewohnten menschlichen Umfeldes gewährleistet. Die Gewöhnung an wildfremde Betreuungspersonen bleibt Kindern erspart. Die menschliche Beziehungsebene zum vertrauten Onkel oder zur vertrauten Tante muss hier entscheidend sein. Und gerade dann sollte es auch keine Rolle spielen, ob diese Bezugsperson mit einem Mann oder einer Frau zusammenlebt.
Es wurden auch Befürchtungen laut, dass nun verstärkt Forderungen nach einer Legalisierung der Leihmutterschaft in Deutschland laut werden. Leider sind diese Befürchtungen berechtigt, wenn man sich die neuesten Forderungen der FDP anschaut.
Und jeder, der entschieden die Ehe-Öffnung für gleichgeschlechtliche Paare gefordert hat, ist nun um so mehr zu einem aufgefordert: sich mit gleicher Entschiedenheit gegen die Leihmutterschaft zu positionieren! Denn mit Gleichberechtigung hat Leihmutterschaft gar nichts zu tun. Aber im Sinne des Kindeswohls und der Menschenwürde hätte eine Legalisierung der Leihmutterschaft ungeahnte Folgen. Sehr oft wird Leihmutterschaft zurecht deshalb kritisiert, weil durch die finanziellen Aspekte das Kind als Ware missbraucht und die Leihmutter ausgebeutet wird.
Noch entscheidender ist aber ein Punkt, der schon bekannt ist, aber wegen des zurecht kritisierten Problems der Ausbeutung nicht so oft zur Sprache kommt: die emotionale Bindung zwischen der austragenden Mutter und dem Kind. Wo Leihmutterschaft legal ist, bedeutet das Abgeben des Kindes nach der Geburt häufig einen schwerwiegenden Trennungsschmerz für die Leihmutter.
Es ist eben naturgegeben, dass die Mutter eine emotionale Bindung zu dem Kind aufbaut, das sie neun Monate austrägt. Selbst wenn es nicht aus ihrer eigenen Eizelle stammt.
Doch ebenso entscheidend ist: Die pränatale Forschung hat schon vieles herausgefunden, wie in den neun Monaten der Schwangerschaft auch das Kind emotional geprägt wird. Und was die Emotionen der Mutter für die spätere psychische Stabilität und Bindungsfähigkeit des Kindes bedeuten. Die Emotionen der Mutter wirken auch auf die Emotionen des Kindes. Ludwig Janus betont zurecht auch für die pränatale Phase die Wichtigkeit der „Sorgfalt für eine emotionale Bindung von Mutter und Kind“. Und wegen der emotionalen Bindung vor der Geburt ist es auch keinesfalls beliebig, von wem das Kind nach der Geburt groß gezogen wird.
Säugetiere erkennen nämlich nach der Geburt sehr wohl die austragende Mutter wieder: Neugeborene Kaninchen erkennen die Milchzitzen ihrer Mutter am Geruch aus dem Fruchtwasser. Ist die Milchzitze mit Seife abgewaschen und Fruchtwasser an einer anderen Körperstelle der Mutter aufgetragen, kriechen die neugeborenen Kaninchen dorthin. Ebenso erkennen neugeborene Menschenbabies die Stimme ihrer Mutter, die sie auch vor der Entbindung gehört haben.
Und das bedeutet letztendlich: Die austragende Mutter ist wegen der emotionalen Bindung mit Wiedererkennungswert unersetzlich als Betreuungsperson! Und Leihmutterschaft ist umso strikter abzulehnen!
Denn sie zielt von vornherein darauf ab, das Kind nach der Geburt von der Mutter zu trennen, zu der es vor der Geburt die notwendige emotionale Bindung aufgebaut hat. Mit unberechenbaren Folgen für die emotionale Stabilität und Bindungsfähigkeit des Kindes.
Die Ehe-Öffnung kann man im Sinne der Gleichberechtigung für sinnvoll erachten. Aber VORSICHT vor zu hoher Erwartung, der erfüllte Kinderwunsch würde nun in greifbare Nähe rücken! Denn kein Adoptionsrecht kann einen Kinderwunsch garantieren, der auf natürlichem Wege nicht in Erfüllung gegangen ist. Für Hetero-Paare wie auch für Homo-Paare!
Denn das Grundgesetz garantiert eben – schon aus naturrechtlicher Herleitung – nur ein Recht auf die Kinder, die man selbst gezeugt oder geboren hat. Und Leihmutterschaft darf schon gar nicht der Weg sein, sich seinen Kinderwunsch zu erfüllen.
Weder für Paare aus Mann und Frau noch aus Mann und Mann oder Frau und Frau. Denn allein schon wegen der pränatalen Mutter-Kind-Bindung, aber auch wegen der finanziellen Ausbeutung, gilt für Leihmutterschaft: Sie ist ein eklatanter Verstoß gegen die Würde des Kindes und gegen die Würde der Leihmutter – und somit gegen die Würde des Menschen. Und diese ist bekanntlich nach Artikel 1 des Grundgesetzes unantastbar.