(David Berger) Auch wenn es manchmal so aussieht, aber Justiziminister Maas ist mit seinen Träumen von einer lückenlosen Überwachung der in sozialen Netzwerken veröffentlichten öffentlichen Meinung nicht alleine. In der vergangenen Woche sprang auch der CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Volker Kauder auf das rasende Pferd auf und drohte den sozialen Netzwerken harte Strafen an, falls sie sich nicht um „Hasskommentare“ kümmern.
Wenig verwunderlich war es schließlich, dass sich auch die immer mehr als Verbotspartei agierenden Grünen zu Wort meldeten und der Hamburger Justizsenator Till Steffen bekannt gab, er wolle bei der anstehenden Fachministerkonferenz des Bundesrats eine Beschlussvorlage einbringen, nach der „Shitstorms“ im Internet künftig als „bandenmäßige Straftaten“ eingestuft werden.
Solche Ankündigungen zeigen, noch bevor sie überhaupt Gesetz werden, ihre Wirkung. Eine Studie hat jüngst ergeben, dass mehr als ein Drittel der Bundesbürger Angst haben, ihre politische Meinung überhaupt noch öffentlich zu sagen.
Sowohl Hassrede wir auch „Bandenmäßigkeit“ sind dabei juristisch wenig aussagbare Begriffe, wie gemacht für in alle Richtungen dehnbare Gummiparagraphen. Solche Verschwommenheit kommt aber stets den Mächtigeren als Allzweckwaffe gegen die weniger Mächtigen bzw. ihre Kritiker zugute.
Bei diesen Bestrebungen handelt es sich um keine Nebensächlichkeiten, bei denen Demokraten erst mal ruhig abwarten sollten, wie sie sich dann konkret auswirken.
Denn der Einsatz für die Meinungsfreiheit unterscheidet sich in einem Punkt ganz deutlich von dem Engagement für andere Grundrechte. Wenn etwa bei uns die Zahl der Obdachlosen steigt und ich nicht sofort etwas dagegen unternehme, kann ich auch noch einschreiten, wenn sich deren Zahl verdoppelt hat.
Bei der Meinungsfreiheit ist das anders. Wenn man hier nicht den Anfängen wehrt, dann ist schnell der Punkt gekommen, an dem man nicht mehr die Möglichkeit hat, sich zu wehren.
Hier gilt in besonderem Maße die Mahnung des großen Philosophen Aristoteles, dass ein kleiner Fehler am Anfang sich zu einer Katastrophe steigern kann.
Bei der Meinungsfreiheit scheint das Slippery-Slope-Argument oder das Gesetz der schiefenen Ebene besonders zuzutreffen: Ist einmal ein bestimmter Punkt der Einschränkung der Meinungsfreiheit erreicht, ist diese endgültig zum Sterben verurteilt. Die Ebene ist eben so schief geworden, dass alles auf ihr in eine Richtung rutscht und sie schließlich umkippt. Es gibt keine demokratische Möglichkeit mehr, das Steuer herumzureißen, denn dazu bräuchte man ja die Meinungsfreiheit.
Wenn man den Staat – nach einem beliebten klassischen Modell – mit einem Körper vergleicht, dann könnte man die Meinungsfreiheit als die Luft zum Atmen bezeichnen.
Da könne alle Organe noch so gesund, die Hirnleistung noch so perfekt sein, wenn aber die Luft ausbleibt, sterben sie alle schnell ab. Und innerhalb von Minuten ist der Punkt erreicht, an dem wir keinen lebendigen Körper, sondern eine Leiche vor uns haben.
Mit der kann, wie wir aus Piratenkreisen wissen, der Besitzer dann zwar erst mal alles anstellen, was er möchte. Aber die Freude hat ein rasches Verfallsdatum.
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Vorschaufoto: (c) By Tobias Koch (OTRS), CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons -Kontaktadresse für Rückfragen: contact@tobiaskoch.net und www.facebook.com/tokography