Donnerstag, 4. September 2025

Linke Heuchelei: Desinteresse Chicagos an schwarzen Opfern

Reflexionen über die spirituelle und politische Krise in Chicago. Ein Gastbeitrag von Prof. Dr. Alfred Thomas, Chicago.

Eine Figur in Fjodor Dostojewskis Roman „Die Brüder Karamasow“ sagt: „Je mehr ich die Menschheit im Allgemeinen liebe, desto weniger mag ich die Menschen im Besonderen.“ Mit diesen Worten entlarvt der große russische Schriftsteller die Heuchelei der utopischen Sozialisten, die er zu Recht als die größte Bedrohung für Russland ansah, die Vorfahren der Bolschewiki, deren Ziel es war, die menschliche Seele im Namen eines egalitären Ideals zu zerstören.

Bundestruppen gegen die Kriminalität

Die gleiche Gefahr besteht derzeit in Chicago, dessen Bürgermeister Brandon Johnson ebenfalls von der Notwendigkeit sprach, „die Menschlichkeit jedes Bürgers in Chicago zu schützen“. Brandon bezog sich dabei nicht auf die Kriminellen, die in Chicago regelmäßig Morde begehen, sondern auf die Drohung von Präsident Trump, Bundestruppen zu entsenden, um gegen die Kriminalität vorzugehen.

Beachten Sie die Wortwahl: Der Bürgermeister möchte die „Menschlichkeit“ seiner Mitbürger schützen, nicht aber ihr „Leben“. Für Brandon sind humanistische Prinzipien wichtiger als Menschenleben.

Lediglich Statistiken

Vergessen, dass 2024 in Chicago 573 Menschen ermordet wurden und allein am letzten Labor Day-Wochenende acht Menschen getötet wurden. Vergessen, dass fast alle diese Opfer Schwarze waren, die in den gefährlichen Süd- und Westteilen der Stadt lebten. Diese schwarzen Leben sind für Johnson und Gouverneur J.B. Pritzker nicht von Bedeutung, da sie lediglich Statistiken sind, die die lügnerische sozialistische Erzählung untergraben, dass Chicago eine sichere Zufluchtsstadt ist.

Ja, sicher, wenn man ein Politiker ist, der von bewaffneten Leibwächtern geschützt wird; und relativ sicher, wenn man weiß und wohlhabend ist und im segregierten Norden dieser Stadt lebt. Aber nicht sicher für arme Schwarze im Ghetto.

Trump: „Die Opfer waren Schwarze!“

Es ist in der Tat ironisch, dass es Präsident Trump war, der die Tatsache hervorhob, dass diese Opfer schwarz waren. Ja, jener Präsident, den Johnson und Pritzker als Diktator bezeichnen, der angeblich gegen die Demokratie ist.

Hier fällt mir ein weiteres Zitat ein, diesmal vom regimekritischen russischen Schriftsteller Boris Pasternak, der von den sowjetischen Behörden verfolgt wurde. In seinem Gedicht Hamlet spricht der dänische Prinz für den bedrängten Dichter und das unterdrückte russische Volk, wenn er sagt: „Die Welt versinkt in Heuchelei.“

Ich habe jedenfalls das Gefühl, dass Chicago in heuchlerischer Scheinheiligkeit versinkt, ebenso wie im unschuldigen Blut seiner Ermordeten.

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Alfred Thomas ist Professor für Englisch an der University of Illinois in Chicago. Im Oktober erscheint sein neues Buch „Wounded Knights: Violence, Masculinity, and Medieval Courtly Love (The New Middle Ages)„.

Besonderes Aufsehen erregte – neben zahlreichen anderen wissenschaftlichen Studien – sein Buch „Shakespeare, Catholicism, and the Middle Ages: Maimed Rights“ .

Journalistische Offenlegung: Der Gastautor ist ein persönlicher Freund von mir. Gemeinsame Gespräche zur mittelalterlichen Philosophie, zur deutschen Kultur und US-amerikanischen sowie europäischen Politik haben zahlreiche Abende spannend sein lassen.

 


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PP-Redaktion
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