Auf Alice Weidels Behauptung, Hitler sei links gewesen, reagieren die Linken und die ihnen verbundenen Systemmedien verständlicherweise empört. Denn diese Deutung entzieht dem ideologisch geführten „Kampf gegen rechts“ den Boden. Ein Gastbeitrag von Frank Steinkron.
Letztlich hat Weidel aber nur eine alte These aufgegriffen, wonach Hitler seinem ganzen Selbstverständnis nach als auch in den Methoden seiner Machtausübung Sozialist gewesen sei. Die Belege für diese Behauptung sind bestechend. Teils wurden sie von so bedeutenden Historikern wie Sebastian Haffner und Arnulf Baring vorgebracht, teils werden sie auch in zahlreichen Internetbeiträgen diskutiert.
Zunächst: Hitler war kein Rechter
- Anfänglich hatte die politische „Rechte“, vor allem die Nationalkonservativen, geglaubt, Hitler für ihre Zwecke einspannen zu können (Tag von Potsdam, 21. März 1933). Hitler ließ sie in dem Glauben, betrachtete die „Reaktion“ aber nicht minder als seinen Feind wie die „Rotfront“.
- Das katholische Bürgertum, der preußische Adel und die Nationalkonservativen in Diplomatie und Verwaltung waren die einzigen Milieus, die sich vom NS-System nicht infiltrieren ließen und zum Teil sogar widerständig waren. Aus ihrer Sicht stand Hitler links.
- Die politische „Mitte“ (Liberale) und die gemäßigte Linke (Sozialdemokraten) zogen sich dagegen resigniert in die innere oder äußere Migration zurück. Die Arbeiterschaft lief sogar mehrheitlich zu den Nazis über. Der Widerstand der extremen Linken beschränkte sich auf kleine Gruppen oder Einzelkämpfern, die für Hitler (abgesehen vom Attentatsversuch Georg Elsers) keinerlei Gefahr darstellten.
- Anders als die patriotisch gesinnte Rechte liebte Hitler Deutschland nicht. Er betrachtete die Nation – allen propagandistischen Beteuerungen zum Trotz – als eine Art Reallabor zur Verwirklichung seiner Pläne. Wäre er ein echter Patriot gewesen, hätte er spätestens Anfang 1944 kapituliert. So aber verheizte er seine Soldaten bis zum letzten Mann, gab die Städte der Zerstörung preis und verbot den Bewohnern der Ostgebiete die zeitige Flucht.
- Hitlers Rassenlehre war im Kern völkisch. Hier gab es tatsächlich einen Berührungspunkt mit den Ultrarechten. Und doch ist das „Völkische“ keinesfalls ein spezifisches Merkmal der politischen Rechten. Völkisches Denken – und auch Rassenvorurteile – gab es zu allen Zeiten in allen Kulturen und darüber hinaus in allen politischen Systemen, selbst im Kommunismus.
- Ebenso wenig wie zur deutschen Nation hatte Hitler ein inneres Verhältnis zum deutschen Volk. Anders ist sein gegen den Fortbestand des Volkes gerichteter „Nerobefehl“ nicht zu verstehen. Schon Ende 1941 äußerte er: „Wenn das deutsche Volk einmal nicht mehr stark und opferbereit genug ist, sein Blut für seine Existenz einzusetzen, so soll es vergehen und von einer anderen, stärkeren Macht vernichtet werden. Ich werde dem deutschen Volk keine Träne nachweinen.“ Sebastian Haffner bezeichnete Hitler sogar als einen „Verräter“ am eigenen Volk. Seine berühmte Hitlerbiographie schloss er mit den Worten, es sei höchst ungut, „dass viele Deutsche sich seit Hitler nicht mehr trauen, Patrioten zu sein. Denn die deutsche Geschichte ist mit Hitler nicht zu Ende. Wer das Gegenteil glaubt und sich womöglich darüber freut, weiß gar nicht wie sehr er damit Hitlers letzten Willen erfüllt (Anmerkungen zu Hitler, München 1978, S. 204).
Die Nazis verstanden sich selbst als „Sozialisten“.
- Wie ihr Name verrät, verstand sich die die NSDAP als eine Organisation, die den Sozialismus im Unterschied zur kommunistischen Internationale zwar nicht weltweit, wohl aber national, also für die deutsche Arbeiterklasse, durchsetzen wollte. Dies belegen zahlreiche Aussagen von Hitler und Goebbels, die sich selbst immer wieder, auch noch während des Krieges gegen die Sowjetunion, als Sozialisten bezeichneten.
- Der Propagandastil der Nazis orientierte sich vielfach an linken Organisationen. Von der SPD übernahm man unter anderem den Begriff „Parteigenosse“ und die Losung „Alles für Deutschland“. Filme und Wochenschauen waren stark durch die Ästhetik des sowjetischen Regisseurs Sergei Michailowitsch Eisenstein geprägt.
- Auch die Nazis betrachteten den Kapitalismus, den sie mit dem Liberalismus, dem Demokratismus und dem „Finanzjudentum“ assoziierten, als ihren Gegner. Aus diesem genuin sozialistischen Hass speiste sich auch – wie auch schon bei Karl Marx – der Antisemitismus.
- Hitler verstaatlichte zwar nicht wie die Produktionsmittel, doch stellte er sie unter staatliche Aufsicht (Fünfjahrespläne für die Wirtschaft). Es genügte ihm, die Menschen, die produzierten, zu „verstaatlichen“. Er nannte dies „Sozialisierung“.
Zwischen Nationalsozialismus und Kommunismus existieren sogar elementare systemische Gemeinsamkeiten.
- Die größte Gemeinsamkeit von nationalem und internationalem Sozialismus ist der Totalitarismus(abgeleitet vom lateinisch Wort totus = ganz). Beide Systeme erhoben Anspruch auf ganzheitliche, alleinige Herrschaft.
- Als „totalitäre“ Organisationen war die NSDAP ebenso wie die KPdSU und die KP Chinas keine „Partei“, wenngleich alle drei sich so bezeichneten. Der Begriff „Partei“, vom Lateinischen pars (= Teil) kommend, bedeutet, Teil eines größeren Spektrums zu sein. Daher verstanden Nazis und Kommunisten sich auch vorrangig als „Bewegungen“. Parteien im eigentlichen Sinne war sie nur so lange, wie sie noch nicht an der Macht waren und mit anderen Parteien konkurrieren mussten.
- Die „Partei“ war in beiden totalitären Systemen lediglich eine organisatorisch verfasste Bekenntnisgemeinschaft, aus der sich die Staatsfunktionäre und -eliten rekrutierten. Auch die Beamten und all jene, die Karriere machen wollten, mussten Mitglieder sein.
- Um die „Partei“-Führer Hitler bzw. Lenin, Stalin und Mao wurde ein geradezu religiöser Kult inszeniert.
- Institutionen und Vereine wurden gleichgeschaltet.
- Die Zensur war allgegenwärtig.
- Der Staat nahm auf Erziehung der Menschen von früher Kindheit an Einfluss. Ziel war die Indoktrination der gesamten Bevölkerung.
- Die Gesellschaf wurde vermasst, das Individuums abgewertet.
- Eine staatlich durchorgansierte Lebensweise umfasste über den Arbeitsprozess hinaus das Privatleben und die Freizeitgestaltung. Der einzelne sollte im Kollektiv aufgehen und darin sein Glück und seine Bestimmung finden. Die deutsch-jüdische Politologin und Totalitarismus-Forscherin Hanna Arendt, heute zu Unrecht in Vergessenheit geraten, bemerkte hierzu: “Die totale Herrschaft schaltet das Interesse an Selbsterhaltung aus. Ihr Wesen ist also nicht ein ins Extrem gesteigerter Utilitarismus (…), sondern im Gegenteil ein radikaler Schwund des gesunden Menschenverstandes und ein nicht minder radikales „Versagen der elementarsten Selbsterhaltungstriebe“ (Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft, München 1986. S. 553).
- Klassen- und Standesunterschiede sollten beseitigt werden.
- Die Gesellschaft sollte durch körperliche Ertüchtigung, paramilitärische Ausbildung und Aufrüstung wehrhaft werden.
- Der Polizeistaat, die gleichgeschaltete Justiz und die Geheimdienste bewirkten, aufbauend auf Bespitzelung und Denunziation, eine allgemeine Repression.
- Universitäten, Verwaltung, Justiz und Polizei wurden von politischen Gegnern „gesäubert“.
- Politische Gegner wurden in Schauprozessen gedemütigt und in Arbeits- und Vernichtungslagern eingesperrt.
Nationalsozialismus und Kommunismus unterscheiden sich von allen übrigen politischen Strömungen vor allem durch eine utopische Ideologie.
- Beide Systeme sahen sich im Besitz der alleinigen Wahrheit.
- Beide Totalitarismen gründeten auf Utopien. Ihr Endziel war die Schaffung eines neuen Menschen und einer neuen Weltordnung. Hierzu wieder Hanna Arendt: „Das eigentliche Ziel der totalitären Ideologie ist nicht die Umformung der äußeren Bedingungen menschlicher Existenz und nicht die revolutionäre Neuordnung der gesellschaftlichen Ordnung, sondern die Transformation der menschlichen Natur selbst, die, so wie sie ist, sich dauernd dem totalitären Prozess entgegenstellt.“ (Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft, München 1986, S. 701).
- Dem Kampf für dieses utopische Ziel der Transformation wurde alles untergeordnet, was auch den Fanatismus und die menschenverachtenden Praktiken der totalitären Systeme erklärt.
- Dagegen galt Pragmatismus als Ausdruck von Zaghaftigkeit und Kleingeistigkeit.
- Der utopische Charakter ermöglichte es beiden Systemen, Misserfolge zu relativieren. Es kam einzig auf die Verwirklichung des Endziels an, nicht auf die Zwischenbilanz. Opfer wurden unbegrenzt in Kauf genommen.
- Für Rückschläge wurden nicht die Ideologie und ihre Vertreter verantwortlich gemacht, sondern ungünstige Umstände, die mangelnde Kraftanstrengung des Volkes oder aber die „Umtriebe konterrevolutionärer Elemente“.
- Letztlich kann man von der völligen Selbstimmunisierung in einer utopischen Parallelwelt sprechen. Selbstkritik war per se unmöglich, weshalb beide Systeme zwangsläufig zum Scheitern verurteilt waren, wenngleich sie dies bis zum Schluss nicht wahrhaben wollten – und auch nicht konnten.
Die Nazis waren keine Faschisten
Nationalsozialismus und Faschismus werden gerne in einen Topf geworfen, vor allen von den Linken. Die von Josef Stalin und Georgi Dimitrow definierte Antifaschismusdoktrin der Kommunistischen Internationale („Komintern“) erklärte alle Gegner des Kommunismus zum „Faschisten“. In der Folge konnte jeder Nicht-Linke als Faschist diffamiert werden, von Adenauer und Stauffenberg über Mussolini bis Hitler. Nicht von ungefähr bezeichneten die DDR die Berliner Mauer als „antifaschistischen Schutzwall“. Heute heißt der antifaschistische Schutzwall „Bandmauer“.
In Wirklichkeit waren Nationalsozialismus und Faschismus jedoch grundverschieden.
- Die Gemeinsamkeiten beschränkten sich überwiegend auf Äußerlichkeiten wie den römischer Gruß.
- Das faschistische Italien war ein von den Oberschichten dominierter Ständestaat. Anders als der „Führer“ Adolf Hitler, der alle Macht in seiner Person vereinte („Führerprinzip“) war der „Duce“ Mussolini „nur“ Anführer der faschistischen Partei, nicht aber des italienischen Staates. Als Premierminister (governatore) unterstand er dem König.
- Im Gegensatz zum neuheidnisch-esoterischen Nationalsozialismus und dem atheistischen Sowjetkommunismus suchte der Faschismus die Kooperation mit der Kirche. Der Katholizismus war Staatsreligion.
- Der faschistische Imperialismus diente nicht der Gewinnung von Lebensraum im Rahmen einer Rassenideologie. Die Verfolgung der Juden erfolgte erst auf Druck Deutschlands.
- Anders als Hitler, Stalin und Mao konnte Mussolini 1943 abgesetzt werden. Viel wäre der Welt erspart geblieben, wäre dies in Deutschland, der UdSSR und China auch möglich gewesen.
- Weil der Faschismus anders als der Nationalsozialismus und der Kommunismus nicht einer totalitären eliminatorischen Ideologie folgte, zählen seine Toten zwar nach Zehn- oder Hunderttausenden (was schlimm genug ist), nicht aber nach zig Millionen. Trotz der Exzesse im Krieg gegen Äthiopien war der Völkermord anders als bei Hitler, Stalin und Mao, nicht Teil von Mussolinis Weltanschauung.
Fazit: Kommunisten und Nazis sind nicht identisch, aber gleichartig.
Natürlich war Hitler kein Kommunist und Lenin, Stalin und Mao waren keine Nazis. Aber in den Grundzügen ihrer utopistisch-totalitären Ideologie sowie in der eliminatorischen Wahl ihrer Mittel waren sie einander wesensverwandt. Dass sie einander bekriegten, ist kein Gegenargument.
In gewisser Hinsicht glichen nationale und internationale Sozialisten zwei verfeindeten Dorgenkartelle, die um dasselbe Revier kämpfen. Die eine Bande wird nicht dadurch gut, dass sie die andere bekämpft und umgekehrt. Entscheidend ist, dass beide gleichermaßen kriminell sind. Beide sind Mafia. Und doch behalten sie ihre jeweilige Identität.
Eine letzte Frage
Blicken wir abschließend noch einmal auf die Kriterien, die den sozialistischen Totalitarismus auszeichnen:
- den Kampf für ein utopisch-esoterisches Endziel, verbunden mit dem Anspruch, die Welt zu retten und den Menschen zu transformieren;
- die ideologische Verblendung, die Ignoranz gegenüber pragmatischen Lösungen, die Unfähigkeit zur Selbstkritik;
- die Diffamierung Andersdenkender, die zynische Verachtung abweichender Ansichten;
- der Kult um führende Personen;
- Gleichschaltung und Zensur;
- Politische Säuberungen in Verwaltung, Bildungswesen, Justiz und Polizei von Mitgliedern unliebsamer Parteien,
- die Instrumentalisierung von Geheimdiensten, die polizeistaatliche und juristische Repression von Regierungskritik;
- die Entfernung von Menschen, die nicht Mitglieder einer Systempartei sind, aus dem Beamtenverhältnis;
- die Gleichsetzung der Herrschenden mit dem Staat;
- die Manipulation der Öffentlichkeit durch Propaganda, die Bekämpfung unangenehmer Wahrheiten als „Desinformation“.
Und überlegen wir nun, welches politische Spektrum diese Kriterien derzeit wieder favorisiert.
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