Montag, 9. Dezember 2024

Der neue Beichtstuhl im Deutschen Bundestag

Reue, gerade in großen gesellschaftlichen Belangen, ist seltener als bei dem entwendeten Buchenholz. Doch die politischen Sünden der Knechte des Volkes wiegen schwerer als Tausende Ster Holz.  Gastbeitrag von Meinrad Müller

Ja, die gute alte Zeit, als Bayerns König Ludwig II. regierte (1864 bis 1886) und nachmittags noch allein durch München spazierte. Die Bürger grüßten ihm mit „Grüß Gott, Herr König“ und Leibwächter brauchte der gute König nicht. Die Welt schien in Ordnung, Napoleons Wüten war längst Geschichte und die Bürger taten eben, was Bürger so tun: Sie arbeiteten von früh bis spät und gingen auch werktags zur Kirche.

Dies tat man nicht nur, um eine selige und feierliche Stunde zu erleben, sondern auch um sein Gewissen zu erleichtern. Die unangenehme Last, die jeder spürte, der etwas Unrechtes getan hatte, in Gedanken, Worten und Werken. Wer im Handel schummelte, spürte die Mahnung „Unrecht Gut gedeiht nicht gut“ in seiner Brust. Der durch Unrecht gewonnene Gulden lag schwer auf dem Herzen, betrübte das Gemüt, machte schwermütig, was auch nicht mittels einer Gerstensafttherapie und drei Rosenkränzen zu beheben war.

Feinfühlige Menschen

Schuldgefühle zu haben, diese zu spüren, ist eine feinfühlige Art des Lebens, die mancher heutzutage, „wo alles möglich und erlaubt ist“, schon gar nicht mehr kennt. Bei kleinen Vergehen, sagt man, würde das Karma sofort zuschlagen. Doch schwerere Vergehen wie der Streit in der Familie in Erbangelegenheiten lasten wie Tonnen auf der Brust desjenigen, für den es ans Sterben geht.

Warum also nicht rechtzeitig mit dem Dampfdruckreiniger den klebrigen Teer von der Seele waschen lassen, um nach erhaltener Absolution aufzuatmen, um frisch wie an einem Frühlingsmorgen von der Kirche schnurstracks zum Frühschoppen eilen zu können. Wie doch die eine oder andere Maß genüsslich die Kehle hinunterrinnt: ist doch tief innen jetzt wieder Platz für neue Sündchen, wobei die vierte Maß Paulaner bereits dazu zählt. Aber zur Feier des reinen Gewissens sei dies unseren Vorfahren gegönnt.

Last des Gewissens

Sünden gegen Nachbarn, Freunde, Erbonkel und Erbtanten sowie den Bürgermeister sind gering, verglichen mit den Sünden, die heute Politiker anrichten können und die Millionen von Bürgern Schmerzen und Leid bereiten, nicht für einen einzigen Tag, sondern für lange Jahre. Sünden, die dazu führen, dass alte Leute ihr Häuschen verlieren, weil sie die politisch gewollte Pflichtsanierung nicht bezahlen können, wiegen schwer, sehr schwer.

Es soll sich so zugetragen haben, genaues weiß niemand, ist die Geschichte doch über Jahrhunderte hinweg mündlich weitergegeben worden. Ein Knecht wollte sein Gewissen erleichtern und deshalb zur Beichte gehen. Das ist besonders vor einem hohen christlichen Feiertag der Brauch. Obendrein kostete diese Gewissenserleichterung nichts außer dem auferlegten Beten von zehn Vaterunsern.

In der Wahlkabine Gottes, dem Beichtstuhl, konnte er ja nur gewinnen, brauchte er doch weder eine angekreuzte Liste einzuwerfen, noch dem Pfarrer direkt in die Augen zu sehen, saß dieser doch hinter einem fein geschnitzten hölzernen Gitter, das auch noch durch einen Vorhang verschlossen war.

Schlitzohr

Er gestand flüsternd, so wie man es zu tun pflegt, dem Pfarrer, dass er gestern Nacht drei Kubikmeter (drei Ster) gespaltenes Holz aus dem Garten des hochwürdigen Herrn Pfarrers gestohlen habe. Er bereue dies, so wie es im Katechismus steht, tief.

Zudem habe er vor der Beichte in der Kirchenbank gekniet und Gewissenserforschung betrieben, so wie er es vor Jahrzehnten gelernt hatte. Die Stimme des Beichtvaters klang verwundert: „Aber ich vermisse doch nur zwei Ster.“ Worauf der Knecht mit bedrückter Stimme erwiderte: „Den dritten Ster hol‘ ich erst morgen.“

Politisches Gewissen?

Reue, gerade in großen gesellschaftlichen Belangen, ist seltener als bei dem entwendeten Buchenholz. Doch die politischen Sünden der Knechte des Volkes wiegen schwerer als Tausende Ster Holz. Der Verlust an Sicherheit, der Verlust der Geldwertstabilität, der Verlust von günstiger Energie haben aber im säkularen Staat keine göttlichen und finanziellen Konsequenzen. Die Politiksünder werden gut gepolstert in den Ruhestand oder auf einen Versorgungsposten versetzt.B

Wo diese Damen und Herren einst landen, möglicherweise dort, wo Heulen und Zähneknirschen (Mt 8,12; Offb 20,15) die Tagesordnung bestimmen, ist für uns Irdische nicht vorhersehbar. Der Beichtstuhl der Politik heißt heute Untersuchungsausschuss. Der Spruch ‚Wir werden einander viel verzeihen müssen‘“, wurde vorsorglich in den Ring geworfen. Fragt sich nur, wer mit „wir“ gemeint ist.

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Meinrad Müller
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Meinrad Müller (68), Unternehmer im Ruhestand, kommentiert mit einem zwinkernden Auge Themen der Innen-, Wirtschafts- und Außenpolitik für Blogs in Deutschland. Seine humorvollen und satirischen Taschenbücher sind auf Amazon zu finden.

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