Donnerstag, 28. März 2024

„Rechtsradikale Silvesterkrawalle“ in Borna: Fakenews, die SPD-Politiker verbreiteten

(David Berger) Ob es der ARD-Presseclub oder v.a. SPD-Politiker von Lars Klingbeli bis Giffey waren, die sich über „Sieg Heil“-Rufe und „rechtsradikale Umtriebe“ zu Silvester in Borna echauffierten, jetzt ist klar: Sie gingen einer Fakemeldung auf den Leim, die aber gut in ihr Konzept passte. 

Die den SPD-Politikern vermutlich sehr gelegen kommende, wohl von t-online, dessen Motto seit Neuestem „Kopf aus. Spaß an!“ (siehe Vorschaubild) ist, zuerst in die Welt gesetzte Fakenachricht bekam schon am 9. Januar konnte durch einen Artikel im Tichy-Magazin erste Risse.

Ausgerechnet die „ZEIT“, auf die sonst fast immer Verlass ist, wenn es um der Regierung gewogenen Nachrichten geht, hat nun t-online, Lars Klingbeil und die anderen der Lüge überführt. Anne Hähnig, ihres Zeichens ZEIT-Redakteurin, in unserem Tweet des Tages:

Übertrieben bis erfunden

„In den zurückliegenden Tagen machte hier eine Meldung über die Silvesternacht in Borna die Runde. Ich war am Montag dort, habe recherchiert und erfahren, dass nach derzeitigem Wissensstand vieles in der Berichterstattung übertrieben ist. Der Reihe nach: Alles begann mit einem Text bei @tonline, aus dem hervorgeht, dass 200 Personen auf dem Marktplatz gewütet und randaliert hätten, es seien das Rathaus und die Polizei angegriffen worden, Anwohner hätten von „Sieg Heil“-Rufen berichtet.

Meinen Recherchen zufolge kann von 200 Randalierern wohl keine Rede sein. Es waren zwar 200 Personen auf dem Marktplatz (knapp die Hälfte davon waren Augenzeugen zufolge offenkundig Menschen mit Migrationshintergrund). Nach den Angaben der Polizei stachen unter den 200 Feiernden etwa 30 Personen hervor, weil sie vermummt waren und gezielt die Beamten und das Rathaus angriffen sowie versuchten, den Weihnachtsbaum mit Böllern anzuzünden.

Von rechtsextremen Parolen weiß die Polizei nur aus Presseberichten – weder die anwesenden 12 Polizisten haben bisher etwas dergleichen berichtet noch habe ich Anwohner getroffen, die so etwas gehört haben. Worauf also beruft sich @tonline? Augenscheinlich auf den Facebook-Kommentar einer Frau. Die ärgert sich mittlerweile über die Berichterstattung und hat ihren Kommentar gelöscht.

„Stimmt mit der Faktenlage nicht überein“

Mir sagte sie, der Journalist habe sie nicht kontaktiert und nach Hintergründen gefragt. Sie habe in der Silvesternacht tatsächlich eine Gruppe gehört, die an ihrem Fenster entlanglief und „Sieg Heil“ schrie, ihrem Eindruck nach bis zu zehn Personen. Ob diese Gruppe die Randale orchestriert hat, daran beteiligt  oder gar 200 Personen um sich scharte (wie von mehreren reichweitenstarken Twitterern hier behauptet) könne sie nicht wissen, sagte die Frau.

Dass es in Borna also ein Problem mit rechtsextremen Jugendlichen gibt, liegt nahe. Dass dort an Silvester 200 Menschen gewütet hätten oder dass „Sieg Heil“-rufend Rettungskräfte attackiert worden seien (wie etwa Lars Klingbeil behauptet hat) stimmt mit der bisher bekannten Faktenlage nicht überein.“

Hier geht es zum gesamten Tweet:

In den zurückliegenden Tagen machte hier eine Meldung über die Silvesternacht in Borna die Runde. Ich war am Montag dort, habe recherchiert und erfahren, dass nach derzeitigem Wissensstand vieles in der Berichterstattung übertrieben ist. Der Reihe nach: Alles

— Anne Hähnig (@anne_haehnig) January 11, 2023

Haben die Medien aus Chemnitz gelernt?

Lars Klingbeil musste inzwischen einräumen, dass er sich „auf andere Meldungen verlassen“ habe: „Da hätte ich vor einer öffentlichen Aussage dazu gründlicher nachfragen müssen. Sorry.“ Dass dies bei seinem Umgang mit der Realität einen grundsätzlichen Gesinnungswandel bewirken wird, wage ich zu bezweifeln.

Anders als bei den bekannten Hetzjagden von Chemnitz, bei denen sowohl die Bundesregierung wie deren gleichgeschaltete Medien von linksextremen Twitter-Posts am Nasenring durch die Manege geführt wurden, scheinen diesmal die Medien aber dazu gelernt haben:

Eine Nachricht ist nicht dann fakenewsfrei, wenn sie ins politische und ideologische Konzept des Regimes passt, sondern wenn sie irgendwie durch Fakten hinterlegbar ist. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, die jedoch durch das komplett von journalistischer Ethik freie Agieren der Fakenewsprüfer in Vergessenheit geraten ist.

David Berger
David Bergerhttps://philosophia-perennis.com/
David Berger (Jg. 1968) war nach Promotion (Dr. phil.) und Habilitation (Dr. theol.) viele Jahre Professor im Vatikan. 2010 Outing: Es erscheint das zum Besteller werdende Buch "Der heilige Schein". Anschließend zwei Jahre Chefredakteur eines Gay-Magazins, Rauswurf wegen zu offener Islamkritik. Seit 2016 Blogger (philosophia-perennis) und freier Journalist (u.a. für die Die Zeit, Junge Freiheit, The European).

Trending

VERWANDTE ARTIKEL