„Jener letzte Tag, vor dem du zurückschreckst, ist der Geburtstag der Ewigkeit“. (Seneca)
Ein Gastbeitrag von Dr. Udo Hildenbrand
Den Wechsel der Jahreszeiten so intensiv beobachten und miterleben zu können, wie es in unseren Breitengraden möglich ist, ist schon etwas Besonderes. Kostenlos wird mir das ganze Jahr über ein Naturszenario mit allen Variationen geboten: Sonne und Regen, Gewitter und Stürme, Nebel und Schnee, alle Farben der Natur bis hin zum Grau in Grau in den vielfältigen Schattierungen des Tageslichtes …
Doch ich bleib´ dabei keineswegs nur Zuschauer. Mit meinem körperlichen und seelischen Empfinden bin ich in diese Naturvorgänge einbezogen, manchmal belastet, manchmal bereichert.
„Der Tod ist gewiss, die Stunde ungewiss“
Beim Nachdenken darüber wird mir auch klar: Hinter diesen oft beglückenden, gelegentlich aber auch bedrückenden Naturvorgängen verbergen sich die elementaren Prozesse allen Lebens, nämlich das Wachsen und Werden, das Reifen und Vergehen. Und ich selbst bin dabei mittendrin einer der unendlich vielen Mitspieler/innen im großen Spiel des Lebens.
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Deshalb ist auch für mich der elfte Monat eigentlich „der schlimmste der zwölf Brüder“ (Jean Paul).
„Totenmonat“, Allerheiligen (mit dem Gräberbesuch), Allerseelen, Volktrauertag, Totensonntag
Dazu kommen die Gedenktage, die dem Monat November seinen düsteren Beinamen geben: „Totenmonat“, Allerheiligen (mit dem Gräberbesuch), Allerseelen, Volktrauertag, Totensonntag. Beim Gedenken an die Toten stellen sich bei mir immer auch Gedanken an die eigene Sterblichkeit ein. Gelegentlich kommt mir dabei auch jene mittelalterliche Legende in den Sinn, die daran erinnert: Was unsere Toten einst waren, sind wir Lebenden jetzt. Was sie jetzt sind, werden wir alle einmal sein.
Trostlose Aussichten!? Jedenfalls Realität. Und ich möchte nicht zu jenen zählen, die verdrängen, dass der Tod wie das Geborenwerden zum Leben gehört. Ich kann und will nicht zu mir selbst realitätsfern und selbsttäuschend sagen: „Sterben − das tun doch nur die anderen!“ Nein, viel lieber lass ich mir vom heidnischen Philosophen Seneca (1. Jh. n. Chr.) sagen:
„Jener letzte Tag, vor dem du zurückschreckst, ist der Geburtstag der Ewigkeit“.
Wie zutreffend und hilfreich ist auch sein Rat:
„Richte dein Streben dahin, dass der Name des Todes seinen Schrecken für dich verliert. Mach ihn dir durch häufiges Nachdenken vertraut, damit du, wenn es die Umstände fordern, ihm sogar entgegensehen kannst“.
Dieser Rat will ganz gewiss nicht zu einem ständigen, unaufhörlichen Nachdenken über den Tod motivieren. Denn jenes angstvolle Sinnieren, das nur noch das eigene Sterben, den eigenen Tod zwanghaft umkreist, führt allmählich zu krankhaften Zuständen und schließlich sogar zur Selbstzerstörung.
Nicht, dass die Gedanken an Sterben und Tod und das Sprechen darüber auch für mich als einem gläubigen Christen völlig angstfrei, gar angenehm wären. Doch der Tod ist für mich keine trostlose Endstation, kein banales „Basta − Aus“. Über die Wegstrecke von Streben und Tod geht der Weg hinein in eine andere Welt. Es ist eine Welt, die mir auch jetzt nicht vollkommen verschlossen, nicht gänzlich unbekannt ist.
Die lichtvolle Welt Gottes, der ich jeden Tag ein kleines Wegstück näher komme
Denn seit meiner frühen Kindheit hab ich mir diese Welt „dort oben“ durch ein langes Leben hindurch immer mehr vertraut gemacht. Oder besser: sie wurde mir vertraut gemacht: Es ist die lichtvolle Welt Gottes, der ich jeden Tag ein kleines Wegstück näher komme. Es ist Gott selbst, auf den ich zugehe. Und noch mehr: Es ist Gott selbst, der mir von dort entgegenkommt.
Der November-Auftakt, der Allerheiligentag, zeigt mir auf spezifische Weise das endgültige Ziel meines Lebens auf: Die Vollendung und Glückserfüllung des Lebens in Gott zusammen mit einer unzählbaren Schar von Menschen, die auch als Heilige verehrt werden. Dazu zählen auch all jene, „die vor Gott Gnade gefunden haben von Anbeginn der Zeit“ (Katholische Liturgie).
Natürlich will auch ich einmal zu dieser Gemeinschaft der Glückseligen gehören, die „das große Los ihres Lebens gezogen haben“, in der letzten und bleibenden Heimat, im Himmel zu sein. Dazu zugehören, ist mir durch Jesus Christus verheißen, der „die Auferstehung und das Leben“ ist. Denn wer an IHN glaubt, „wird auf ewig nicht sterben“ (Johannes 11,25).
Lichter auf den Gräbern
So hat der Monat November, „der schlimmste der zwölf Brüder“, auch eine helle, hoffnungsfrohe Seite. Warum? Weil ich − trotz aller Ungewissheiten und Fragen − fest an das österliche Geheimnis der Auferstehung glaube und mit allen gläubigen Christen bekenne: „Ich glaube an die Auferstehung der Toten und das ewige Leben“. Auch die Lichter auf den Gräbern unserer Heimgerufenen künden davon.
Außerdem ist zu bedenken: Die Dauer unserer Pilgerschaft in dieser Welt ist eine lange, die nicht immer Erfreuliches für unser Leben bereit hält. Dafür ist sie voll von Mühseligkeiten und Kümmernissen, Verleumdungen und vielen Beschwerden. Es fließen viele Tränen und es gibt niemanden, der trösten könnte (Vgl. Koh 4,1). Wenn also das Leben voller Mühsal ist, dann bringt doch gewiss sein Ende Erleichterung. Erleichterung ist aber etwas Gutes; nun aber ist der Tod dieses Ende, also ist der Tod ein Gut und damit ein Freund. (Vgl. Ambrosius von Mailand, Der Tod ein Gut)
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Unser Autor, Dr. Udo Hildenbrand aus Bühl in Baden, ist katholischer Priester und Spiritual eines Klosters
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