Dienstag, 19. März 2024

Dumm oder „rechtsextrem“: Diffamierung der Demonstranten gegen die Lockdown-Maßnahmen

Entweder dumm oder „rechtsextrem“ oder beides: Pauschal werden Demonstranten gegen die Lockdown-Maßnahmen diffamiert. Der aggressive Ton von Politik und Medien lässt sich als Angst deuten. Ein Gastbeitrag von Erik Lommatzsch

Die Art und Weise, auf welche sich das Land von der Corona-Problematik beherrschen lässt, hat sich grundsätzlich geändert. Um Schutz vor Infektionen, um die Minimierung von Krankheitsrisiken geht es nur noch am Rande. Dreh- und Angelpunkt sind die Maßnahmen, welche seit Monaten auf nahezu dem gesamten Leben lasten.

Großer Teil der Bevölkerung hält Maßnahmen inzwischen für fragwürdig

Doch ein recht großer Teil der Bevölkerung ist inzwischen der Ansicht, dass der Sinn der Einschränkungen oder der neuen Regelungen, die als Preis für von oben „zugestandene“ Lockerungen zu zahlen sind, mehr als fragwürdig ist. Die Unmutsäußerungen sind zahlreich. Seit Ende April finden vielerorts Demonstrationen statt, was die Teilnehmerzahl betrifft, mit deutlich steigender Tendenz.

Die Politik sieht sich inzwischen von qualifizierter Seite mit dem Vorwurf konfrontiert, in der „Corona-Krise“ kopflos und unverhältnismäßig gehandelt, Panik befördert und in Wirtschaft, Gesellschaft sowie im Gesundheitssystem immensen Schaden verursacht zu haben. Unterstützt von großen Medien, die sich inzwischen eher als Sprachrohr der Regierung denn als unabhängige „vierte Gewalt“ verstehen, sowie von einigen Prominenten und Wissenschaftlern, reagiert die Politik auf den Protest mit Beschimpfungen und pauschalen Unterstellungen oder damit, die Kritiker schlichtweg für dumm zu erklären.

Großer Beliebtheit erfreut sich ein Muster, welches etwa auch bei AfD-Wählern oder „Klimaleugnern“ angewandt wird. Man präsentiert einen extremen Ausnahmefall als repräsentativ für alle. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Forderungen der weitaus meisten, die sich zu Demonstrationen versammeln oder anderweitig das Wort ergreifen, erfolgt nicht. Zwar dürfte so manche Lockerung eine Folge des Drucks von der Straße sein, zugeben wird man das allerdings wohl kaum.

„Spinner“ und „Wirrköpfe“

Vieles wirkt, als ob Politik und Medien Angst vor besagtem Druck, Angst vor dem Volk haben. Das aggressive Vokabular spricht Bände. Drohend gibt sich ARD-Chefredakteur Rainald Becker, der verkündet: „Der Status quo ante, also zurück zur alten Normalität, ist vielen Wirrköpfen, die sich im Netz unter ‚Widerstand 2020′ und anderen Namen tummeln, nachgerade ein Herzensanliegen. All diesen Spinnern und Corona-Kritikern sei gesagt: Es wird keine Normalität mehr geben wie vorher.“

In der einst altehrwürdigen „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ („FAZ“) äußert sich Innenpolitik-Ressortleiter Jasper von Altenbockum auf ähnlichem Niveau. Ein „Brett vor dem Kopf“ gehöre nicht zu den Grundrechten. „Was sich ‚Widerstandskämpfer’… im Protest gegen eine ‚übertriebene‘ Corona-Politik geleistet haben, ist zu Markte getragene Ignoranz. Sie erinnern fatal an die ‚Zivilcourage‘ à la Pegida.“ Die Polizei könne „trotz aller Verstöße gegen geltende Verbote“ wenig gegen die Demonstranten ausrichten, was „beunruhigend“ sei. Einen Vorschlag hält ein von der Leserbriefredaktion der „FAZ“ abgesegneter Kommentar bereit: Natürlich könne die Polizei handeln: „Wasserwerfer ankündigen und wer dann nicht geht, müsste seinen Einsatz ertragen.“

Mit Schlagzeilen wie „Wut unterm Aluhut“ – so ein „Spiegel-TV“-Titel – wird ein der Science-Fiction-Literatur entlehnter Begriff für Verschwörungstheoretiker verbreitet wie nie zuvor. Gern werden alle Opponenten als „Aluhüte“ diffamiert.
Die ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Margot Käßmann, macht nicht nur mittels Anführungszeichen deutlich, was sie von Meinungsäußerungen abseits der Regierungslinie hält: „Was sich derzeit als ‚Demonstration‘ zusammenfindet, um gegen die Corona-Beschränkungen zu protestieren, ist für mich schlicht eine Zusammensetzung aus krudem Schwachsinn einerseits und rechter Ideologie andererseits.“

Die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker steht ihr da in nichts nach: „Mit großer Empörung habe ich … die unangemeldete Demonstration einer rechtsextremen und verschwörungstheoretischen Mischpoke in unserer Stadt wahrgenommen.“ Im Bundestag qualifiziert der SPD-Abgeordnete Helge Lindh die umfassende Analyse von ausgewiesenen Fachleuten, die der Corona-Politik der Regierung ein vernichtendes Zeugnis ausgestellt haben, als eine Aussage „renitenter Wissenschaftler“ ab. Lindhs Parteifreund, der Berliner Innensenator Andreas Geisel, bezeichnet die Proteste zwar als legitim – aus dem Munde eines Politikers der Bundesrepublik Deutschland bereits eine herablassende Ungeheuerlichkeit –, schränkt dann jedoch gleich ein: „Da sind aber auch Rechtsextremisten, Reichsbürger und Systemverächter, die auf einmal mit dem Grundgesetz durch die Gegend laufen. Das ist eigentlich verkehrte Welt.“

Brutale Antifa-Gewalt

Der Thüringer Innenminister Georg Maier, ebenfalls SPD, erklärt: „Was uns alarmiert, ist der Versuch von Extremisten, die Proteste zu kapern.“ Auch kippe „der Protest schnell ins Antisemitische“. Sekundiert wird die Politik von Sozialwissenschaftlern. Der Politologe Tom Mannewitz sagt im Deutschlandfunk, zur Einschätzung des Ganzen fehlten zwar die Daten, er glaube aber, der „Grundtenor“ neige sich „schon eher nach rechts“. Und Bundesverfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang sieht „einen Trend, dass Extremisten, insbesondere Rechtsextremisten, das Demonstrationsgeschehen instrumentalisieren“. Sie könnten sich mit „staatszersetzenden Zielen an die Spitze“ stellen.

Die Realität vor Ort gibt meist ein völlig anderes Bild. Zu dieser Realität gehört beispielsweise eine verstärkt aufmarschierende Antifa, die sich massiv gegen die Proteste wendet, wobei unklar ist, welche Ziele sie dabei eigentlich verfolgt. Kurioserweise stellt sie sich mit ihrem Agieren in den Dienst der sichtlich um Deutungshoheit ringenden Regierung. Eine andere Sprache als die spekulativen, sich an Einzeläußerungen festklammernden Beurteilungen durch Politik und Medien spricht auch die Tatsache, dass drei Stuttgarter Demonstrationsteilnehmer von Linksextremisten verletzt wurden, einer davon lebensgefährlich. Die Polizei ermittelt wegen versuchten Totschlags. Die veröffentlichte Empörung über den Vorfall hält sich in sehr engen Grenzen.

Der Artikel erschien zuerst in der PAZ.

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