Am 8. beziehungsweise 9. Mai vor 75 Jahren war der 2. Weltkrieg beendet – wenigstens in Europa, dessen Neuordnung unter deutscher Vorherrschaft die Nationalsozialisten im Krieg angestrebt hatten. Ein Gastbeitrag von Herwig Schafberg
Ebenfalls am 9. Mai ist der Tag zum Gedenken der Erklärung, mit der Robert Schuman – damals als französischer Außenminister – vor 70 Jahren den ersten Schritt zur Einheit Europas tat. Nach diesem Weltkrieg war die Einsicht gewachsen, daß man nicht bloß die zerstörten Städte wieder aufbauen, sondern zur Vermeidung weiterer Kriege auch die europäischen Nationen auf einer gemeinsamen Grundlage vereinen müßte. Dafür bot sich vor allem die Religion an.
Doch unsere Zivilisation wurde nicht bloß von der christlichen Urgemeinde in der „heiligen Stadt“ Jerusalem ausgehend beeinflußt und schon gar nicht von der muslimischen Umma in Medina, der sogenannten Stadt des Propheten. Was wir in Westeuropa mit unterschiedlicher Akzentsetzung insbesondere unter Gewaltenteilung sowie Rechtsordnung verstehen, hat seine Ursprünge in der demokratischen Polis des antiken Athen und der Res publica des alten Rom, nicht etwa im Polititbüro der Kommunisten in Moskau oder in Hitlers völkischem Milieu von München.
Migranten-, Virus- und Finanzkrisen kommen und gehen. Bleibt Europa dennoch bestehen?
Wer nach dem Ursprung des Begriffs Europa fragt, denkt vielleicht an den Historiker Herodot aus dem antiken Hellas. Von ihm ist die älteste uns bekannte Quelle, in der Europa genannt wird: „Die Perser sehen Asien mit seinen Völkern als ihr Land an. Europa und das Land der Griechen (Hellenen), meinen sie, liegt vollkommen außerhalb ihrer Grenzen“. Wo Herodot sowie die Perser Europas Grenzen sahen, ist nicht bekannt; wir können aber davon ausgehen, daß sie von den Kerngebieten des heutigen Europa kaum etwas wußten.
Sie konnten auch nicht wissen, daß im 4. Jahrhundert v. Chr. Alexander der Große Persien erobern und sich in seinem Gefolge der Hellenismus an den Küsten des östlichen Mittelmeeres und darüber hinaus verbreiten würde – daß zudem weiter westlich Rom zur Großmacht aufsteigen und die Länder rund um das Mittelmeer unter seiner Herrschaft vereinigen, sich aber auch dem Einfluß des Hellenismus öffnen würde. Dadurch entstand ein politisch, kulturell und auch ökonomisch geschlossener Großraum, aus dem sich später unser Europa heraus entwickelte.
Mit der Ausdehnung des Römischen Reiches wurde nicht bloß die antike Oekumene für Jahrhunderte befriedet („Pax Romana“), sondern auch eine Wohlstandszone geschaffen, die von Britannien bis nach Ägypten sowie von Spanien bis nach Anatolien reichte und die – wie heute die Europäische Union (EU) – Migranten aus anderen Ländern anzog. Das Römische Reich brauchte ebenso wie die EU Arbeitskräfte aus dem Ausland für Arbeiten, für die es im Reich an Arbeitswilligen fehlte, und benötigte zur Grenzsicherung militärischen Nachwuchs, den es bei „Hilfsvölkern“ in der Nachbarschaft anwarb. Anders als heute kamen die Migranten nicht nur aus dem Süden, sondern vor allem aus dem Norden – und im Laufe der germanischen Völkerwanderung wurden es immer mehr Stämme, die am Wohlstand im Römischen Reich teilhaben wollten, das Reich damit jedoch überforderten.
Zu den ersten Eindringlingen in jener Epoche gehörten Goten. Der römische Kaiser Valens versuchte zunächst, die Einwanderung vertraglich zu steuern. Das klappte damals aber so wenig wie heute. Irgendwann forderten die Goten das Recht auf unbeschränkte Einwanderung, überquerten die Donau und ließen sich nicht von römischen Beamten aufhalten, die diese Migranten wenigstens registrieren wollten. Es kam zur Schlacht von Adrianopel, in der die Goten das römische Heer besiegten (378), sich dann jedoch Richtung Westen aufmachten und in Gallien sowie Spanien ansiedelten.
Nach ihnen fielen weitere Goten sowie andere Germanen ins Weströmische Reich ein, die es im Laufe des 5. Jahrhunderts untereinander aufteilten. Und die kaiserliche Herrschaft wurde von einem römischen Heerführer germanischer Abstammung beendet (476). Doch die neuen Herren paßten sich – zum Christentum konvertiert – den kulturellen Verhältnissen im alten Reich an und wurden allmählich romanisiert.
Teilung des Mittelmeerraums zwischen christlichem Abendland und islamischem Orient
Nachdem Kaiser Konstantin das Christentum offiziell anerkannt und Kaiser Theodosius es zur Staatsreligion erklärt hatte, war es vorbei mit der Tolerierung nichtchristlicher Kulte und das Imperium Romanum wurde im 4. Jahrhundert zum Imperium Christianum – mit unverändertem Anspruch auf Universalherrschaft. Das Reich wurde zwar nach Theodosius endgültig geteilt (395) und existierte nach der germanischen Landnahme im Westen nur noch im byzantinischen Osten als Staat; doch die Reichsidee lebte auch im lateinischen Westen weiter, wurde dort von der Römischen Kirche wachgehalten und mit der Krönung Karls des Großen, Königs der Franken, zum römischen Kaiser durch den Papst (800) realisiert.
Mit dem Machtzuwachs der fränkischen Könige und deren Aufstieg zu römischen Kaisern war das Zentrum des Reiches vom Mittelmeerraum in Regionen verlagert worden, die einst zur Peripherie des Imperium Romanum gehört hatten. Dieses neue Kaiserreich erstreckte sich nicht wie das alte ungeteilte über drei Kontinente, sondern umfaßte – wie man seinerzeit sagte – lediglich „Europa“, als ob dieses an den Reichsgrenzen endete, die vom Rhein- und Donaulimes bis zur Elbe vorgeschoben waren.
Neben dem fränkisch dominierten Reich im Westen existierte das byzantinische Ostrom, dessen Herrschaft von der Balkanhalbinsel bis nach Anatolien, aber seit dem Verlust großer Gebiete in Vorderasien und Nordafrika an arabische Eroberer im 7. Jahrhundert nicht mehr darüber hinaus reichte. War die Einheit des Mittelmeerraums über die Reichsteilung hinaus kulturell bewahrt worden, hatten die Eroberungen muslimischer Araber von der arabischen bis zur iberischen Halbinsel bewirkt, daß dieser Raum nun dauerhaft zwischen dem christlichen Abendland und dem islamischen Orient geteilt war.
Zu den Folgen gehörte, daß mit der byzantinischen Obrigkeit auch das hellenisierte Christentum nach Anatolien zurückdrängt wurde, sich aber auch dort nicht als Leitkultur halten konnten. Während christliche Könige auf der iberischen Halbinsel die muslimischen Emirate zurückdrängten, begannen türkische Muslime im 11. Jahrhundert mit der Landnahme Anatoliens, das seit dem Zeitalter des Hellenismus zu Europa gehört hatte. Die Türkisierung des Landes wurde – bis auf die Kurdengebiete – mit dem Völkermord an den Armeniern im 1. Weltkrieg und dem Exodus der letzten Griechen kurz nach diesem Krieg abgeschlossen.
Die Türken waren im 14. Jahrhundert von Anatolien auf die Balkanhalbinsel vorgestoßen und errangen mit der Eroberung Konstantinopels (1453) den größten Sieg der Muslime über die Christenheit, der von Türken sowie anderen Muslimen bis heute gefeiert wird; denn daß mit dem Besitz der byzantinischen Kaiserstadt – die als „Zweites Rom“ galt – der Anspruch auf Universalherrschaft sinnbildlich klargestellt war, glaubten nicht bloß Christen, sondern auch Muslime.
Im Laufe ihrer weiteren Eroberungszüge kamen die Türken bis vor Wien, die kaiserliche Residenzstadt des „Heiligen Römische Reiches deutscher Nation“; sie wurden dort aber zurückgeschlagen (1683) und verloren in den folgenden Kriegen bis Anfang des 20. Jahrhunderts die meisten ihrer Eroberungen auf dem Balkan. Die russische Kaiserin Katharina die Große wollte sogar – von Voltaire angefeuert – ihr „griechisches Projekt“ realisieren und die Türken aus Konstantinopel vertreiben, ließ jedoch davon ab. Die römisch-byzantinische Kaiserstadt ist in türkischer Hand geblieben und gehört insofern geographisch, aber nicht zivilisatorisch zu Europa. Die Türken übernahmen zwar besonders unter der Führung Kemal Atatürks Gesetze europäischer Staaten, aber nicht das, was Montesquieu den „Geist der Gesetze“ nannte.
Alleinherrschaft im Osten und Gewaltenteilung im Westen Europas
Das zum Imperium Christianum gewordene Imperium Romanum bildete die Grundlage für die zivilisatorische Weiterentwicklung nicht bloß im orbis terrarum der alten Römer: Weniger im islamisierten Orient als viel mehr im Occident, der weit über die alten Reichsgrenzen hinaus christianisiert wurde. Im Westen waren es Missionare der Römischen Kirche, die das Christentum bis nach Irland sowie Skandinavien verbreiteten und den Gläubigen im Einflußbereich der Kirche beibrachten, wie dem Herrn im Himmel, aber auch den Herren auf Erden zu dienen wäre. Und im Osten – besonders in Rußland – waren es griechisch-orthodoxe Missionare, die mit den gleichen Absichten zu Werke gingen.
Wie die Griechisch-Orthodoxe Kirche unter der Oberaufsicht der byzantinischen Kaiser gestanden hatte, nahmen auch die russischen Alleinherrscher für sich in Anspruch, weltliches und geistliches Oberhaupt zu sein. Seitdem das „Zweite Rom“ untergegangen war, gaben sich die Großfürsten von Moskau als rechtmäßige Nachfolger der byzantinischen Kaiser (Zaren) und ihre Stadt demgemäß als „Drittes Rom“ aus. Geistliche hatten die Aufgabe, den Herrschaftsanspruch des Zaren zu legitimieren und für ihn „Bittsteller vor Gott“ zu sein, waren im Unterschied zu anderen Untertanen aber von der Leibeigenschaft freigestellt.
Verschenkte der Zar an Gefolgsleute Grund und Boden, schloß solch eine Schenkung sämtliche dort ansässigen Bauern ein, die als Leibeigene dem Grundherrn sowie dem Staatsoberhaupt gehorsam zu dienen und Abgaben zu leisten hatten. Auch nachdem die Leibeigenschaft im 19. Jahrhundert abgeschafft worden war, mußten die Bauern dem Staat mit ihrer Person sowie ihrem Eigentum weiterhin treu ergeben dienen und kollektiv für das Steueraufkommen ihrer Dorfgemeinde haften. Ein derartiges Staats- und Kollektivverständnis hielt sich auch in der kommunistischen Ära (ab 1917), in der die Bürger von der allmächtigen Parteiführung ebenso unerbittlich für den Aufbau des Sozialismus eingespannt wurden wie zur Zarenzeit die Bauern für den Frondienst.
Im Westen dagegen war mit der Krönung Karls des Großen ein duales Herrschaftssystem entstanden und so ein erster Schritt auf dem Wege getan, der in Europa zu jener Gewaltenteilung führte, die wir heute haben. Während die Päpste sich lediglich als geistliches Oberhaupt der Römischen Kirche – mit universalem Geltungsanspruch – verstanden, nahmen die Kaiser für sich in Anspruch, weltliches Oberhaupt des christlichen Abendlandes zu sein.
Doch sie konnten diesen Anspruch weder außerhalb des Reiches gegen Herrscher anderer Länder durchsetzen noch im Innern gegen Landesfürsten, mit denen sie sich die Herrschaft teilen mußten. Sie gerieten zudem im 11. Jahrhundert in Konflikt mit Päpsten um die Investitur von Bischöfen, denen die Kaiser Hoheitsrechte eingeräumt hatten, um zu den weltlichen Fürsten ein Gegengewicht zu schaffen.
In den Reichsgebieten Deutschlands und Italiens wurden die Fürsten im Laufe des Mittelalters und der frühen Neuzeit mehr oder weniger unabhängig vom Kaiser, brachten teilweise auch Städte unter ihre Kontrolle und zentralisierten mit ihrem Anspruch auf absolute Herrschaft die Verwaltung in ihren Hoheitsgebieten zu Lasten der Feudalherren sowie des städtischen Bürgertums, aber auch des Reichsoberhauptes. Die Kaiserkrone war schon im 10. Jahrhundert von den fränkischen zu den deutschen Königen gelangt, deren Reich sich vom karolingisch beherrschten Frank(en)reich gelöst hatte. Und die Krone blieb in Deutschland, bis das „Heilige Römische Reich deutscher Nation“ unterging (1806) – auf Druck Napoleon Bonapartes, der während der Großen Revolution (ab 1789) in Frankreich an die Macht gekommen war und sich – am römischen Vorbild orientierend – zum Konsul ernennen lassen und dann zum Kaiser der Franzosen gekrönt hatte (1804).
Anders als die deutschen Könige beziehungsweise römischen Kaiser der Neuzeit waren in der Zeit die Könige von Frankreich ebenso wie andere Herrscher in Europa zu absoluten Herrschern aufgestiegen und hatten den Einfluß der Stände (Adel, Klerus und Bürgertum) minimiert, wurden jedoch während der Großen Revolution gestürzt und durch ein demokratisches, aber nichtsdestoweniger diktatorisches Regime ersetzt, das nicht bloß den abgesetzten König, sondern auch Angehörige des Adels sowie des Klerus zu Tausenden hinrichten ließ, bevor Napoleon Bonaparte an die Spitze des Staates gelangte und die Revolution für beendet erklärte.
Solider als in Frankreich, Deutschland sowie anderen Ländern Europas bildete sich im Vereinigten Königreich von Großbritannien und Irland eine Staatsordnung heraus, die mit ihrer Machtbalance zwischen Monarchie, Aristokratie und Demokratie jenem altrömischen Herrschaftssystem ähnlich wurde, das man besonders vom Prinzipat in der Übergangszeit von der Republik zum Dominat der späteren altrömischen Kaiser kennt. Eine gewisse Ähnlichkeit mit der republikanischen Staatsform in Rom hat auch die US-amerikanische mit ihren demokratisch gewählten Beamten einschließlich des Präsidenten, dessen Amtszeit wie die eines römischen Konsuls zeitlich begrenzt ist, sowie dem Senat, der allerdings im Unterschied zum römischen keine verbrieften Adelsprivilegien kennt.
Erweiterung des Horizonts in räumlicher sowie geistiger Hinsicht
Im gleichen Zeitraum, in dem die muslimischen Türken ein Balkanland nach dem anderen ihrer Herrschaft unterwarfen und der Islam dort zur vorherrschenden Religion wurde, setzten christliche Könige in Spanien die Rechristianisierung fort. Kaum hatten sie mit der Einnahme Granadas das letzte muslimisch dominierte Reich auf der iberischen Halbinsel vernichtet, überquerte Kolumbus im Auftrag von Königin Isabella den Atlantik (1492), um in westlicher Richtung einen Seeweg nach Indien zu finden, und entdeckte unwissentlich einen neuen Kontinent, der den Namen Amerika erhielt.
Europa wuchs seit Beginn der Neuzeit in geograhischer Hinsicht weit über sich hinaus: Während die russischen Zaren ihr Reich zu Lasten der islamisierten Turktataren ausdehnten und ein riesiges Gebiet zwischen Ural und dem fernen Osten Asiens gewissermaßen als Vorfeld für das christliche Abendland gewannen, waren es im Westen Spanier und nach ihnen Portugiesen, Franzosen, Briten und andere Europäer, die mit der Erschließung Amerikas unter wirtschafts-, siedlungs- sowie kulturgeographischen Gesichtspunkten Europa über den Atlantik hinweg erweiterten und mit dem Christentum auch ihre Zivilisation verbreiteten, sich in dem Zusammenhang allerdings nicht scheuten, mit dem Kreuz in der einen sowie dem Schwert in der anderen Hand die Indigenen zu verdrängen, zu unterdrücken und auszubeuten.
Die Europäer befreiten sich aber nicht bloß aus ihrer engen Lage zwischen Ural und Atlantik, Barentssee und Mittelmeer, an dessen Küsten in der Levante muslimische Herrscher den Zugang zum Orient versperrten, den die Kreuzritter zeitweilig im Vorgriff auf neuzeitliche Interventionen der Europäer erkämpft hatten; in der westlichen Hemisphäre wurde auch „die Freiheit des Christenmenschen“ errungen. Anders als Martin Luther das mit diesen Worten meinte, geschah nicht allein durch die Reformation, durch die Christen sich in vielen Ländern von der Vormundschaft des Römischen Klerus emanzipierten und von Rom unabhängige Kirchengemeinden gründeten; umwälzender als die Reformation war die Renaissance beziehungsweise Wiederentdeckung von Erkenntnissen altgriechischer Philosophen, die für Weltanschauungen in der Neuzeit ebenso bahnbrechend war wie die Entdeckung der „Neuen Welt“ jenseits des Ozeans.
So bedeutend das muslimische Cordoba als Ideenschmiede und Umschlagplatz für Gedanken aus der Antike sein mochte, fanden diese Gedanken während des 14./15. Jahrhunderts auch direkt von Byzanz den Weg ins übrige Europa und machten zunächst in Italien Station, wo sie im Zusammenwirken mit altrömischen Ideen das geistige und politische Leben in Stadtstaaten wie Florenz beeinflußten, bevor es über die Alpen weiter ging.
Mit der Renaissance kam der Humanismus auf, in dessen Gedankenkreisen sich im Unterschied zum Theismus nicht alles um Gott und dessen Schöpfung dreht, sondern die Erde aus dem Mittelpunkt des Universums gerückt die Natur, organisches Leben und damit auch menschliches Leben unabhängig vom göttlichen Wirken in Betracht gezogen werden. Mit der Weiterentwicklung der Zivilisation in Europa auf humanistischer Grundlage wurden im Zeichen der „Aufklärung“ wissenschaftliche Erkenntnisse selbst dann verbreitet, wenn diese im Widerspruch zu Lehren der Kirche standen, und Religionsgemeinschaften toleriert, die nicht der Staatskirche des einen oder anderen Landes angehörten.
Mit der Tolerierung schaffte man im Zeitalter der „Aufklärung“ wieder Verhältnisse wie zu Zeiten des Hellenismus sowie des vorchristlichen Imperium Romanum, in der alle religiösen Kulte geduldet waren, solange es ihnen nicht an Loyalität gegenüber der staatlichen Obrigkeit mangelte. Es ging der „Aufklärung“ aber nicht nur um religiöse Freiheit, sondern generell um die Befreiung der Menschen aus ihrer Unmündigkeit sowie um Rechte der Bürger im Verhältnis zum Staat. Wie in den Sklavenhaltergesellschaften Athens und Roms Freiheit und Bürgerrechte bestimmten Männern vorbehalten waren, sollte auch die Befreiung, für die Idealisten der Neuzeit eintraten, vor allem weißen Männern zugute kommen – nicht so sehr Frauen und Farbigen, von denen weiterhin Millionen in den überseeischen Ausgründungen der Europäer versklavt waren. Es dauerte noch bis zum 19./ 20. Jahrhundert, bis mit der Sklaverei Schluß war und Frauen gleichberechtigt wurden.
Sieht man von den Schweizern ab, die schon im späten Mittelalter voran gegangen waren, kamen Niederländer und Briten seit dem 16./17. Jahrhundert als erste voran auf dem Weg zur Freiheit des einzelnen, Gleichheit aller vor dem Gesetz und Beteiligung der Bürger an politischen Entscheidungen. Das genügte nicht allen Siedlern in den amerikanischen Kolonien, die sich die Unabhängigkeit vom britischen Empire erkämpften und die USA gründeten. In der Unabhängigkeitserklärung (1776) ging es ebenso um Freiheit und Gleichheit wie in jener Menschenrechtserklärung, die am Anfang der Französischen Revolution stand (1789) und über die Grenzen Frankreichs hinaus wirksam wurde. Andere Völker Europas brauchten länger, bis sie – mit oder ohne Brüche – den Beispielen folgten. Den Deutschen gelang es nach dem Scheitern der Weimarer Republik erst im zweiten Anlauf, eine freiheitlich-demokratische Grundordnung zu schaffen(1949).
Mit der konnte die Bundesrepublik die Anerkennung suchen, die Deutschland durch die Kriegsverbrechen der Nationalsozialisten in Europa verloren hatte, und einen Platz in den Europäischen Gemeinschaften finden. Sehen wir zu, daß wir gemeinsam mit anderen in Europa und Übersee auf dem Fundament der Zivilisation bleiben, die sich vor allem durch geistige Strömungen aus Jerusalem, Athen sowie Rom herausgebildet hat, und bewahren wir sie vor Kräften der Zersetzung im Innern wie von außen – einerlei, ob es sich um einheimische Chauvinisten handelt oder um eingewanderte Islamisten, die üblerweise von autochthonen „Antirassisten“ unterstützt werden.