Ein Gastbeitrag von Josef Hueber
„Wir lassen uns Europa von keinem Populisten und Extremisten kaputt machen.“ (Manfred Weber, CSU, nach seiner Wahl zum Spitzenkandidaten für die Europawahl)
Die öffentliche Diskussion über Deutschland und seine politische Kultur im 21. Jahrhundert ist dort angekommen, wo man sich dies in linken Spektrum politischer Visionen erträumt hat. Begriffe, die mit einem Identitätsbewusstsein Deutschlands und dem Volk der Deutschen einhergehen, haben den Geschmack des Reaktionären, Weltverschlossenen und rassistischer Engstirnigkeit angenommen. Wo nur noch Sprache als Gemeinsamkeit der hier Lebenden gilt, sind die Begriffe Nation und Volk museal. Welchen Denkwelten derartige Un-Kultur entwachsen ist, zeigt der 2007 verstorbene Politikwissenschaftler Graf von Ballestrem in einem Aufsatz, der lange vor dem Einwanderungschaos im Jahr 2015 erschienen ist, aber an Aktualität nichts vermissen lässt.
Die Umwertung von Werten beginnt in der Sprache
Verlogene Antworten auf Fragen an Gegenwart und Zukunft lassen sich auf Dauer nicht mit sprachlichen Knüppeln in die Köpfe prügeln. Die DDR-erfahrenen und in DDR-Polit-Praktiken kundigen Eliten in Berlin sollten das, eingedenk 1989, eigentlich wissen. Und sie wissen das vermutlich auch. Dennoch: Genau diese Methode kennzeichnet diejenigen, die sich im permanenten Kriechmodus vor der Kanzlerin befinden.
Aus Ohnmacht angesichts europaweit aufblühenden Nationalbewusstseins dreschen sie mit einem Trommelfeuer an bewusst diffamierenden Kampfbegriffen auf den politischen Gegner im In- und Ausland ein, Beispiel Orban. Dessen Anspruch auf nationale Souveränität – trotz Eingebundenseins in europäisch- christlich- aufklärerische Werte – wird als anti-europäisch, reaktionär und egoistisch diffamiert. Begrüßte ihn der Trinkfreudige aus Brüssel ( wie heißt er noch?) nicht einst als „Diktator“?
Manfred Weber, vermutlich Junckers Nachfolger, dürfte an Orban gedacht haben, als er von den „Populisten“ und „Extremisten“ sprach, die nach seinem Willen Europa nicht „kaputt machen“ werden. Begriffe wie VOLK oder NATION sind, wenn es um „ Europa“ geht, mittlerweile zu einem No-Go-Terrain geworden. Man hat der NATION seitens der neuen, unterstellt alternativlosen Weltoffenheitspolitik der Kanzlerin den Geruch von übersteigertem Nationalismus im Sinne von Cheauvinismus, und dem Begriff VOLK einen nationalsozialistischen, völkisch-miefigen Rassenlehre-Geschmack verpasst, und deswegen riechen und schmecken sie auch danach.
Als Geschmacksverstärker leisten dabei die dem Zeitgeist konformen Medien dauerhaften und an Intensität sich ständig steigernden Beistand mittels gedanklicher Platzpatronen, die man einsetzt, um das Angebot einer tatsächlich alternativen Politik eines Europas der souveränden Vaterländer zu übertönen. Die Schreckschüsse treffen zwar nicht die Realität, haben aber aufgrund ihres Knalleffekts (noch) eine einschüchternde Wirkung bei den mediengesteuerten Bürgern unseres Landes. Noch geht die Rechnung auf. Aber wie lange noch?
Volk und Nation im Sperrfeuer von Universalisten
Es bietet sich an, die gegenwärtig absichtlich ideologisch instrumentslisierte und ins Gegenteil verkehrte Verunglimpfung der Begriffe VOLK und NATION ideengeschichtlich zu verorten, um der bezweckten Verwirrung und Unsicherheit in deren Beurteilung einen orientierenden Rahmen zu geben. „Framing“ nennt sich dies neudeutsch, das „Einordnen von Ereignissen in vorgegebene Deutungsrahmen“(Wikipedia).
In seinem Aufsatz „Wieviel Pluralismus verträgt der Mensch?“ leistete Graf Ballestrem (links das Familienwappen), der 2007 verstorbene Politikwissenschaftler und Philosoph, eine orientierende Hilfestellung, indem er – ohne die Brisanz der politischen Gegebenheiten ab 2015 erlebt zu haben – geradezu vorausschauend schon in 2003 eine Einordnung der politisch konträren Beurteilungen der Einwanderungssituation. Er erkennt Grundsätzliches zur Inakzeptanz gegenwärtiger Vorstellungen, wie sie, höchstaktuell, im Migrationspakt deutlich werden.
Die relevanten Aussagen Ballestrems sind hier ohne verbindende Erläuterungen aneinander gereiht, auch wenn sie sich in besagtem Aufsatz über den Text verstreut finden. Kleinere Auslassungen oder grammatische Anpassungen ohne Bedeutungsveränderung wurden aus Gründen der Lesbarkeit nicht gekennzeichnet.
Realismus trifft Utopie
„Für Universalisten besteht die Welt der internationalen Politik aus einer Vielzahl von Akteuren, unter denen die Staaten nur eine Gruppe – mit immer weniger Bedeutung – bilden. Für Kommunitaristen ist diese Welt im Wesentlichen immer noch eine Staatenwelt, denn die Regierungen tragen die Verantwortung für die innere Ordnung und die auswärtigen Beziehungen. Die moralische Relevanz von Staatsgrenzen ist daher für Universalisten gering (wenn überhaupt vorhanden), für Kommunitaristen groß, weil es zum Selbstbestimmungsrecht von Staatsvölkern gehört, über die eigene Mitgliedschaft – und damit über den Zuzug von Fremden – zu entscheiden.“
Freie Migration für jeden?
„Es ist ein allgemeines Kennzeichen freier Vereinigungen,dass jedes Mitglied das Recht hat, sie zu verlassen, aber keineswegs jeder Mensch das Recht hat, in sie einzutreten. Ähnlich wie in einem Club gibt es offenbar Aufnahmebedingungen, die die Clubmitglieder unter sich vereinbaren. Das Gleiche gilt für Häuser: Ein Haus, das ich nicht nach eigenem Willen verlassen darf, ist ein Gefängnis; ein Haus, das ich nur nach Einladung der Besitzer betreten darf, ist ein normales Haus. Warum sollte es bei Staaten anders sein?“
„[Für liberale Universalisten gilt] die Forderung nach Umverteilung des Reichtums von den reichen zu den armen Ländern. Und wenn die Reichen nicht bereit seien, den Armen direkt zu helfen, hätten sie wenigstens die Pflicht, die Armen bei sich aufzunehmen. Daraus folge ein Recht auf freie Migration: Jeder Mensch soll dorthin gehen, dort arbeiten und leben können, wo er oder sie will.
Es kann bezweifelt werden, dass ein allgemeines Menschenrecht auf freie Migration viel zu Gerechtigkeit und Frieden in der Welt beitragen könnte. Bekanntlich setzt die Möglichkeit der Einwanderung in reiche Länder nicht diejenigen in Marsch, die die meisten Bedürfnisse haben (die Ärmsten, Schwächsten, Ungebildeten), sondern ganz im Gegenteil die relativ Wohlhabenden, Energischen, Gebildeten. Freie Migration würde mehr noch, als es schon der Fall ist, zum Transfer von wertvollem „Humankapital“ aus den Entwicklungsländern in die Industrieländer beitragen und damit zur Vertiefung der Ungleichheit zwischen reichen und armen Ländern.“
Die moralische Überheblichkeit der Eliten
„Für moderne Jetsetter, Politiker und Intellektuelle haben diese historischen Gründe natürlich wenig Gewicht. Sie haben ihre Freunde und Geschäftspartner über die ganze Welt verstreut, machen Ferien in Florida und kennen die besten Weinsorten Kaliforniens. Für sie ist „deutscher Nationalismus“ moralisch verwerflich, politisch unkorrekt und der Weltgesellschaft von morgen hoffnungslos unangemessen.
Dass der Postbote in Niederbayern so nicht denkt und auch nach wiederholten Ferien in Rimini kein Weltbürger wird, ist freilich bekannt. Ob er zu einer aussterbenden Spezies gehört,ist höchst zweifelhaft.“
Man darf hinzufügen: Es bleibt zu hoffen, dass nicht.
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