Die Deutschen brauchen das Wunder einer Heimkehr in das Haus, das sie verlassen haben

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Im Februar 2025 erschien Apokalypsis Germaniae von Marko Wild. Das Buch nimmt sich der gegenwärtigen Misere unseres Landes an, unterscheidet sich aber von anderen Analysen. Denn der Autor beschreibt die deutschen Nöte und ihre Überwindung aus einer revolutionären Perspektive. Wir sprachen mit ihm.

Herr Wild, Apokalypsis klingt erst einmal nicht besonders hoffnungsvoll. Dennoch will Ihr Buch genau das sein. Wie geht das zusammen?

Apokalypse klingt in unseren Ohren nach Weltuntergang. Das Wort selbst bedeutet aber etwas völlig anderes, nämlich Enthüllung. Der Titel des Buches spielt also darauf an, dass es etwas über Deutschland und die Deutschen zu enthüllen gibt, das uns bislang nicht bekannt war. Wenn wir damit sozusagen die richtige Diagnose für die Ursache unserer Situation bekämen – dann hätten wir auch einen Ansatzpunkt für eine wirkungsvolle Behandlung.

Die Ursachen wurden also bisher nicht hinreichend ergründet? Der Markt der analytischen Sachbücher ist ja nicht eben klein…

Je weiter man zurückgeht, je tiefer man gräbt, desto mehr erkennt man, dass die meisten vermeintlichen Ursachen am Ende auch nur Symptome sind. Ich habe mich sehr lange mit allen möglichen Erklärungsmodellen auseinandergesetzt und ein ums andere Mal festgestellt, dass keines zufriedenstellend darlegen konnte, was mit Deutschland eigentlich los ist, warum gerade hier der Wahn immer wieder so heftig tobt.

Welches beispielsweise?

Manche sehen das Land auf dem Weg zu einer „DDR 2.0“. Die DDR mag zwar Vieles gewesen sein, aber sie hat das Volk nie genötigt, der eigenen Herkunft abzuschwören. Sie hat auch nicht ihre Grenzen für jedermann geöffnet und vorsätzlich die Zusammensetzung der Bevölkerung verändert. Nur weil es einige Ähnlichkeiten gibt, bedeutet das nicht, dass auch das Gesamte übereinstimmt.

Oder nehmen Sie das Erklärungsmodell „Globalisierung“: Abschaffung der Nationalstaaten, Monopolisierung etc. Dieses Modell funktioniert nur bis ins 20. Jahrhundert. Doch das, was gewissermaßen zyklisch mit Deutschland geschieht, begann schon viel früher. Stichwort 30-jähriger Krieg.

Man könnte nun hergehen und sagen, alle Katastrophen der Deutschen – aber auch die Wunder ihrer jeweiligen Wiederauferstehung – hatten ihre eigenen Ursachen. Verändert man die Perspektive aber ein bisschen erkennt man, dass ein roter Faden die Ereignisse unserer Geschichte durchzieht. Nicht im Sinn von „B folgte aus A“, sondern im Sinne von „B und A sind Teil eines Textes mit einer einzigen Kernaussage“.

Was ist das Gemeinsame am 30-jährigen Krieg und der gegenwärtigen Situation?

Die Zerstörung des Landes durch externe Mächte und den ihnen dienenden internen Kräften und die seelische und moralische Verwüstung der Deutschen. Das haben die meisten anderen Nationen zumindest in der Häufigkeit so nicht erlebt. Nach dem 30-jährigen Krieg mussten die Deutschen es in Teilen auch unter der napoleonischen Herrschaft, dann ganz hart nach dem ersten und noch einmal sehr hart nach dem zweiten Weltkrieg durchmachen . . . und stehen heute wieder davor, mit anzusehen, wie ihr Land und sie selbst als Volk vorsätzlich ruiniert werden.

Wenn etwas einmal geschieht, kann man es als singuläres Ereignis stehen lassen. Wenn etwas zweimal geschieht, mag man sich bereits fragen, ob es eventuell einen Zusammenhang gibt. Geschieht etwas dreimal, wird diese Frage drängend. Wenn etwas aber fünfmal geschieht, ist die Frage so überfällig, wie sie es nur sein kann.

Lässt sich denn das, was heute in und mit Deutschland geschieht, überhaupt losgelöst von dem betrachten, was anderswo geschieht? Dem Auflösungsprozess sind ja alle unterworfen. Zumindest in Europa. Aber nicht nur da.

Viele Probleme bekamen auch andere erst dadurch, weil Deutschland so übel mitgespielt wird. Etwa, weil man es zu einer einseitigen Westanbindung zwingt. Was u.a. all die aus dem Krieg in der Ukraine resultierenden Folgen erst richtig groß macht und eine friedliche Lösung bislang verhindert. Ein anderes Beispiel: Merkels Grenzöffnung 2015, die die nimmer endende Migration nach Europa ebenfalls erst groß machte.

Deshalb würde ich sagen – und das ist auch ein Ansatz des Buches – selbst wenn das, was in Deutschland geschieht, mit dem verschmilzt, was anderswo geschieht, lohnt es sich, bei der Frage nach den Ursachen gesondert auf Deutschland zu blicken. Die „deutsche Frage“ ist in Wirklichkeit bis heute nicht gelöst und geht tiefer, als man meint.

Als die Frage der Ost- oder Westorientierung?

Zum Beispiel. Sie geht tiefer, weil sie älter ist als 200 Jahre. Weshalb Modelle, die maximal 200 Jahre zurück reichen, nicht klären können, was es mit unserem Land tatsächlich auf sich hat. Wobei die meisten Modelle nicht einmal 200 Jahre zurück reichen, sondern kurz vor den beiden Weltkriegen einsteigen.

In Apokalypsis Germaniae beginnen sie mit dem ersten Jahrhundert…

Chronologisch ja, gedanklich nein.

Gedanklich wo?

Bei der entscheidenden Instanz im Universum – bei Gott. Ohne ihn ist alles relativ; ohne ihn gibt es weder richtig noch falsch, weder gut noch böse. Existiert er aber, muss man seine Perspektive konsultieren. Sonst bleibt unsere Deutung der Geschichte nur eine Art höhere Märchenerzählung.

Genau so verfahren aber die meisten Analysten: sie deuten historische Zusammenhänge, als seien diese allein die Folgen menschlicher Entscheidungen und chaotisch-zufälliger Prozesse.

In Apokalypsis Germaniae gehe ich einen anderen Weg. Ich frage, wenn die Geschichte die „Tinte Gottes“ und unser traditionelles europäisches Verständnis von Gut und Böse, Recht und Unrecht ein Widerhall von Gottes Ethik ist, welche Rolle hat Gott den Deutschen dann in dieser zutiefst von ethischen Fragen durchwobenen Geschichte zugedacht? Das schien mir so in jüngerer Zeit nicht mehr gefragt worden zu sein. Einer bekannten Angst wegen. Ich wollte mich aber nicht von Angst leiten lassen.

Zu welchem Schluss gelangen Sie in Apokalypsis Germaniae?

Die Deutschen waren das nachantike Volk mit dem größten Eifer nach Wahrheit und Gerechtigkeit. Dafür habe ich etliche Beispiele zusammen getragen. Deshalb verweigerten sie sich oft einer Moral, die diese Werte korrumpierte. In allem Eigenbrötlertum, in aller politischen Unzulänglichkeit, erstritten – teils erstolperten – sie so erstaunlich oft eine allgemeine Freiheit, die weit über ihre eigene hinausging. Das zeigt sich sogar heute noch, obwohl die Deutschen heute fast „entkernt“ sind. Etwa in ihrem Unwillen, sich vom Bargeld zu lösen oder in ihrem Hinterherhinken bei der Digitalisierung. Der Grund ist, dass Gott laut Hebräer 11 Vers 29 eine einmal übertragene Gabe und Berufung nie mehr „cancelt“. Darum waren Deutschen bis Anfang des 20. Jahrhunderts – und wären es immer noch, wenn man sie nicht sich selbst entfremdet hätte – ein natürlicher Antagonist jeder nach totaler Herrschaft strebenden Macht. Weswegen Deutschland auch vom gegenwärtigen Hegemon ökonomisch geschädigt und nicht in die Freiheit entlassen wird.

Bereits Thomas Mann und Fjodor Dostojewski gelangten übrigens zu einer fast deckungsgleichen Diagnose. Darauf stieß ich, als ich das Manuskript schon fertig hatte. Ich gehe nur insofern noch einen Schritt weiter, als ich die Rechnung nicht ohne den Wirt zu machen versuche, sondern seine Perspektive in den Mittelpunkt stelle.

Unsere Situation ist, gelinde gesagt, nicht allzu rosig. Wie können wir da wieder heraus kommen? Denn politisch, juristisch oder über Aufklärung entfaltet sich eine Wirkung ja in der Regel viel langsamer, als andersherum unschöne Fakten geschaffen werden. Stichwort Nordstream, Stichwort Merkels Atomausstieg, die Grenzöffnung; oder etwas aktueller des Kanzlers Wortbruch und Schuldenorgie direkt nach seiner Wahl. Das sind ja krasse Einschnitte, die in Momenten vollzogen aber den Deutschen noch Jahrzehnte zu schaffen machen werden…

Der erste und wichtigste Punkt ist: wir müssen frei werden von der Fixierung auf das Böse, das aus unserer Mitte kam und angeblich weiter kommt. Leider erkennen die meisten nicht, dass gegen die Geisel, ein ganzes Volk anzuklagen, kein irdisches Kräutlein gewachsen ist. Auf politischem Wege gibt es kein Herauskommen, weil sich die Anklage aus den Argumenten der Verteidigung nährt und so immer irrer wuchert. Man könnte die Lösung über die Zeit versuchen: einfach noch 200 Jahre warten, bis sich das Problem herausgewachsen hat. Aber diese Zeit haben wir nicht mehr.

Dass kein irdisches Kraut dagegen gewachsen ist, heißt aber nicht, dass überhaupt kein Kraut dagegen gewachsen ist. Es gibt ein geistliches. Und das ist mächtiger, als jedes irdische: die Reinwaschung von der Schuld durch die oberste Instanz des Universums. Wenn Gott den Deutschen vergibt, dann kann niemand sie weiterhin legitim anklagen. Die Frage ist also: hat uns Gott vergeben? Das Ganze ist eine durch und durch reale juristische Frage – keine emotionale, keine spekulative, keine esoterische.

Die Antwort lautet: Ja.

Warum hat er das? Weil wir die Bedingungen erfüllten, die die Voraussetzung für Vergebung sind: Eingeständnis der damaligen Schuld, Reue, Umkehr und Wiedergutmachung. Es gibt kein Volk auf der Welt, das in der Hinsicht etwas Vergleichbares getan hat. Also müssen wir im Glauben annehmen, dass uns vergeben ist. Zumal als angeblich „christliche Nation“.

Wann und von welcher Seite auch immer also eine sich an „damals“ aufhängende Anklage gegen die Deutschen richtet, sofort muss verbal das Schwert der Vergebung durch Gott aufblitzen, das die Fesseln durchtrennt wie Alexander den gordischen Knoten. Das ist meines Erachtens das wirkungsvollste Mittel, um den Fluch über unser Volk zu brechen. Man muss das ganz praktisch anwenden, denn der Kampf um die Gedanken der Deutschen ist ein real stattfindender, geistlicher Kampf.

Statt sich selbst zu verdammen, müssen sie lernen, sich über sich selbst zu erbarmen. Sie müssen den Verlust betrauern und den Schmerz beklagen, den man ihnen zugefügt hat. Und man hat ihnen sehr viel zugefügt. Dem habe ich ein ganzes Kapitel gewidmet.

Der zweite Punkt betrifft unsere gegenwärtige Schuld. Untaten, die denen des vergangenen Jahrhunderts wenig nachstehen oder sie sogar übertreffen. Die den meisten Deutschen aber gar nicht wirklich bewusst sind, weil ihr Blick mithilfe der 1933-Geisel ständig in die falsche Richtung gezerrt wird. Was im Übrigen ein Hauptzweck dieser Manie ist.

Anstatt weiter „damals“ zu bereuen, müssen wir das endlich für „heute“ tun. Für Millionen abgetriebene Kinder, für den Verrat, das Versagen und Mitläufertum während Corona, für die Unbarmherzigkeit dem eigenen Volk gegenüber und für das, was in der unmittelbaren Nachwendezeit als Schuld aufgetürmt wurde. Diesen Dingen habe ich ein eigenes Kapitel gewidmet; sie stehen zwischen Gott und unserem Volk. Er wird uns erst zur Hilfe kommen, wenn wir sie vor ihm beräumen.

Wie soll das möglich sein, wo doch die Deutschen derzeit so wenig mit Gott anzufangen wissen, wie vielleicht noch nie?

Wir brauchen ein Wunder. Wie es sie in unserer Geschichte immer wieder gab. Man denke nur daran, dass Deutschland 100 Jahre nach der totalen Verwüstung des 30-jährigen Krieges das kulturelle Herz der Welt wurde. Oder an die Wiederherstellung des Landes nach den beiden Weltkriegen: nur 10 Jahre nach 1945 war (West)Deutschland wieder das wirtschaftlich innovativste Land Europas. Das waren wirkliche Wunder, die andere Völker so ebenfalls nicht erfahren haben. Heute brauchen die Deutschen das Wunder einer Heimkehr in das Haus, das zu verlassen uns entsetzliche Erfahrungen, menschenfeindliche, widersinnige Ideologien aber auch der extreme Wohlstand genötigt haben: Das Haus unseres ehemaligen Glaubens. Heute stellen die Deutschen fest, dass da draußen nichts ist. Nur Finsternis, Jammer und Verlust. Es wäre also gut für sie, in ihr Haus zurückzukehren.

Wäre da nicht der deutsche Stolz…

…der gerade ziemlich unsanft geschliffen wird.

Noch einmal zum Punkt Hoffnung: Worin besteht die für Sie konkret? Denn was Sie bis jetzt genannt haben, sind ja vor allem Eventualitäten.

Ich könnte sagen: die Antwort steht im Buch. In einem Kapitel, das mit Hoffnung überschrieben ist. Es besteht meines Erachtens noch Hoffnung, weil Gott uns bisher vor dem Schlimmsten bewahrt, also nicht verlassen hat. Beispielsweise ist das Land nach der Sprengung von Nordstream nicht kollabiert. Unter anderem auch deshalb nicht, weil der Winter 22/23 mit 20 Grad plus zu Silvester einer der mildesten überhaupt gewesen ist.

Hoffnung besteht auch, weil Untergangsprophetien und Aussagen über Deutschland mit Endgültigkeits-Charakter überwiegend von jenen kommen, die den, der Wunder tut und retten kann, ausklammern oder gar nicht kennen. Sarrazin schaute in ein Zahlenwerk – und zog daraus seine Schlüsse. Sieferle, der Sozialist war, schrieb finis germania und brachte sich dann um…

Bei welchem Verlag ist Apokalypsis Germaniae erschienen?

Der Verlag, bei dem mein letztes Buch erschien, wollte ein anderes Cover und einen anderen Titel. Beim Cover wäre ich noch mitgegangen, beim Titel jedoch nicht. So kam es zu einer Trennung und ich publiziere das Buch nun im Selbstverlag.

Wo kann man es bestellen?

Über die Mail-Adresse apokalypsisgermaniae@web.de.


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