Donnerstag, 11. Dezember 2025

Deutschland: Wenn Gesetze Bürger überwachen, aber Kriminelle unbehelligt bleiben

Die Bundesrepublik diszipliniert die Bürger, kontrolliert sie streng und delegiert gleichzeitig die Umsetzung an private Akteure, während er kaum in der Lage ist, die Linien zu überwachen, die tatsächlich böses Tun begehen könnten. Gastbeitrag von David Cohnen.

Die Vereinigten Staaten von Amerika gelten vielen als Wiege der Demokratie und als Beispiel für Freiheit und Selbstbestimmung. In der Praxis zeigt sich dort bei der Identifikation und staatlichen Kontrolle ein deutlich freierer und selbstbestimmterer Umgang als in Deutschland. Einen einheitlichen, bundesweiten Personalausweis gibt es nicht; Identitätsnachweise erfolgen in der Regel über staatlich ausgestellte Führerscheine oder Sozialversicherungsnummern.

US-System als Gegenmodell

Für viele alltägliche Lebensbereiche ist keine zentrale Registrierung mit Adresse und Ausweisdokument erforderlich – zumindest nicht in dem Maße, wie es in Deutschland durch SIM-Karten-Registrierung, Ausweisvorlage und Kopierpflicht üblich ist. In den USA sind Bürger zudem nicht verpflichtet, ihren Wohnsitz zentral anzumelden. Damit entfällt eine Form staatlicher Überwachung, die in Deutschland üblich ist, und es entsteht ein hohes Maß an persönlicher Freiheit und Selbstbestimmung im Alltag. Das amerikanische System kann daher als Gegenmodell dienen: Es zeigt, dass persönliche Freiheit und ein funktionierender Alltag auch ohne umfassenden staatlichen Überwachungsapparat möglich sind.

In Deutschland offenbaren sich bei vielen Identifikationen erhebliche strukturelle Widersprüche. Das Personalausweisgesetz schreibt vor, dass in bestimmten Fällen ein Ausweisdokument zur Identitätsfeststellung vorgelegt werden muss, jedoch kein verpflichtendes Kopieren oder dauerhafter Scan erfolgt. Zugleich fordert das Geldwäschegesetz die Identitätsprüfung und Aufzeichnungspflichten, wobei in vielen Fällen Vollscans oder optische Digitalisierung als zulässige Form der Dokumentation genannt werden. Diese Doppelung von Vorschriften schafft einen Interpretationsspielraum, den viele private Anbieter systematisch nutzen.

Freiwilligkeit praktisch aufgehoben

In der Praxis verlangt ein großer Teil der Telekommunikationsanbieter, Prepaid-SIM-Anbieter und anderer Dienstleister vor Beginn des eigentlichen Identifikationsverfahrens die Einwilligung zur Erstellung und Verarbeitung einer Ausweiskopie. Verweigert der Bürger diese Einwilligung, wird die Leistung – etwa die Aktivierung einer SIM-Karte – verweigert. Damit entsteht ein faktischer Zwang, obwohl das Gesetz eine Kopierpflicht ausdrücklich nicht vorsieht. Nach den Regeln der DSGVO soll eine Einwilligung freiwillig, informiert und ohne Zwang erfolgen. Wenn jedoch die Nutzung einer Dienstleistung von dieser Einwilligung abhängt, wird die Freiwilligkeit praktisch aufgehoben.

Dieses System des Misstrauens beginnt beim Staat, der die Vorschriften zur Identitätsprüfung und Dokumentation erlässt. Große Konzerne, die im Auftrag oder im Rahmen gesetzlicher Verpflichtungen handeln, setzen diese Regeln um, wobei sie sie teilweise noch verschärfen, um mögliche Risiken abzusichern. Durchschnittliche Unternehmen übernehmen diese Praktiken, um regulatorischen Vorgaben gerecht zu werden und Haftungsrisiken zu minimieren.

Kleine Firmen und selbst kleinste Händler – sogenannte „Klitschen“ – springen auf diesen Zug auf und verlangen die gleichen Bedingungen, oft ohne eine rechtliche Grundlage oder die Notwendigkeit, tatsächlich Identitätsprüfungen in diesem Umfang durchzuführen. In vorauseilendem Gehorsam verschärfen sie die ohnehin schon restriktiven Regeln des Staates, sodass der Bürger noch stärker unter Druck gerät. Das Ergebnis ist ein System, in dem der rechtschaffene Bürger umfassend kontrolliert und überwacht wird, während die praktische Kontrolle der Kontrolleure selbst unzureichend oder gar nicht erfolgt.

Überprüfung sensibler Daten an internationale Dienstleister ausgelagert

Viele der eingesetzten Dienstleister, insbesondere bei Video-Ident-Verfahren, sitzen nicht in Deutschland, sondern in anderen Ländern, sodass die Überprüfung sensibler Daten an internationale Dienstleister ausgelagert wird. Wer den Ausweis vorzeigt, vertraut damit auf private, teilweise weit entfernte Personen, deren Umgang mit den Daten nur begrenzt kontrolliert werden kann. Gleichzeitig werden die Bürger unter Generalverdacht gestellt, obwohl sie gesetzestreu handeln.

Die paradoxe Situation verschärft sich noch, wenn man die Realität von Migration und internationaler Mobilität betrachtet. Millionen Menschen kommen nach Deutschland, viele haben keine gültigen Ausweisdokumente mehr oder besitzen diese nicht. Weltweit wandern Menschen zwischen Staaten, ändern Wohnsitze unkontrolliert, tauchen unter neuen Identitäten auf. Eine umfassende, flächendeckende Kontrolle ist praktisch unmöglich. Das bedeutet, dass die strengen Identifikationspflichten, Registrierungsvorgaben und Kopierzwänge für die einheimische Bevölkerung eine enorme Belastung darstellen, während der Staat faktisch keinen vergleichbaren Überblick über Migranten oder Menschen ohne Dokumente hat. Der rechtschaffene Bürger wird unter Generalverdacht gestellt, während reale Sicherheitsrisiken durch unkontrollierbare Mobilität und fehlende Dokumente weitgehend unadressiert bleiben.

Dieses System offenbart einen tiefgreifenden Widerspruch: Der Staat säht Misstrauen gegenüber seinen Bürgern, setzt strenge Vorschriften und delegiert gleichzeitig die Kontrolle an private Unternehmen. Diese Unternehmen verschärfen die Anforderungen, oft ohne gesetzliche Grundlage, und kleine Händler übernehmen die Praxis in vorauseilendem Gehorsam. Die Folge ist, dass Bürger, die auf ihre verfassungsmäßigen Rechte bestehen, faktisch von elementaren Dienstleistungen wie Mobilfunk, Telekommunikation oder Bankgeschäften ausgeschlossen werden können. Gleichzeitig werden die eigentlichen Risiken, etwa durch unkontrollierte Migration oder unüberprüfte internationale Dienstleister, nicht wirksam adressiert.

Private Dienstleister statt staatliche Stellen

Ein besonders gefährlicher Widerspruch zeigt sich, wenn Identifikationsverfahren oder Ausweiskopien nicht durch staatliche Stellen, sondern durch private Dienstleister oder einzelne Mitarbeiter durchgeführt werden. Der Bürger weiß in solchen Momenten nicht, wer ihm tatsächlich gegenübersitzt. Gerät ein solches Verfahren in die Hände einer Person mit krimineller Energie, kann diese ohne großen Aufwand vollständige Ausweiskopien – Vorder- und Rückseite – anfertigen und für eigene Zwecke speichern. Gleiches gilt, wenn Unternehmen die Übersendung kompletter Ausweiskopien verlangen: Der Bürger muss vertrauen, dass der Empfänger seriös handelt, doch eine Garantie dafür gibt es nicht. Niemand kann ausschließen, dass diese Unterlagen später missbraucht, weiterverkauft oder zur Begehung von Straftaten verwendet werden. Während der Staat den rechtschaffenen Bürger zu lückenloser Transparenz verpflichtet, bleibt der Bürger selbst schutzlos gegenüber möglichen kriminellen Akteuren, die im Gewand eines Identifikationsdienstleisters auftreten.

Deutschland zeigt damit, dass formelle Vorschriften über Identitätsprüfung, Registrierung und Datenkopien zwar existieren, die praktische Umsetzung jedoch bürgerfeindlich, ineffektiv und paradox ist. Während persönliche Freiheit und Privatsphäre für den rechtschaffenen Bürger massiv eingeschränkt werden, entfalten die Maßnahmen kaum Wirkung gegenüber realen Sicherheitsrisiken. Ein System, das den Bürger überwacht, ihn kontrolliert und seine Daten systematisch erfasst, aber gleichzeitig auf private Kontrolleure angewiesen ist, die eigene Regeln setzen und nicht überprüft werden, zeigt klar: Die Balance zwischen Sicherheit, Kontrolle und Freiheit ist verloren gegangen. Freiheit darf nicht davon abhängen, dass man seine Rechte aufgibt, um Zugang zu Dienstleistungen zu erhalten. Sie bedeutet Wahlfreiheit und Kontrolle über die eigenen Daten, und genau das wird in Deutschland derzeit systematisch ausgehöhlt.

Am Ende muss die zentrale Frage gestellt werden: Macht der Staat mit diesem System nicht letztlich den Bock zum Gärtner? Er diszipliniert die Bürger, kontrolliert sie streng und delegiert gleichzeitig die Umsetzung an private Akteure, während er kaum in der Lage ist, die Linien zu überwachen, die tatsächlich böses Tun begehen könnten. Die Risiken werden dem Bürger angelastet, und die wachsende Bürokratie und Überwachung trifft vor allem diejenigen, die gesetzestreu handeln. Dieses Missverhältnis zeigt, dass ein System, das Misstrauen säht, ohne wirksame Kontrolle der realen Gefahren, nicht nur ineffektiv, sondern für Freiheit und Rechtsstaatlichkeit problematisch ist.

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PP-Redaktion
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