Eine Darstellung der „heute“-Nachrichten im ZDF suggeriert, dass syrische Ärzte unverhältnismäßig bedeutend für das deutsche Gesundheitssystem seien, während die tatsächlichen Daten dies nicht stützen. Ein Gastbeitrag von David Cohnen.
In den gestrigen ZDF-“Heute”-Nachrichten wurde berichtet, dass in Deutschland etwa 6.000 syrische Ärzte tätig seien und dass deren potenzieller Weggang erhebliche Auswirkungen auf das deutsche Gesundheitssystem haben könnte.
Nach einer eingehenden Prüfung dieser Aussage komme ich jedoch zu dem Schluss, dass die Redaktion entweder unreflektiert übernommene Informationen verbreitet hat oder nicht in der Lage war, die Zusammenhänge korrekt zu bewerten. Alternativ lässt sich diese Berichterstattung auch als bewusste Stimmungsmache interpretieren.
Zunächst zur Zahlenanalyse: Die Aussage, dass etwa 6.000 syrische Ärzte in Deutschland arbeiten, ist leicht überhöht. Tatsächlich beträgt die Zahl nach neuesten Erhebungen etwa 5.750. Diese Abweichung ist zwar gering, jedoch nicht die eigentliche Schwäche der Berichterstattung.
Wichtiger ist der Kontext: Deutschland hat aktuell etwa 445.500 berufstätige Ärzte. Syrische Ärzte stellen mit rund 5.750 lediglich 1,3 Prozent dieser Gesamtzahl. Gleichzeitig machen Syrer etwa 1,2 Prozent der Gesamtbevölkerung in Deutschland aus. Dies bedeutet, dass der Anteil syrischer Ärzte an ihrer eigenen Bevölkerungsgruppe etwa proportional zur allgemeinen Ärztequote in Deutschland ist. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass Syrer überproportional zur medizinischen Versorgung beitragen.
Es sei zudem angemerkt, dass kleinere Abweichungen in den absoluten und relativen Zahlen möglicherweise auf Ungenauigkeiten in den Ursprungsdaten zurückzuführen sind. Dies bedeutet, dass sich die scheinbaren Abweichungen bei einer präziseren Erhebung weitgehend angleichen könnten.
Fragwürdiges Rückkehrszenario
Die Behauptung, dass der Weggang syrischer Ärzte gravierende Lücken im deutschen Gesundheitssystem hinterlassen würde, entbehrt jeder soliden Grundlage. Abgesehen davon, dass es sich bei einem erheblichen Teil dieser syrischen Ärzte gar nicht um Geflüchtete handelt, sondern auch um solche, die schon vor 2015 nach Deutschland kamen, hier teilweise studiert haben und längst integriert sind (weshalb ihre Rückkehr nach Syrien infolge des Assad-Sturzes gar nicht zur Debatte steht):
Selbst wenn alle Syrer – rund eine Million, inklusive der 5.750 Ärzte – Deutschland verlassen würden, würde dies den Anteil von Ärzten an der Gesamtbevölkerung kaum beeinflussen. Derzeit liegt der Anteil der Ärzte an der deutschen Bevölkerung bei 5,42 Promille; bei den syrischen Ärzten in ihrer Bevölkerungsgruppe liegt er bei 5,75 Promille. Die Auswirkungen eines Weggangs wären also statistisch vernachlässigbar.
Die Redaktion der “Heute”-Nachrichten hat mit dieser Berichterstattung entweder einseitig Informationen übernommen, ohne deren Plausibilität zu überprüfen, oder es mangelt an grundlegender Kompetenz, die Zahlen in den richtigen Kontext zu setzen. Alternativ könnte man den Verdacht hegen, dass bewusst ein Narrativ geschaffen wurde, um ein emotionales Bild zu zeichnen und bestimmte politische Positionen zu unterstützen. Faktenbasierte Berichterstattung sollte die Aufgabe der Medien sein.
In diesem Fall wurden jedoch – entweder durch Nachlässigkeit oder absichtliche Verzerrung – Fake-News verbreitet. Die Darstellung suggeriert, dass syrische Ärzte unverhältnismäßig bedeutend für das deutsche Gesundheitssystem seien, während die tatsächlichen Daten dies nicht stützen. Ich hoffe, dass diese Analyse einen klaren Überblick über die Schwächen dieser Berichterstattung geben kann; es bleibt zu hoffen, dass die Redaktion zukünftig sorgfältiger recherchiert und ihrer Verantwortung gerecht wird.
Erstveröffentlichung bei ansage.org.