Freitag, 4. Oktober 2024

Hape ade. Scheiden tut nicht weh.

Ein Gastbeitrag von Maria Schneider

Lieber Hape – ich darf Dich doch so nennen, oder? Schließlich bist Du mir meine gesamte Jugend über ein treuer Freund gewesen. Also, lieber Hape, zufällig sah ich Dich anläßlich Deines bevorstehenden 60. Geburtstags bei Maischberger – der Frau mit dem fantasielosen Bernsteinanhänger, der jahrein, jahraus über ihrem alternden Dekolleté baumelt.

Gestählt von den Erfahrungen der letzten Jahre und Deinen seichten Büchern wie „Der Junge muss an die Luft“ wartete ich vorsichtig ab, was Du wohl in der Rückschau auf Dein Leben und die derzeitige politische Lage sagen würdest. Deine Verwandtschaft mit König Edward von England, die Du nach dem Versenden Deiner Spucke nach Texas erforscht und sogleich merkantil in einem Buch verarbeitet hast, das während des Interviews fleißig beworben wurde – geschenkt!

Rückblick auf Deine lang vergangenen Glanzzeiten

Deine schwierige Zeit beim WDR als Schwuler, der wegen Deiner sexuellen Orientierung damals die Zusammenarbeit mit Dir beendete und der frühe AIDS-Tod Deiner zweiten großen Liebe, die Du in jungen Jahren zusätzlich zum Selbstmord Deiner Mutter verkraften mußtest, haben mich berührt. Derartige Erlebnisse hinterlassen Risse in der Seele und begleiten Menschen ein Leben lang. Oftmals führen sie zum Aufbrechen großer Kreativität aus dem Tal der Tränen und so erinnere ich mich bis heute mit Freude an Deine Darbietung als Königin Beatrix im Jahre 1991, als Du als Ihro Majestät frech und frei mit überschwänglicher Spielfreude bis ans Schloß Bellevue vorfuhrst. Dein „lecker Mittagessen“ wurde zu einem geflügelten Wort und dient heute noch als spontaner Gag.

Noch beeindruckender und bis zu einem gewissen Grad sogar wagemutiger war Deine Aufführung von „Hurz!“, wo Du im Frack und mit einem angeklebten Bart vor einem Bildungsbürgertumpublikum mit Stock im Hintern „Der Wolf… das Lamm… auf der grünen Wiese. Das Lamm… schreit… Hurz!“ skandiertest, was vom Publikum tatsächlich für bare Münze genommen wurde.

Horst Schlämmer und seine authentische Häßlichkeit waren wirklich grandios. Wie bei „Hurz!“ kichere ich noch heute ob dieser komödiantischen Leistung („Isch kandidiere!“) leise in mich hinein.

Deine Bücher hingegen haben mich nicht beeindruckt. Zu massentauglich, zu gefällig, zuviel Zeitgeist. So gar nicht Du, Hape.

Was bleibt, ist der Schlämmer-Bauch

Und nun Maischberger. Mit Deinem Schlämmer-Bauch sitzt Du da wie Horst höchstselbst. Vielleicht übst Du ja schon für sein angekündigtes Revival, bei dem Du Schlämmer gegen die AfD in Stellung bringen willst. Auf Maischbergers Feststellung, dass Du dann ja „AfD-Menschen“ begegnen könntest, hast Du mit steinerner, selbstgerechter Miene erwidert: Das ist ja gewünscht. Horst läßt sich bei der AfD nicht die Butter vom Brot nehmen. Das verspreche ich Dir.

Dein Wort in Horstens Ohr, Hape. Denn heutzutage muss Horst mit seiner mehrfach besteuerten Hausmeisterrente knapsen und dabei zuschauen, wie ein Schutzsuchender samt Nebenfrau und Kinderschar in einen schicken Neubau einzieht, den er aus eben jener mageren Rente mitfinanziert hat.

Doch der Reihe nach: Für Dein heiteres Buch mit ein bißchen Tiefe hast Du zwar Deine Ahnen erforscht und Deine Pfauenfedern als königlicher Verwandter gespreizt. Trotzdem bist Du ein ganz normaler, lieber Jung’ geblieben und zeigst uns gleich – volkstümlich, wie Du bist – wo der politisch korrekte Hammer hängt:

Was ich zunächst einmal interessant fand, ist, dass wir alle von Lucy abstammen und Lucy ist unsere Urmutter. Und es ist belegt: Unser aller Omma kommt aus Tansania. Das heißt, unsere Urvorfahrin ist Afrikanerin. Und das sollten wir bei allem, was wir tun und was wir so verhandeln, immer mitdenken. Subtext: Seid nett zu allen afrikanischen Flüchtlingen. Sie sind unsere Verwandten.

Hape, ich möchte Dir den Spruch „Schuster bleib bei Deinen Leisten?“ an’s Herz legen: Denn wenn Du schon unbedingt die schlechte Karikatur eines Oberlehrers geben möchtest, solltest Du fairerweise nicht nur die sogenannte „Out-of-Africa-Theorie“, sondern auch die multiregionale Theorie anführen, die Du jedoch einfach weggelassen hast. Zudem wurde 2017 in Bulgarien der Backenzahn des Hominiden Graecopithecus freybergi gefunden, der ca. 1 Million Jahre älter ist als der älteste afrikanische Vormensch. Daher: Setzen, sechs und der Rat, das nächste mal die billige Propaganda gegen Rechts besser vorzubereiten, es sei denn, Du willst uns mit solch schlichten Aussagen erneut einen Vorgeschmack auf den unterkomplexen Schlämmer geben.

„Es gibt keine biologischen Deutschen. Das ist eine üble Fantasie.“

Nach dem Vorlesen Deiner scharfsinnigen Buchpassage, „Die Abstammung könnte, wie zu Zeiten der Nazis, wieder mißbraucht und absichtlich fehlgedeutet werden. Wir müssen jetzt schon die Riegel bauen, die zukünftig vorgeschoben werden können, um totalitären Denkern den Zugang zu diesen Daten zu verweigern“, fragt Dich Maischberger: Was genau ist Deine Sorge?

Wohl, um zum dritten Mal jeglichen Verdacht der Deutschtümelei abzuwenden, gibst Du eine Antwort, die wie eine Befehlsausgabe von Nancy Faeser anmutet: (…). Für mich ist eine der Haupterkenntnisse (…) meiner persönlichen DNA-Untersuchung: Wir alle und grade in Deutschland kommen aus allen Regionen außerhalb von Deutschland. Wir alle haben ’rübergemacht, wenn man so will. Unsere Vorfahren stammen aus Skandinavien, aus dem Balkan, aus Rußland, aus Italien. Und ich glaube, das ist etwas, was wir immer im Bewußtsein haben sollten: Dass wir alle irgendwann mal – zumindest unsere Vorfahren – hierhergekommen sind. Und diese Spur, diese Wanderung tragen wir bis heute alle in unseren Genen. Es gibt keine biologischen Deutschen. Das ist eine üble Fantasie.

Hape – unser mutiger Verfechter der Demokratie

Weitere Code- und Wieselwörter wie „Demokratie“ und „Zivilgesellschaft“ wabern wie der Geruch miefiger Kohlsuppe in Schlämmers Hausmeisterwohnung durch die Luft. Auch Russland als „totalitäre Kleptokratie“, die „vernunftslos im Moment durch die Welt steuert“ und mit der man „nicht vernünftig reden kann“ darf bei Deinem Bekenntnis zum konformistischen Zeitgeist nicht fehlen. Mann oh Mann, Hape, zu all dem fällt mir nur noch ein: Auch Phrasen dreschen muss gelernt sein und Du hast es in diesem Metier zur Perfektion gebracht!

Bei den nächsten Passagen, Hape, ist bei mir, das muss ich leider zugeben, der letzte Rest Sympathie, den ich noch für Dich gehegt hätte, endgültig verflogen:

Maischberger: Um nochmal auf das Thema Zuwanderung, ich sag jetzt mal, auf das Volk zu kommen, das wir sind. Du hast gerade gesagt, wir sind alle Einwanderer. Kann man mit denen in Deutschland reden, die sagen: „Wir müssen eigentlich wieder ein ethnisch homogenes Volk werden?“

Du: Das ist dummes Zeug. Es gibt kein ethnisch homogenes Volk.

Maischberger: Und die, die das politisch heute vertreten, weil – es gibt sie ja.

Du: Die streuen denen, die das wollen, Sand in die Augen. Das ist tatsächlich ein Ding der Unmöglichkeit.

Maischberger: Du hast Dich mal zum AfD-Verbot geäußert. Ich glaube, Du hast gesagt, man sollte es versuchen. Bist du immer noch der Meinung?

Hape, bin ich für Dich eine Idiotin und Kloakenwasser?

Du: Ja – alle sind immer so wahnsinnig vorsichtig, wenn es um dieses AfD-Verbot geht. Und wenn ich immer höre, die AfD ist in Teilen rechtsradikal. Was heißt denn „in Teilen rechtsradikal?“ Das klingt für mich so, als hätte sich das der Verteidiger der AfD ausgedacht. Wenn ich ein Glas Wasser habe und ein bisschen Kloakenwasser reintue, dann ist das ganze Glas ungenießbar. Das kann ich wegschütten. Und ich frage mich: Welcher Idiot ist Mitglied in einer Partei, die teilweise rechtsradikal ist? Das kann kein wirklicher Demokrat sein. Das kann mir niemand erzählen. Und bei so einem Gerichtsurteil weiß man natürlich nicht, wie das ausgeht. Ja, das liegt in der Natur der Sache. Das ist bei jedem Gerichtsurteil so. Bei jedem Prozess.

Hape, ich bin entsetzt. Sobald die Sprache auf die AfD kommt, verwandelt sich Dein joviales Gesicht mit den süßen Hamsterbäckchen in eine starre, haßverzerrte Maske. Bist das noch Du? Möchtest Du mir und den 30% AfD-Wählern, also rund 25 Millionen Deutschen und assimilierten Ausländern (die AfD hat mehr Abgeordnete mit Migrationshintergrund als die Unionsparteien und die FDP) damit vermitteln, dass wir „Idioten“ und „Kloakenwasser“ sind, weil wir uns fremd im eigenen Land fühlen und Angst haben, auf die Straße zu gehen? Wie weit bist Du eigentlich bereit, in Deiner Verachtung zu gehen?

Wie Du als toleranter, hochgebildeter Demokrat sicherlich weißt, wurden im Dritten Reich Andersdenkende interniert und Schwule wie Du mußten einen „rosa Winkel“ tragen. Sollen wir als AfD-Wähler mit einem „blauen Winkel“ markiert und ebenfalls in Lager verbracht werden? Wenn man Dir zuhört, kann man durchaus diesen Eindruck gewinnen.

Apropos Homosexuelle und ihre Rechte. Auf Maischbergers Frage, ob die Toleranz gegenüber Homosexuellen wieder abnehmen würde, schaffst Du es, den riesigen, rosa Elefanten, nämlich homophobe Migranten, komplett zu ignorieren und lamentierst lediglich, dass der Diskurs enger würde. Auch Homophobie und Antisemitismus nähmen zu und man müsse den Status quo immer verteidigen.

Bräsige Behäbigkeit und aalglatte Sprache statt Realitätssinn

Hape, vielleicht erinnerst Du Dich daran, dass ein homophober Islamist am 04. Oktober 2020 in Dresden ein schwules Paar mit zwei Messern angegriffen hat. Thomas starb, Oliver L. überlebte schwer verletzt. Eigentlich hätte ich erwartet, dass Du als Galionsfigur der Schwulenbewegung und hochbegabter Bestsellerautor vor der Gefahr homophober Islamisten warnen würdest. Doch nicht ein „Hurz“ entwich Deinen Gourmandlippen angesichts dieser Homophobie, die selbst vom „Verband Queere Vielfalt“ und meinem Fischpapier, der taz, angeprangert wurde.

Statt dessen hast Du schon 2023 zu meinem Erstaunen bei Maybritt Illner verkündet, dass Dein Partner und Du wegen der zunehmenden Homophobie aus Berlin wegziehen würden. Denn: Mir kommt es so vor, als wären wir am Vorabend von etwas, was ich jetzt nicht dringend erleben möchte. Oh je, der kleine Hape beschwört das Gespenst des Nationalsozialismus herauf und schafft es zugleich, real existierende Islamisten zu ignorieren!

Sag mal, Hape, wie bekommt man es hin, sämtliche Hühneraugen vor der Realität so fest zuzukneifen? Die Homophobie kommt nicht aus den Reihen einiger weniger Naziüberbleibsel, sondern aus den Massen an patriarchal-archaisch denkenden muslimischen Jungmännern, die Schwule wie Dich zutiefst verachten und die Du mit keinem einzigen Wort erwähnst. Mich dünkt, Hape, Du bist selbst zu einem hurz’schen Spießbürger geworden, der sich in bräsiger Behäbigkeit und aalglatter Sprache nun als Teil der Guten wähnt.

Der „Paradiesvogel“ Hape marschiert mit

Was ist nur los mit Dir Hape? Bist Du pleite? Willst Du es Dir mit Deinen Fans nicht verscherzen? Oder hast Du Angst, aus dem „Club der Verräter der Minderheiten“ geworfen zu werfen, zu denen Jens Spahn (ein Schwuler, der trotz der Verfolgung Homosexueller im Dritten Reich Impfunwillige ausgrenzte), Dunja Hajali (irakische, christliche Lesbe, die im Irak rein gar nichts zu lachen hätte, aber hier regelmäßig Andersdenkende verunglimpft) Herbert Grönemeyer (lebt abgeschottet in seiner Londoner Villa und propagiert gern „Kein Millimeter nach rechts“) und zahlreiche weitere Soldaten der unbunten Vielfalt gehören?

Wäre ich eine spiegelindoktrinierte, selbstgefällig Linke, so würde ich Besorgnis heucheln und fragen: „Lieber Hape, wann bist du falsch abgebogen?“

Da ich aber ein Arbeiterkind war, das sich wie Du gegen sämtliche Widerstände hurzliebender Bildungsbürger hochgearbeitet hat, ist mir solches Pharisäertum fremd. Solidarität mit Minderheiten wie der Deinen war mir eine Selbstverständlichkeit. Und gerade deshalb komme ich die letzten 10 Jahre ob des Sinneswandels und Konformismus von Deinesgleichen aus dem Staunen nicht mehr heraus.

Letztlich bleibt mir nur noch, einen von Nenas 99 Luftballons zu ergreifen, gen Himmel zu entschweben und auf Dich und Deine Konsorten wie Anke Engelke, die Toten Hosen, Bap, Die Prinzen, Mariele Millowitsch und sonstige „Helden“ meiner Kindheit und Jugend herabzublicken. Wenn ich ein Vöglein wär’, würde ich als kleinen Gruß noch einen frischen Vogelschiss auf Euch herabfallen lassen. Du als Komödiant im Ruhestand siehst das Ganze sicherlich mit Humor. Denn wie der Dalai Lama schon sagte: „Wenn dir ein Vogel, im Vorbeiflug auf den Kopf kackt, dann ärgere Dich nicht – freue Dich vielmehr darüber, dass Kühe nicht fliegen können“.

Der Beitrag erschien zuerst auf dem empfehlenswerten Blog BEI SCHNEIDER.

PP-Redaktion
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