Wegen Corona kommen kaum Urlauber auf den Archipel vor Westafrika – dafür viele Asylsucher. Ein Gastbeitrag von Wolfgang Kaufmann
Auf einigen der zu Spanien gehörenden Inseln der Kanaren entwickelt sich derzeit eine ähnliche Situation wie auf den griechischen Ägäis-Inseln: Sie werden in wachsendem Maße von illegalen Immigranten überrannt, was zu Problemen vor Ort führt.
Bereits im Jahre 2005 brachten Schlepper über 4700 Asylsucher von der westafrikanischen Küste nach Lanzarote, Fuerteventura, Gran Canaria und Teneriffa. Und 2006 schnellte die Zahl der Übergesetzten dann schlagartig auf knapp 32.000 hoch. Daraufhin ergriff Spanien entschiedene Gegenmaßnahmen. So zwangen Patrouillenschiffe von Marine und Küstenwache die Schlepperboote gleich unweit der afrikanischen Küste zur Umkehr.
Außerdem vereinbarte Madrid Abschiebeabkommen mit Marokko und Mauretanien. Im Ergebnis dessen kamen 2007 bloß noch um die 10.000 tatsächliche oder vorgebliche Flüchtlinge auf die Kanaren. Und in den Jahren danach gingen die Zahlen weiter kontinuierlich zurück, bis die Behörden 2016 lediglich 663 illegale Immigranten aus Afrika registrierten – und 2017 waren es sogar nur 423.
Dieses Jahr schon über 4000 Illegale
Allerdings gab es seitdem einen neuen Anstieg: 2018 landeten schon wieder 1266 Asylsucher auf den Inseln, während 2019 fast 3000 Afrikaner die mindestens 100 Kilometer lange Überfahrt bewältigten.
Da die Regierung in Madrid nichts dagegen unternahm, setzte sich der Trend im laufenden Jahr fort: Nach Zählung des spanischen Seenotrettungsdienstes Sociedad de Salvamento y Seguridad Marítima und der Comisión Española de Ayuda al Refugiado (Spanische Kommission für Flüchtlingshilfe) trafen zwischen dem 1. Januar und 31. August genau 136 Boote mit 3933 Personen an Bord auf Lanzarote, Fuerteventura, Gran Canaria und Teneriffa ein. Und der Ansturm geht weiter: In den ersten Septembertagen erreichten nochmals 14 große Pirogen mit mehreren hundert Illegalen an Bord die Kanaren.
Dabei gestaltet sich die Unterbringung der Neuankömmlinge mittlerweile ähnlich schwierig wie auf Lesbos, Samos und anderswo im Ägäischen Meer. Denn auf den Kanaren gibt es lediglich zwei sogenannte Internierungszentren für Ausländer, wobei das Centro de Internamiento de Extranjeros (CIE) von Barranco Seco in Gran Canarias Hauptstadt Las Palmas wegen Baumaßnahmen derzeit nur eingeschränkt genutzt werden kann und das CIE in Hoya Fría auf Teneriffa hoffnungslos überfüllt ist.
Darüber hinaus entschied ein spanisches Gericht, dass die erstgenannte Einrichtung so schnell wie möglich geräumt werden müsse, weil die dort Lebenden Gefahr liefen, sich gegenseitig mit dem Coronavirus anzustecken.
Abhilfe könnten hier Abschiebungen nach Marokko und Mauretanien bringen, doch diese sind aufgrund der Pandemie derzeit nicht möglich. Die letzte Rückführung von rund 50 abgelehnten Asylbewerbern, die in Mauretanien in See gestochen waren, erfolgte am 2. März. Dann verhinderten die allgemeinen Grenzschließungen weitere Abschiebeflüge. Aufgrund dessen beschloss das Innenministerium in Madrid die Wiedereröffnung des früheren CIE in El Matorral auf Fuerteventura.
Unterkunft in Ferienanlagen
Darüber hinaus werden viele Illegale nun auf Kosten der spanischen Steuerzahler in leer stehenden Privatwohnungen, Hotels und Ferienanlagen untergebracht – für die Eigentümer eine willkommene Gelegenheit, Einnahmeverluste durch die Corona-Krise zu kompensieren.
Das wiederum sorgt für Proteste bei den Anwohnern, welche um das touristische Image ihrer Ortschaften fürchten. So gingen die Bürger von Hoya de Tunte in der Gemeinde San Bartolomé de Tirajana im Süden von Gran Canaria auf die Straße, um die Verlegung von 400 afrikanischen Wirtschaftsflüchtlingen in ein Bungalow-Dorf am Rande der Kommune zu verhindern. Zu diesem Zweck errichteten die Demonstranten Zugangssperren, wurden dann aber von der Polizei vertrieben, woraufhin die Immigranten ihr neues Quartier beziehen konnten.
In Reaktion hierauf drang der sozialistische Präsident der Regierung der Kanaren, Ángel Víctor Torres, am 9. September während einer Videokonferenz mit dem spanischen Minister für Inklusion, Soziale Sicherheit und Migration, José Luis Escrivá, auf „sofortige und energische Maßnahmen“ seitens der Zentralregierung, da deren Untätigkeit „rechten Kräften“ in die Hände spiele.
Am besten wäre es, die Asylsucher allesamt auf das spanische Festland zu bringen. Nun ist die Frage, ob Madrid dieser Forderung tatsächlich nachkommt, um Aufruhr unter Immigranten wie Einheimischen zu vermeiden.
Der Beitrag erschien zuerst bei PAZ
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