Sonntag, 22. Dezember 2024

Ceausescu kam zu Fall, seine Partei blieb bestehen

Ein Gastbeitrag von Herwig Schafberg

Es ist erst ein paar Wochen her, dass wir den 30. Jahrestag der Berliner Maueröffnung gefeiert haben – ein Ereignis, durch das „wir Deutschen das glücklichste Volk der Erde“ wurden, wie Walter Momper seinerzeit als Regierender Bürgermeister von Berlin schwärmte. Dieses Glück verdankten wir der Bürgerbewegung, die auf friedliche Veränderung der politischen Verhältnisse in der DDR hingewirkt hatte.

Nicht so friedlich wie in der DDR sowie anderen Ostblockländern war der Machtwechsel in Rumänien. Dort kam es Mitte Dezember 1989 in Timisoara zu Massenprotesten gegen das kommunistische Regime. Darauf reagierte der Staatssicherheitsdienst (Securitate) mit einem Massaker, das weitere Unruhen auslöste.

Um die Ruhe wiederherzustellen und das vermeintliche Einvernehmen zwischen Staatsvolk und Staatsführung öffentlich vorzuführen, beorderte das Regime am 21. Dezember 1989 massenhaft Werktätige vor den Palast des Präsidenten, von dessen Balkon der kommunistische Partei- und Staatschef Nicolae Ceausescu der Masse unter ihm verkünden wollte, was er und seine Führungsclique zum Wohle des Volkes beschlossen hätten.

„Der am meisten geliebte Sohn des Volkes“ kam beim Volk nicht mehr an

Ungläubig starrte der so genannte Führer (Conducator) vom Balkon auf die Volksmasse herunter, aus der nicht der bestellte Jubel zu hören war, sondern Protestgeschrei. „Alo, alo“ (hallo) rief er ins Mikrofon wie einer, der nicht wahrhaben will, dass seine Telefonverbindung unterbrochen ist. Aber es gab keine Verbindung mehr zwischen ihm und dem Volk, das ihm so häufig weisungsgemäß zugejubelt hatte: „Ceausescu und das Volk – das Volk und Ceausescu“, als wären beide eine untrennbare Einheit.

Die Verbindung wieder herzustellen, gelang auch nicht Ceausescus Frau, die sich gerne als „liebende Mutter der Nation“ feiern ließ und von oben herunter die protestierenden Landeskinder anherrschte: „Seid ruhig, seid ruhig!“ Die wollten sich jedoch nicht länger von denen da oben mundtot machen lassen – weder von dem stotternden Schusterjungen, der es zum Staatsoberhaupt gebracht hatte und von manch einem öffentlich als „unser irdischer Gott“ gepriesen wurde, noch von dessen Frau Elena, die von der Propaganda auch als „kühne Wissenschaftlerin und Forscherin mit internationaler Anerkennung“ umschmeichelt worden war. Sie hatte zwar nicht einmal einen Schulabschluss und die Forschungsergebnisse, die unter ihrem Namen veröffentlicht waren, wahrscheinlich nicht selber erzielt, konnte aber akademische Grade vorweisen, die ihr zu Ehren erfunden worden waren.

Die Unruhen im Volk nahmen weiter zu

Bevor die Armee sich in tagelangen Straßenkämpfen gegen die von Ceausescu bevorzugt ausgerüstete und diesem treu ergebene Securitate durchsetzen konnte, war der „große Kommandant“ mit seiner Frau aus Bukarest geflohen, wurde allerdings von Soldaten gefasst und vor ein Militärgericht gestellt.

Es entbehrt nicht der Ironie, dass Ceausescu auf der Basis des Ausnahmerechts, das er höchstpersönlich zur Unterdrückung der Unruhen in Timisoara verordnet hatte, ebenso wie seine Frau im Schnellverfahren zum Tode verurteilt wurde. „Ich war doch immer wie eine Mutter zu Euch“, rief diese voller Panik den Soldaten zu, die sie zur Hinrichtung abführten. Die Frage, ob sie solch einen unheilvollen Einfluß auf ihren Mann ausgeübt hatte, wie man ihr vorwarf, war wohl nicht zweifelsfrei geklärt. Vielleicht glaubten die Militärs und ihre Hintermänner, dass es besser wäre, beiden das Leben zu nehmen, damit die Widerstand leistenden Securitate-Einheiten keinerlei Hoffnungen mehr auf die Ceausescus setzen konnten.

Am 25. Dezember 1989 war wurde Ceausescu ebenso wie seine Frau erschossen. Wußten die Propagandisten, die ihn als „Titan der Titanen“ verherrlicht hatten, nichts vom Fall der Titanen in der griechischen Sage? Im Falle Ceausescus waren es allerdings nicht die olympischen Götter, von denen er gestürzt wurde, sondern „Titanen“ aus den eigenen Reihen.

Von reformwilligen Parteigenossen inszeniert

Im Unterschied zu Ceausescu – dem viel gelobten „Genie der Karpaten“ – hatten diese sich zu der Erkenntnis durchgerungen, dass der sozialistische Staat, den die Partei sich zur Beute gemacht hatte, zum Scheitern verurteilt wäre, wenn weiter so wie bisher verfahren würde.

An die Spitze des Staates trat Ion Iliescu, der zur Führungsriege der Kommunisten gehört hatte, bis er wegen seiner Anmahnung von Reformen von Ceausescu kaltgestellt worden war. Nach dem Ende des Ceausescu-Regimes ließ er sich – mit Unterbrechung – zwei Mal zum Staatspräsidenten wählen. Und die Kommunistische Partei wurde in eine sozialdemokratische umfirmiert. Diese hat es seither mehrere Male geschafft, Wähler mit sozialen Wohltaten zur Linderung der weit verbreiteten Armut zu ködern und so die meiste Zeit an der Macht zu bleiben.

Amtsmissbrauch ist heute allerdings nicht mehr so leicht zu vertuschen wie in der Ceausescu-Ära. Die sozialdemokratischen Regierungen drängten zwar Beamte, die korrupten Führungsgenossen auf die Schliche gekommen waren, aus dem Amt und versuchten durch Gesetzesänderungen, die strafrechtliche Verfolgung von Amtsmissbrauch zu verhindern, müssen es jedoch hinnehmen, dass aus Wahlen manch ein Staatspräsident wie der jetzige Amtsinhaber Klaus Johannis hervorging, der sich nicht vor den Karren der regierenden Sozialdemokraten spannen lassen wollte.

Vielleicht ist das der Grund, aus dem in den Reihen der Sozialdemokraten mit dem Gedanken gespielt wurde, die Monarchie – mit der Tochter des früheren Königs auf dem Thron – zu restituieren; denn von einer lediglich als Repräsentationsfigur vorgesehenen Königin wäre nicht zu erwarten, dass sie sich in die Tagespolitik einmischt und die Machenschaften der Regierung stört. Dann könnte das prunkvolle Zepter, das Ceausescu – der gefeierte „Sohn der Sonne“ – bei Sitzungen der Nationalversammlung wie ein Monarch bei sich hatte, wieder einen Zweck erfüllen.

Kein „richtiger“ Rumäne?

Die Wahl von Johannis wollten die Sozialdemokraten mit dem Hinweis verhindern, dass der kein „richtiger“ Rumäne sei. Sie stellten sich damit in die national-sozialistische Tradition des Ceausescu-Regimes, dessen Propaganda die Herkunft der Rumänen ausschließlich auf römische Kolonisten zurückgeführt wissen wollte. Und die Behörden nahmen weisungsgemäß den römischen  „Ahnenkult“ so bitter ernst, dass beispielsweise ein Archäologe seine Fundstätte zuschütten musste, nachdem er bei seinen Ausgrabungen auf slawische und nicht – wie erhofft – auf römische Überreste gestoßen war.

Eine römische oder gar slawische Abstammung kann Klaus Johannis nicht vorweisen, sondern eine deutsche; denn er gehört zur verschwindend kleinen Minderheit der Siebenbürger Sachsen. Die gibt es seit 800 Jahren in Siebenbürgen, das nach der Niederlage Österreich-Ungarns im 1. Weltkrieg Rumänien zugeschlagen wurde. Als erfolgreicher Bürgermeister von Hermannstadt beziehungsweise Sibiu hat er sich landesweit solch ein hohes Ansehen erworben, dass die rumänischen Nationalliberalen ihn als Kandidaten zur Wahl des Staatspräsidenten aufstellten und eine Mehrheit der Rumänen ihn wählte, weil sie hofften, dass dieser „Deutsche“ den rumänischen Staat so gut voran bringen würde wie das siebenbürgische Hermannstadt. Als Staatspräsident hat er allerdings nur wenig Gestaltungsmacht; die nutzt er so weit wie möglich zur Bekämpfung der Korruption.

Vor wenigen Wochen wurde Klaus Johannis für eine weitere Amtszeit gewählt.

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PP-Redaktion
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