Ein Gastbeitrag von Philipp A. Mende
Rückblende. Wir schreiben das Jahr 1998.
Ich erinnere mich noch sehr gut daran, wie ich als junger Hüpfer zu Unrecht in einem Kaufhaus beschuldigt worden war, irgendwelche Preisschilder vertauscht zu haben, um die Ware günstiger zu bekommen. Angeblich habe mich der Ladendetektiv dabei beobachtet. Das war dann auch die komplette „Beweisführung“.
Ich wollte mit dem Kerl sprechen. Abgelehnt. Ich wollte die Überwachungskameras prüfen lassen (die meine Unschuld bewiesen hätten). Abgelehnt. Ich wollte, dass die Polizei (de facto nicht vorhandene) Fingerabdrücke der angeblichen Waren vergleiche (die meine Unschuld bewiesen hätten). Abgelehnt. Ich wollte schließlich meine Eltern anrufen. Abgelehnt.
Zwei Stunden saß ich also im Büro des Geschäftsführers und sollte „gestehen“. Da es aber nichts zu gestehen gab und all meine Punkte ignoriert wurden, saß ich halt einfach herum und drehte Däumchen. Irgendwann wurde doch die Polizei gerufen. Ich erinnere mich noch an den Einschüchterungsversuch des Geschäftsführers: „Wenn wir in der Vergangenheit die Polizei gerufen haben, haben sie noch alle gestanden!“ Ich zuckte mit den Schultern. Ich w o l l t e ja, dass die Polizei anrückt und die Sache aufklärt.
Dann wurde es jedoch erst so richtig unterhaltsam.
Als die Polizei auf der Matte stand, wurde ich zunächst zum „Ort des Verbrechens“ geführt. Ein wenig bedeutungsschwangeres Geschwurbel ohne Sinn und Mehrwert. Kein Geständnis meinerseits. „Beweismaterial” wurde nicht mitgenommen, da es schlicht keines gab.
Stattdessen Handschellen für einen Fünfzehnjährigen. Hausverbot. Ich wurde sodann in einem vollen Kaufhaus abgeführt und in einen Streifenwagen gesetzt. Man wolle mich nach Hause bringen, obwohl ich meinte, ich würde schon selbst zurückfinden. Abgelehnt. Zufälligerweise sah ich aus dem Fenster des Polizeiwagens, dass meine Mutter ebenfalls mit dem Auto unterwegs war, um Einkäufe zu machen.
Ein dummer Fehler: Ich teilte dies den „Ordnungshütern“ mit, welche daraufhin Blaulicht und Sirene aktivierten und meine Mutter stoppten, um den „kriminellen Sohnemann“ mitten in der Stadt zu übergeben. Ich erinnere mich noch daran, dass unser Hausarzt im selben Moment mit fragendem Gesichtsausdruck vorbeilief.
Ich dachte zu diesem Zeitpunkt nur noch, dass doch jeden Augenblick Dieter Hallervorden mit Kamerateam aufkreuzen müsse, um mich zu erlösen. Wie sich jedoch herausstellte, war ich kein Teilnehmer von „Verstehen Sie Spaß?”.
Zuhause erzählte ich alles meinem Vater, der nach meinen Schilderungen – „leicht” sauer – nichts weiter als den Namen des Geschäftsführers von mir hören wollte und sich auf den Weg ins Kaufhaus machte. Lange Rede, kurzer Sinn: Das persönlich von Erwin Franz Müller unterschriebene Entschuldigungsschreiben mitsamt Aufhebung des Hausverbots habe ich heute noch.
Gegenwart. 2017.
Soeben las ich, dass in Sigmaringen mittlerweile jeder dritte Tatverdächtige ein „Flüchtling“ sei und der Lidl dort beinahe täglich geplündert würde, woraufhin die Rechnung des Schadens einfach an die Stadt geschickt werde, da nicht einmal mehr die Polizei komme. Ähnliches gelte für Berlin und andere Teile der Republik.Teile der Republik.
Es soll staatliche Stellen geben, an die die Supermärkte ihre Ausfälle schicken, welche wiederum von dort bezahlt würden. Damit solle vermieden werden, dass die Polizei wegen „Bagatellen“ ausrücke. Nebeneffekt sei eine geschönte Kriminalitätsstatistik.
Mit diesem Text wollte ich nichts zum Ausdruck bringen.
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Zum Autor: Philip A. Mede (Peking) wurde 1983 in Ansbach geboren. Studium der Germanistik, Geschichte und Philosophie; Lehrer, Lektor und freier Autor.
♦ Im vergangenen Jahr erschien sein Buch: Geschosse wider den Einheitsbrei: Politisch unkorrekte Gedanken zur Hirnwäsche weiter Teile einer Nation.
♦ Facebook: Lyrik über alles und nichts
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