Dienstag, 29. April 2025

Das ominöse AfD-Parteiverbot als Marktverzerrung und spieltheoretischer Offenbarungseid

Ein Parteiverbotsverfahren gegen die AfD ist weniger ein Ausdruck demokratischer Wehrhaftigkeit als eine strategische Marktblockade durch ein politisches Kartell. Wer den Wettbewerb nicht mehr aushält, verabschiedet sich aus dem demokratischen Spiel. Ein Gastbeitrag von Frank Hansel.

Im demokratischen Selbstverständnis westlich-liberaler Prägung gilt der politische Wettbewerb als konstitutives Element. Parteien konkurrieren um Zustimmung, repräsentieren gesellschaftliche Interessen und stehen im offenen Austausch gegensätzlicher Programme. Der Wähler ist in dieser Logik kein bloßer Zuschauer, sondern Konsument und Richter zugleich: Er entscheidet darüber, welche Idee, welche Kraft, welches „Produkt“ sich durchsetzt.

Doch was, wenn sich die Anbieter, die bisher den politischen Markt dominierten, weigern, einen neuen, erfolgreichen Wettbewerber zu akzeptieren? Was, wenn sie nicht durch Argumente, sondern durch Verbotsdrohungen ihre Stellung verteidigen wollen? Dann wandelt sich die liberal-pluralistische Ordnung in ein geschlossenes Kartell. Und genau darin liegt die eigentliche Gefahr: Es ist nicht die (Existenz der) AfD, sondern die Gefahr ist der autoritäre Reflex, den sie auslöst.

Den Konkurrenten systematisch delegitimieren

In der Sprache der Wirtschafts- und Markttheorie agieren Parteien wie Unternehmen auf einem politischen Markt. Sie bieten als deren Ware politische Programme, Narrative, Deutungsmuster – und werben um Zustimmung, sprich: Stimmen. Dieser Markt folgt seinen eigenen Gesetzen: Angebot und Nachfrage, Substitution, Innovationsdruck, aber auch Markteintrittsbarrieren und Monopolbildung.

Solange dieser Markt offen ist, bleibt das System dynamisch und selbstkorrigierend. Neue Anbieter – wie einst die Grünen, später die Linke, heute die AfD – bringen frische Perspektiven ein und zwingen die Etablierten zur inhaltlichen Auseinandersetzung. Der Wähler profitiert von einer größeren Auswahl – wie in jedem funktionierenden Markt.

Doch mit dem Aufstieg der AfD begann sich dieser Mechanismus umzukehren. Anstatt sich dem politischen Wettbewerb zu stellen, versuchen die etablierten Kräfte, diesen Konkurrenten systematisch zu delegitimieren – bis hin zum Versuch eines formalen Ausschlusses. In ökonomischer Terminologie entspricht das einem strategischen Marktausschlussverfahren: Nicht die Nachfrage entscheidet, sondern die Anbieter schließen sich zusammen, um den neuen Wettbewerber mit regulatorischen Mitteln zu verdrängen.

Brandmauer-Dogma

Genau das hat die AfD auch früh und instinktiv gespürt, und daher von den Kartellparteien gesprochen. Was sich hier als Evidenzbefund abzeichnet, ist die offene Bildung eines politischen Kartells:  SPD, CDU, Grüne, FDP und LInke – sie alle eint ein implizites Interesse: Die AfD darf nicht an die Macht. Dieses zur “Brandmauer” geronnene Dogma beruht nicht auf Verantwortungsethik, sondern ist rein machtstrategisch begründet. Denn die Existenz eines erfolgreichen Außenseiters gefährdet die oligopole Stabilität des bestehenden Parteienkartells.

Spieltheoretisch gesprochen befinden sich die Kartellparteien in einem nicht-kooperativen Spiel mit multiplen Gleichgewichten. In der bisherigen Spielstruktur konnten sich die Akteure auf wechselnde Koalitionen verlassen, die das System stabil hielten. Die AfD fungiert hier als sogenannter „spoiler player“ – ein Akteur, der mit einer völlig anderen Strategie ins Spiel eingreift, die bewährte Gleichgewichtslagen stört und die Regeln selbst infrage stellt. Die Antwort der Altparteien: Regelveränderung, notfalls durch Eliminierung des Störers.

Doch genau hier offenbart sich die eigentliche Schwäche des Systems: Wenn die Spielregeln nur solange gelten, wie das Ergebnis passt, ist das Spiel kein faires mehr – sondern ein Scheinwettbewerb. Die politische Ordnung degeneriert zur Simulation, zur ritualisierten Inszenierung demokratischer Abläufe bei gleichzeitiger Ausschaltung echter Alternativen.

AfD-Verbot wird das ganze System destabilisieren

Ein Parteiverbot, so es überhaupt rechtsstaatlich durchsetzbar wäre – was angesichts der bisherigen Rechtsprechung des BUndesverfassungsgerichts kaum möglich ist, da es tatsächlich keinerlei Anhaltspunkte für offensiv-aggressive Umsturzvorstellungen der FDGO gibt –, würde nicht nur eine politische Kraft vom Wettbewerb ausschließen, sondern unmittelbar fundamentale negative Externalitäten erzeugen, die das ganze System destabilisieren:

Erstens würde das Vertrauen in die Unparteilichkeit des (Recht-)Systems massiv beschädigt: Millionen Wähler würden ihre Repräsentanz verlieren und in der Folge das System selbst infrage stellen. Zweitens würden andere politische Kräfte lernen, dass man Konflikte nicht durch bessere Angebote löst, sondern durch institutionelle Blockade. Und drittens würde sich die politische Arena dauerhaft verengen. Marktlogisch gesprochen: Wenn Anbieter beginnen, durch Ausschlussverfahren ihre Monopolstellung zu sichern, sinkt die Qualität des Angebots, die Kunden, also die Wähler als Marktteilnehmer, wandern ab oder verweigern sich dem Markt ganz. In der Politik heißt das: Sinkende Wahlbeteiligung, Vertrauensverlust, Radikalisierung.

Die AfD ist nicht das Problem – die Angst vor dem Verlieren des Wettbewerbs ist es

Das liberale Versprechen unserer liberal-pluralistischen Ordnung lautete: Der freie politische Wettbewerb sorgt für Ausgleich, für Erneuerung, für Legitimität. Wer nun meint, diesen Wettbewerb durch ein Parteiverbot zu unterbrechen, riskiert mehr als eine juristische Niederlage – er untergräbt das System, das er zu schützen vorgibt. Die eigentliche Gefahr für die Demokratie ist nicht die Existenz einer systemkritischen Partei. Die Gefahr ist ein System, das aus Angst vor der Konkurrenz seine eigenen Spielregeln außer Kraft setzt. Denn in der Markt- wie in der Spieltheorie gilt: Wer sich dem Wettbewerb entzieht, verliert nicht nur das Spiel – er zerstört das Spielfeld selbst.

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Frank Hansel (m.) mit Karl-Heinz Turban (r.) und Blogmacher Berger (l.)

Der Beitrag erschien zuerst auf dem Blog von FRANK HANSEL. Hansel ist langjähriges Mitglied der AfD und hat dort die unterschiedlichsten Aufgaben übernommen. Im Rahmen des Wiedereinzugs der AfD in das Berliner Abgeordnetenhaus 2021 übernahm er für seine Fraktion die Sprecherfunktionen für die Ausschüsse Wirtschaft, Energie und Betriebe, Gesundheit und Pflege sowie Klima. Nach der erfolgreichen, durch die AfD gerichtlich vor dem Landesverfassungsgericht erstrittenen Wiederholungswahl am 12. Februar 2023 konzentriert ich sich auf die Schlüsselthemen Wirtschaft, Energie und Klima.

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David Berger
David Bergerhttps://philosophia-perennis.com/
David Berger (Jg. 1968) war nach Promotion (Dr. phil.) und Habilitation (Dr. theol.) viele Jahre Professor im Vatikan. 2010 Outing: Es erscheint das zum Bestseller werdende Buch "Der heilige Schein". Anschließend zwei Jahre Chefredakteur eines Gay-Magazins, Rauswurf wegen zu offener Islamkritik. Seit 2016 Blogger (philosophia-perennis) und freier Journalist (u.a. für die Die Zeit, Junge Freiheit, The European).

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