Mit riesigen Summen mit vielen Nullen vor dem Komma jonglieren unsere Ober-Indianer tagtäglich über unsere Köpfe hinweg und beschließen ein sogenanntes Milliarden-Rettungspaket nach dem anderen. Bezahlt wird all das mit Geld, das man (der Staat) nicht hat und es sich deshalb leihen muss. Ein Gastbeitrag von Meinrad Müller
Unser guter alter Lehrer hieß Herr Dillinger. Er und die Lehrerin Fräulein Übelhör unterrichteten die rund 40 Dorfkinder in zwei Klassenräumen. Das Zimmer 1 diente für die erste bis zur vierten, das Zimmer 2 für die fünfte bis zur achten Klasse. Die pädagogische Leistung, dieses breite Altersspektrum gleichzeitig zu unterrichten, konnten wir in diesem jungen Alter natürlich nicht würdigen.
Unterricht vor 60 Jahren
Erzählte Herr Dillinger den Achtklässlern etwas Spannendes, so spitzten auch wir Fünftklässler die Ohren. So erfuhr ich von den alten Römern schon vier Jahre früher, die auch unseren Landstrich des kalten Germaniens vor 2000 Jahren besetzt hielten. Damit es auch uns Schüler im damals noch kalten Winter nicht fror, standen in beiden Räumen riesige Kachelöfen, die vom Herrn Lehrer höchstpersönlich schon morgens um 6 Uhr dreißig angeheizt wurden. Während des Unterrichts Holz in den Ofen nachlegen zu dürfen, galt als Privileg.
Die langen Buchenscheite lagerten auf dem Dachboden, wurden von uns Schülern tags zuvor in großen Weidenkörben heruntergetragen und neben dem Ofen aufgeschichtet. Im Herbst jeden Jahres kippte der einzige Bauarbeiter der Gemeinde Unmengen von Holzscheiten auf den Schulhof. Anstelle von Sportunterricht „durften“ alle Kinder dann an einem bestimmten Tag mithelfen. Auch die Erstklässler, das Holz in den Armen, trugen das Brennholz in den Speicher unterm Dach.
Statistische Berechnungen über fünf Jahrhunderte hinweg haben wohl ergeben, dass für 700 Einwohner und bei deren zu erwartender Fruchtbarkeit diese Schulgröße ausreichen würde. Die anderen Zimmer des Schulhauses dienten als Wohnung des Herrn Lehrer und dessen Frau. Zur Winterszeit bereitete Frau Dillinger für alle Kinder täglich warmen Kakao. Dazu wurden von ihr die Halbliterflaschen mit Kakaomilch in einen blechernen Bottich, den sie zuvor mit heißem Wasser befüllt hatte, gestellt. Rechtzeitig zur einzigen Pause stand dieses warme und köstliche Getränk bereit. Dazu die Pausenbrote aus selbst gebackenem Brot mit dicken Leberkäsescheiben…, der Autor bekommt jetzt Hunger.
Mehr als nur das kleine und große Einmaleins
Nach dem damals selbstverständlichen Morgengebet stehend vor dem Kreuz über der Tafel, gab es zweimal pro Woche Kopfrechnen. Das kleine und große Einmaleins wurde abgefragt, je nach Alter mussten die Antworten „sitzen“. Was ergibt 17 x 4? 53 x 5? Und 250 Mark aufgeteilt auf fünf Kinder? Oder 100 Sack Kartoffel von je 12 Feldern? Zusätzlich gab es knifflige Fragen. Ein hartes Ei dauert 10 Minuten, wie lange dauern dann zwei harte Eier? Rechnen kann, wie wir eben sahen, auch Spaß machen. Die Verbindung von Zahlen zur Lebensrealität erleichterte das Verständnis. Wenn heute Millionen, Milliarden und Billionen durch den Raum, beispielsweise durch den Bundestag schwirren, dann fehlt den Herren oft der Bezug zur Lebenswirklichkeit.
Wie viel Kartoffel braucht der Bauer, damit ein Schwein in 12 Monaten dick und fett wird? Die tägliche Futtermenge soll 2 kg betragen. Wie viel Eier legende Hühner sollten wir halten, wenn jedes Huhn nur drei Eier pro Woche legt, sonntags zudem Pause macht, wir aber 60 Eier pro Woche brauchen? Wie viel Saatgetreide wird für einen Hektar und wie viel für 1,5 Hektar benötigt? Wie viel Kilo Streusalz soll die Gemeinde kaufen, um 4 Kilometer an Straßen zu versorgen? Die Möglichkeit bestand sehr konkret, dass ein Schüler des Herrn Dillinger später auch Gemeinderat wurde. Das Kopfrechnen in der Gemeinderatssitzung spontan einzusetzen, zur Überraschung derer die nicht gut aufgepasst hatten, führte zu Ansehen. Da es Taschenrechner noch nicht gab, musste blitzschnell ohne Papier und Stift im Kopf gerechnet werden können, was auch mitten auf dem Feld ja irgendwie peinlich gewesen wäre. Auch bei Geschäften mit dem Viehhändler, der das Rechnen im Kopfe nur allzu gut verstand, durfte man nicht ins Hintertreffen geraten. Was wir im Unterricht spielerisch lernten, konnte oft unmittelbar zu Hause umgesetzt werden. Die Frage, wie viele Neubürger das Sozialsystem um wie viel Prozent schädigen würden, war noch nicht aktuell.
Kopfrechnen heute, wat issn dat?
Wenn die Inflation von derzeit 7,5 % weitere zwei Jahre so anhält, um wie viel Euro haben sich Ersparnisse von z.B. 10.000 Euro vermindert? Auch beim Kauf eines Sofas darf gehandelt werden. Wie viel Ermäßigung ergeben 5 % Rabatt bei 820 Euro Kaufpreis? Erhöhte sich der Benzinpreis von 2,00 Euro auf 2,10 Euro, um wie viel Prozent stieg er dann an? Wie viel Zinsen werden monatlich fällig, wenn eine Wohnung im Wert von 200.000 Euro mit 4 % finanziert wird? Bei welchen Lebensmitteln muss wie sehr gespart werden, um die um 30 % gestiegenen Heizkosten zu kompensieren? Und was bedeutet es konkret, wenn 800-Euro-Renten um fünf Prozent steigen? Dann entspricht dies fünf Packungen Marlboro á 8 Euro. Wir sehen daran exemplarisch, dass unsere Regierung auch ein Herz für rauchende Rentner hat. Um wie viele Jahre müssen deutsche Arbeitnehmer länger schuften, um das Renteneintrittsalter in befreundeten europäischen Ländern niedrig zu halten? Ab welchem Stimmenanteil bei der Bundestagswahl gilt eine Partei als „demokratisch“? Ab 5,001 %, ab 7 %, ab 10 % oder erst ab 20 %??
Tausend Dank nachträglich lieber und verehrter Herr Dillinger, der Sie uns wöchentlich das Vergnügen zweier Stunden mit Kopfrechnen gönnten. Wie so vieles ist auch Kopfrechnen nur reine Übungssache, die aber immer weniger beherrscht wird. Selbst viele unserer Volksvertreter tun sich schwer, denn es sind ja mittlerweile sooooo viele Nullen vor dem Komma über die es abzustimmen gilt. Wie viel Prozent der Soldaten in der Ukraine können deren Kopf schützen, wenn wir 5000 ausrangierte Stahlhelme spenden?
Nachhilfe für Politiker, Rechnen in Bildersprache
Eine Million Euro (eine Eins mit sechs Nullen) soll in diesem Rechenbeispiel dem Wert eines Häuschens in München entsprechen. Ein Reihenhäuschen, das 1978 nur 200.000 Mark kostete, geht heute für eine (1) Million Euro über den Ladentisch. Wer damals Kopfrechnen konnte, der gilt heute als reich. Wer mit 20.000 Mark Eigenkapital und Finanzierung so mutig war ein Häuschen zu kaufen, der ist heute Euro-Millionär. Und 1000 (eintausend) dieser Beispielhäuschen á 1 Million € Wert entsprechen ganz konkret einem Sachwert von einer Milliarde Euro (eine Eins mit neun Nullen). So einfach und schnell kann man sich eine Milliarde Euro ganz praktisch vorstellen. Fahren sie mit ihrem Auto demnächst durch ein schönes südbayerisches Dorf mit 1000 Häusern (und rund 4000 Einwohnern), so durchqueren sie gerade eine Milliarde Euro an Sachwerten, Gewerbebauten und Infrastruktur bleiben in diesen Beispielen unberücksichtigt.
Bei einer Billion (eine Eins mit zwölf Nullen) muss jetzt die Phantasie schon etwas mehr bemüht werden. Im vorhergehenden Absatz haben wir erfahren, dass ein Dorf mit 1000 Häuschen einem theoretischen Sachwert von 1.000.000.000 € (einer Milliarde Euro) entspricht.
Eine Billion sind 1000 Milliarden. 1.000.000.000 (neun Nullen) multipliziert mit 1.000 ergibt 1.000.000.000.000 (zwölf Nullen). Addieren wir nun 1000 (eintausend) solcher Beispiel-Dörfer so haben wir diesen Sachwert von einer Billion Euro gefunden.
Dies entspricht somit einer Region mit 1 (einer) Million Häuschen. Nehmen wir vier Personen pro Häuschen an, so umfasst eine Billion Euro einen Umkreis von rund 4.000.000 (vier) Millionen Einwohnern, sprich einem Drittel Bayerns. Wie schon gesagt ist diese eine überschlägige Berechnung mit Musterhäuschen á 1 Mio. Wert. Mit etwas Kopfrechnen kann ein jeder dies für seine Heimat neu kalkulieren.
Und genau um diese Größenordnungen im Milliarden- und Billionenmaßstab geht es bei Entscheidungen im Bundestag. Eine anschauliche Anekdote erzählt, ein Indianerhäuptling habe bei Kartenspiel und Whiskey (historische Wahrheiten sind Karl May entnommen), die Hälfte seines Stammesgebiets in Arizona an die weißen Siedler verloren. Vermutlich kannte er die Spielregeln und die Wertigkeit der einzelnen Spielkarten nicht gut.
Übertragen auf heute bedeutet dies für uns, dass unsere gewählten „Indianer“ gerade dabei sind, unserer Väter Erbe, Haus und Hof plus Infrastruktur an die Geldverleiher zu verlieren und für kommende Jahrhunderte zu verpfänden. Und es dürfte auch nicht unbekannt sein, dass die Geldverleiher deren Schuldner zu allen Jahrhunderten fest in der Hand hatten. NATO-Sitzungen fanden deshalb jüngst nicht mehr auf deutschem Boden, sondern in der exterritorialen Enklave Ramstein (Pfalz) statt. Unsere Verteidigungsministerin wurde einbestellt. Nicht mehr das Volk und nicht mehr Regierungen dürfen über das Wohl und Wehe entscheiden, sondern jene mit dem (längeren) Finger am Gewehr oder am Geldspringbrunnen. Näheres siehe auch „Die Fugger“ und „Schuldknechtschaft“ in Wikipedia.
Mit riesigen Summen mit vielen Nullen vor dem Komma jonglieren unsere Ober-Indianer tagtäglich über unsere Köpfe hinweg und beschließen ein sogenanntes Milliarden-Rettungspaket nach dem anderen. Bezahlt wird all das mit Geld, das man (der Staat) nicht hat und es sich deshalb leihen muss. Zitat Franz Eichel, ehemaliger Finanzminister: „Wir zahlen keine Schulden zurück, wir zahlen nur die Zinsen“. Wenn nun volkswirtschaftliche Laien leichtfertig, parteipolitisch motiviert und somit falsch entscheiden, dann beißen die Letzten bekanntlich die Hunde. Und das sind wir, das sind unsere Kinder und Kindeskinder. Mit jeder Tankfüllung erhalten wir negative „Fleißbildchen“, sprich Tankquittungen, die uns an das Kopfrechenkünste unserer Politiker und unsere eigene dumme Wahlentscheidung erinnern. Die Gläubiger aber, die dem Staat Geld liehen, beherrschen jedenfalls das Kopfrechnen im Schlafe. Unsere Abgeordneten genießen Immunität und können vom Wähler später nicht haftbar gemacht werden. Und selbst wenn wir sie zur Rechenschaft ziehen könnten, keiner von ihnen könnte aus seinem Privatvermögen den angerichteten Schaden jemals wieder ersetzten.
Zum Schluss ein Selbstversuch mit einfachen Zahlen
Nur gut, dass das Garen des heutigen Sonntagsschweinebratens im Elektroherd nicht durch Windflaute oder Wolken gefährdet ist. Deshalb zahlen wir doch gerne große Summen mit vielen Nullen an unsere europäischen Freunde mit Atomkraftwerken, von denen wir umzingelt sind. Damit wir die Falle, in der wir alle sitzen, temporär vergessen, gehen wir kurz in den Keller und tragen Fläschchen mit abgefülltem Trost nach oben. Da sind doch fünf Prozent beim schläfrig machenden Gerstensaft und 12 % beim dunklen Bordeaux noch Zahlen, die für uns Menschen aus dem einfachen Volk noch überschaubar sind. Ob nach dem dritten Glas und mittels Kopfrechnen der Blutalkoholgehalt noch ermittelt werden kann? Als Schüler des verehrten Lehrers Herrn Dillinger will das der Autor jetzt ganz praktisch testen.
Prosit und zum Wohle!
P.S.: Schreiben sie ihrem (ggf. versehentlich) gewählten Abgeordneten wie sie sich fühlen. Ihre E-Mails werden alle von gewissenhaften Referenten gelesen, höfliche und ernsthafte Zuschriften werden ausgedruckt und vorgelegt.
Die Adressen lauteten so: vorname punkt nachname@bundestag.de
Beispiel: hans.mustermann@bundestag.de
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Auch wir bei PP müssen rechnen, damit wir über die Runden kommen. Dabei konnten wir uns stets auf die Hilfe unserer Leser verlassen. An diese Stelle dafür heute einfach einmal ein großes Dankeschön!